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Ausgabe:

1958

Spalte:

222-224

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Tillich, Paul

Titel/Untertitel:

Biblische Religion und die Frage nach dem Sein 1958

Rezensent:

Schmidt, Erik

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222

Steffen, Uwe: Ernst Barlach. Zum Erscheinen der Gesamtausgabe
seines dichterischen Werkes.

Monatschrift für Pastoraltheologie 46, 1957 S. 483—491.
Thomas, Johann: Edzard Schaper, der Dichter des Herrenwortes
Joh. 8,32: „Die Wahrheit wird euch frei machen."
Trierer Theologische Zeitschrift 66, 1957 S. 346—351.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Moltmann-Wendel, Elisabeth: Theologie und Kirche bei Hermann
Friedrich Kohlbrüggc. München: Kaiser 19 57. 64 S. gr. 8° =

Beiträge zur evangelischen Theologie. Theologische Abhandlungen,
hrsg. v. E.Wolf. Bd. 25. Kart. DM 4.80.

Die aus einer Göttinger Dissertation hervorgegangene Arbeit
sucht K.s theologische Grundgedanken aus seiner Umwelt
und geistlichen Lebensgeschichte zu fixieren und zu erläutern. Dadurch
entsteht ein Bild des Wuppertaler Theologen, das geeignet
ist, Ablehnung und Zustimmung, die K. gefunden hat, kräftig
zu korrigieren und am Rande auch manchen Zug zu dem eigentümlichen
Nachleben K.s in Anhängerkreisen beizubringen.
K.s Eigentümlichkeit wird in einer Fassung der Rechtfertigung
gesehen, die den reformatorischen Ansatz kritisch übersteigert;
die Heiligung bringt keine neue Qualität am alten Menschen
zum Vorschein, sie verkündet „eine neue Qualifizierung in der
Vereinigung mit Christus" (21). Jede Werkheiligkeit, auch die
aus einer falsch interpretierten Dankbarkeit hergeleitete Erneuerung
des Lebens (dritter Teil des Heidelberger Katechismus!)
verfällt dem Verdikt, daß damit die Einheit von Gottes Barmherzigkeit
und Gericht in der gleichen Einheit von Christi Person
und Werk nicht ernst-, nicht angenommen ist. Vielleicht bedürfte
es nicht nur des allgemeinen Hinweises auf mystische Tendenzen
bei K., sondern auch der Nachfrage nach einem Zusammenhang
mit der Lehre von den vijf nieten, um noch deutlicher
die theologiegeschichtliche Verklammerung mit niederländischen
Formen christologisch bestimmter Existenzmystik (Schortinghuis)
anzumerken.

Frau Moltmann meint überhaupt, daß wir K. auf sehr „moderne
" Tendenzen ansprechen dürfen: er verdrängt die Geschichtlichkeit
des Christusgeschehens durch eine existentiale
Interpretation des Heilsgeschehens (S. 16). Die mystisch-existen-
tialen Aussagekategorien „verlieren nicht nur jeden ontologi-
schen Sinn, sondern auch jede ontologische Begründung". K.
theologisiert nicht im Stile Calvins, eher schon in starker Annäherung
an den jungen Luther. Der Zeitpunkt meiner Bekehrung
fällt mit dem Ereignis auf Golgatha zusammen, die paulini-
schen Imperative ermöglichen durch ihre Aoristform eine perfektische
Übersetzung: Gott habe uns ganz und gar geheiligt, habt
eure Glieder getötet. Das ist nach Moltmann nicht nur philologischer
Biblizismus, sondern „hat ihre Wurzel in der Ungeschicht-
lichkeit seiner Theologie" (23). Man wird aber trotz der richtigen
Beobachtung nicht übersehen dürfen, daß K. die Schrift
durchaus auch als Aussage über Seinswirklichkeiten liest. Er interpretiert
nicht historisch im Sinne der kritisch-historischen Methode
; aber man wird nicht sagen können, daß sich ihm die
biblische Seinswirklichkeit sozusagen in Wortwirklichkeit hinein
auflöst. Hat Fr. W. Krug, Zur Steuer der Wahrheit, eine Berichtigung
früherer Urteile über Herrn Pastor Dr. Theol. Kohlbrügge
und seine Lehre, 18 56, S. 8 nicht recht gesehen, wenn er von
einer „Vereinigung der Subjektivität mit seiner (des Wortes) Ob-
jectivität in Glauben und mit ihm verbundener Wissenschaft"
als einem Charakteristikum der theologischen Methode K.s
spricht? Und den „Sinn für Exegese und Geschichte" hat K. selbst
dem „Geschmack für Gelehrsamkeit" und dem „Gefühl für den
geschichtlichen Protestantismus" zugrunde gelegt wissen wollen;
auf die Mittel gesehen, ist die „Reformation bloß durch Exegese
und Geschichte vorbereitet worden und zustande gekommen".
(J. Langen, Briefe von ... K. ... an J. Wichelhaus, S. 45.)

