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Ausgabe:

1958 Nr. 3

Spalte:

230-231

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Maurer, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Pfarrerrecht und Bekenntnis 1958

Rezensent:

Schott, Erdmann

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229 Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 3 230

die christliche Symbolik eine Trinität ist, stellt die Formel des
Unbewußten eine Quarternität dar" (102). Affemanns Gegenthese
lautet, daß nur die Trinität Gottes Totalität begreife,
denn Sünde und Teufel seien nicht in Gott, sondern von ihm
verworfen und in Christus vernichtet, so daß 6ie vom Glauben
nicht bejaht werden könnten. Die Integration des Menschen verläuft
darum beidemale entgegengesetzt: im Christentum im Glauben
an Gott, der Sünde und Teufel vernichtet, bei Jung in einer
Selbstwerdung unter einem Ja zu Sünde und Teufel als positiven
Kräften im Aufbau des wahren Seelentums. Das heißt bei Jung
selbstverständlich nicht libertinistische und hedonistische Bejahung
der Begierden. Welche Instanz aber entscheidet darüber,
was Unkraut der Seele ist? Nach Affemann die Weltanschauung
des Psychologen jenseits der analytisch zugänglichen seelischen
Befunde! Metaphysik ringt mit Metaphysik, Glaube mit Glaube.

Dem Leser wird wohl allgemein auffallen, daß Affemanns
Position elementar ist, was soviel besagen will, daß sie den theologischen
Schulfragen und dogmatischen Feinunterschieden ein
erkennbares Interesse nicht zuwendet. Sie kommt mit erstaunlich
wenigen Kategorien aus: Offenbarung, Geschichtlichkeit Jesu,
Glaube, Sünde. In dieser orthodoxen und weithin unproblematischen
Konzentriertheit liegt die Stärke. Wir vermuten, daß die
zu erwartende weitergehende Auseinandersetzung mit Jung durch
größere Differenzierung und Problematisierung der grundlegenden
Glaubensartikel das Gespräch weiter aktivieren wird.
Rostock G. Holt*

S i e b e n t h a I, W. v.: Schuldgefühl und Schuld bei psychiatrischen Erkrankungen
. Ein Beitrag zur anthropologischen Begründung der Geisteskrankheiten
. Zürich: Rascher 1956. 292 S. 8°. Lw. DM 18.—.

In dem Maße als die anthropologische bzw. psychosomatische
Medizin unter Führung von v. Weizsäcker und Siebeck den
Zusammenhang nichtpsychiatrischer Erkrankungen mit der Schuld
und dem Schuldgefühl zu sehen lehrte, hat auch die psychiatrische
Wissenschaft, wie in der vorliegenden Untersuchung von v. Siebenthal
, den inneren Zusammenhang von Schuld und Schuldgefühl
vorwiegend bei Schizophrenie und endogener Depression als
organisch nicht bedingten Krankheiten zu erhellen versucht.
Dabei geht der psychoanalytisch eingestellte Verfasser mit Bewußtsein
über die bisherige diagnostische Bemühung seiner von
der klassischen Psychiatrie herkommenden Fachkollegen hinaus,
die die bei den geistigen Erkrankungen zu findenden Schuldgefühle
lediglich als Symptome einer körperlich ablaufenden
Krankheit gleichrangig neben anderen registrieren, ohne ihre
überragende Faktizität und Zentrizität anzuerkennen oder in genetischer
Sicht nach ihrem Warum und Woher zu fragen. Er vertritt
also im Gegensatz zu ihnen die Lehrmeinung, daß auch bei
Geisteskranken der Arzt in personaler Partnerschaft mit ihnen
mehr nach dem Sinn ihrer Erkrankung und nach ihrer Leidensbereitschaft
zu fragen hat, damit es, wie oftmals unter dem Eindruck
einer Routinebehandlung, nicht nur zu einer partiellen
Angstbannung und temperären Eindämmung des Schuldgefühls
kommt, sondern auf Grund einer letzten heilsamen Betroffenheit
des Arztes zu einer nicht überstürzten möglichst totalen Selbst-
findung und Selbstverwirklichung des Kranken im Sinne einer
Neuordnung und Heiligung von Grund auf. „Wo Psychose ist,
da ist sie bestimmt durch die existenzielle Schuld" sagt der Verfasser
, um des weiteren zu folgern, daß jede Psychose zugleich
eine kurzschlüssige Reifungskrise und einen überstürzten Selbstverwirklichungsversuch
darstellt, der, ins Stocken geraten, ärztlicherseits
in dem Maße wieder in Gang zu bringen ist, als damit
der Mensch wieder Mensch und so wieder zu Gott „aufgehoben"
wird.

Das Buch 6elbst, das einen klaren Aufbau und eine starke
systematische Kraft verrät, ist mit einem redlichen Ernst und
einer tiefen Liebe zum Menschen in seinem konkreten Leid geschrieben
. Es stellt auf seinem Fachgebiet, medizinhi6torisch gesehen
, auch insofern einen Markstein dar, als es, um einer optimalen
Hilfe am ganzen Menschen willen, einem radikalen Naturalismus
entsagt, und das unter gleichzeitiger Einbeziehung
aller Möglichkeiten, die eine theologische Schau vom leidenden
Menschen dem Wissen des Arztes und seinem Wirken eröffnet. I

So gesehen wird auch der christliche Seelsorger aus der Lektüre
dieses Buches Gewinn ziehen und in steigendem Maße im Arzt
einen Bundesgenossen sehen dürfen, der mit ihm auf dem Wege
ist, zum Besten der Geisteskranken auch das Problem Sünde und
Krankheit einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen.

Berlin Horst Fi ch tn e r

B o v e t, Theodor: Psychotherapie und Seelsorge.
Die Zeichen der Zeit 11, 1957 S. 343—347.

Fankhauser, Alfred: Ergebnisse der Psychologie in evangelischer
Sicht. Vortrag vor dem evangelischen Schulverein und der theologischen
Arbeitsgemeinschaft des Kantons Bern. Zollikon/Zürich.
Evang. Verlag [1957]. 32 S. 8° «= Theologische Studien, hrsg. von
K- Barth u. M. Geiger, H. 50. DM 2.50.

Hahn, Wilhelm: Zur komplexen Psychologie C.G.Jungs.
Verkündigung und Forschung 1957 S. 101—108.

Hammes, E.: Psychotherapie heute.

Trierer Theologische Zeitschrift 66, 1957 S. 163—168.

Herzog-Dürck, Johanna: Begegnung mit der Angst.
Eckart 26, 1957 S. 114—122.

Hof meier, K.: Die Pubertät und ihre Krisen.
Wege zum Menschen 9, 1957 S. 321—328.

Kietzig, Ottfried: Grundlegung, Ergebnisse und Aufgaben der empirischen
Religionspsychologie. Entwickelt in Auseinandersetzung mit
Werner Gruehn: „Die Frömmigkeit der Gegenwart".
Zeitschrift für systematische Theologie 24, 1955 S. 356—378.

M e 1 z e r, Friso: Vom Schauen und von der Muße.
Deutsches Pfarrerblatt 57, 1957 S. 395—396.

Sa Im an, D. H.: Bulletin de Psychologie.

Revue des Sciences philosophiques et thiologiques XLI, 1957 S. 684
bis 750.

Z e 11 e r, Käthe: Seelisch Kranke mitten unter uns.
Die Zeichen der Zeit 11, 1957 S. 422—428.

KIRCHENRECHT

Maurer, Wilhelm: Pfandrecht und Bekenntnis. Über die bekenntnismäßige
Grundlage eines Pfarrerrechtes in der evangelisch - lutherischen
Kirche. Berlin: Luth. Verlagshaus 1957. 194 S. 8°. DM 14.80.

M.s Schrift ist aus einem Gutachten erwachsen, das die bekenntnismäßige
Begründung eines Pfarrergesetzes der VELKD
zum Gegenstand hatte, hat also eine systematische und praktische
Abzweckung. Aber man spürt überall auch den versierten
Historiker; denn M. geht in sehr lehrreicher Weise, wenn auch
nur in begrenztem Maße, auf die Geschichte des Problems und
auf die gegenwärtige Literatur ein. Nach einer kurzen Einleitung
behandelt das erste Kapitel (9-65) den „Rechtsgehalt der lutherischen
Bekenntnisschriften auf Grund der Geschichte ihrer Erforschung
im letzten Jahrhundert". Es schließt mit der Feststellung
, daß die „Erkenntnis, daß das evangelische Pfarrerrecht
einen tragenden Grundpfeiler evangelischen Kirchenrechts bildet
", „während dieses ganzen Zeitabschnittes in dauerndem
Wachstum begriffen" ist; allerdings sei die Frage, ob und wie
dieses Pfarrerrecht aus dem lutherischen Bekenntnis begründet
ist, noch weithin offen geblieben (65).

Hier ßetzt nun das zweite Kapitel (66—192) ein und antwortet
mit sieben ausführlich begründeten Thesen, von denen
die vierte für M.s Position die wichtigste ist: „Die früh und beständig
geübte Auseinanderstzung der lutherischen Reformation
mit dem Decretum Gratiani macht höchstwahrscheinlich, daß da«
lutherische Bekenntnis seinen Begriff des göttlichen Rechtes in
direktem Gegensatz zu Gratian gebildet hat (gegen eine Verquickung
mit dem antiken aristotelisch-stoischen Naturrecht;
gegen den direkten Recht6gehalt buchstäblich verstandener
Schriftstellen). — Das göttliche Recht ist Gottes schöpferisches
Mandatswort, das sich mit 6einem Anspruch, seinem Auftrag und
seiner Vollmacht durchsetzen will innerhalb des natürlichen
Gemeinschaftslebens der Menschen und innerhalb der Kirche.
Und in der Kirche ist es insofern Glauben weckendes Verheißungswort
, also ganz von der lutherischen Rechtfertigungslehre
aus zu verstehn" (84). M. berührt sich hier mit J. Heckeis