Ausgezeichnet sind die Beobachtungen der Verfasserin zu
dem Problem „Politik und Reich Gottes" bei K. Seine Abhängigkeit
von Bilderdijk, das Auftauchen von Zügen aus dem
kontrarevolutionären Programm des Reveil, sein Drängen auf

das Bleiben unter dem Gesetz der Staatlichkeit als dem Gesetz
Gottes, die Unterstreichung der Bedeutung, die die Häuser Ora-
nien und Hohenzollern für den Gang der Reformation haben,
die dogmatische Auswertung des Reichsgedankens für die reformerischen
Ideen, all das spielt bei K. eine Rolle: die mit Gott
versöhnte Welt „hat unter der Königsherrschaft Christi eine
neue Gestalt bekommen" (41). Zusammen mit der eigentümlichen
Gestalt der theologia crucis, der lijdelijkheid, wirkt der
Gedanke auf eine politische Passivität hin, die dem duldenden
Untertanengeist täuschend ähnlich sieht. Dabei blieb K. der Gedanke
einer mit dem Staat verbundenen Kirche durchaus vertraut
, trotzdem ihm in Elberfeld nur der Dienst an einer separierten
Gemeinde ermöglicht wurde. Es will mir nun von der
Frühgeschichte dieser Gemeinde her nicht völlig einleuchten, daß
das Urteil über K. ganz zu Recht bestehe, wonach er die Rechtfertigung
und Heiligung heillos ineinander gewirrt habe und
überall, wo etwa Calvin deutlich zwei Worte sage, um den Christen
zu benennen, nur ein Wort mehr gesagt habe. Barths Kritik
an K. (KD IV, 2, 651 ff.), in der er K. mit Calvin zusammenfaßt
, ja, Calvin überbieten häßt, zielt gerade auf das Überwiegen
der Töne, die die mortificatio unterstreichen, auf die Tendenz
zu einem Pharisäertum des Zöllners, das auf den in der Welt
vom Christen zu gehenden Wegen nur zu leicht zu einer Prahlerei
mit dem Sündersein des Menschen führt. Vielleicht darf man
doch unterstreichen, was K. an da Costa auf dessen Kritik der
berühmten Predigt über Römer 7, 14 schrieb:

Dat de heiligmaking na te jagen de wille Gods is, en wij geroepen
zijn tot heiligmaking, zie ik in de Schrift. Dat tot deze heiligheid aan-
gemaand wordt, vooral waar van de hoererij de reden is, zoodat men
het (sc. de heiligheid) bijna met kuischheid zoude kunnen verklaren,
leert des Heeren Woord insgelijks. „Ook gij zult heilig zijn want Ik
ben heilig," maar dat de heiligmaking als een bijzonder stuk na de
leere der gerechtigheid van Christus en der genade, welke heerscht ten
leven, gedreven moet worden, zie ik niet in de Schrift. Ik meen: als
een van de prediking der gerechtigheid onderscheidene zaak." (Brief-
wisseling S. 39).

Rechtfertigung und Heiligung sind eins in dem einen Wort,
das Christus ist. Man kann keine Heiligung des Versöhnten predigen
und deshalb keine Ethik treiben, die die Rechtfertigung des
Sünders und die Lehre vom Gesetz als ein erstes und dann dahinten
zu lassendes Wort verstehen will. „De leer der goede
werken, daar de heiliging onder begrepen is, is iets anders (sc.
ein anderes Wort als die Rechtfertigung), en dat is Bijbelsch."
Aber auch im Stück der Dankbarkeit muß „het ambt, dat de
verzoening preekt, gedurig weder den boventoon" haben, (ebd.)
Auch die. Heiligung lebt aus dem Evangelium.

War wirklich die politische Entscheidung für die nationalsozialistische
Revolution bei einigen Kohlbrüggeschülern die
„treffendste Konsequenz" aus der „radikalisierten Rechtfertigungslehre
" K.s? (60)

Erlangen JanWeerda

T i 11 i c h, Paul: Biblische Religion und die Frage nach dem Sein. Stuttgart
: Evang. Verlagswerk [1956]. 80 S. 8°. DM 4.20.

— Liebe, Macht, Gerechtigkeit. Tübingen: Mohr 1955. VIII, 134 S.<
kl. 8°. Pp. DM 6.80.

— Das Neue Sein. Religiöse Reden. 2. Folge. Stuttgart: Evang. Verlagswerk
[1957]. 160 S. 8°. Kart. DM 8.50.

Drei kleine Büchlein von geringem Umfang, aber von kon-
zentriertestem Gehalt! P. Tillich gehört ohne Zweifel zu den
bedeutendsten Denkern des Welt-Protestantismus. Welche Probleme
er auch immer anschneidet — theologische, philosophische,
soziologische, psychologische, politische —, er hat uns immer
Gereiftes, Tiefe6 und Gründliches zu sagen. So ist auch das, was
er uns in den genannten drei Büchlein bietet, die reife Frucht
eines langen Denkerlebens. Was in seinen großen Werken systematisch
entfaltet wird, das wird hier an Einzelproblemen exemplifiziert
bzw. in religiösen Reden bezeugt.

I. In der ersten Schrift geht es um die Beziehung der biblischen
Religion zur Philosophie, bzw. zur Ontologie. Nach T.s
Überzeugung bilden beide trotz aller Spannungen eine Einheit
und sind voneinander abhängig (11). Jedes biblische Symbol führt
unvermeidlich zu einer ontologischen Frage, jede theologische