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Ausgabe:

1958 Nr. 3

Spalte:

210-211

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Lochet, Louis

Titel/Untertitel:

Muttergottes-Erscheinungen 1958

Rezensent:

Delius, Walter

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209 Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 3 210

betont, die erste zusammenhängende Monographie in deutscher
Sprache über Rauschenbusch (1861—1918) dar. Dieser, ein Amerikaner
deutscher Abstammung, war seit 1886 Pfarrer einer kleinen
deutschen Baptistengemeinde in New York. In dieser Stellung
erlebte er den oftmals aussichtslos erscheinenden Existenzkampf
, das unverschuldete Leiden und die aus der Not geborenen
Verbrechen des in dieser Stadt verlorenen Einzelnen, er beerdigte
Kinder, die Hungers gestorben waren, er hörte Männer
um Arbeit betteln und Mütter in ohnmächtigem Zorn weinen.
Im Jahre 1891 ging R. für einige Zeit nach Europa, um die sozialen
Probleme der Alten Welt zu studieren. In der Hl. Schrift
entdeckte er jetzt das Social Gospel, und als er 1902 Professor
für Kirchengeschichte an der baptistischen Divinity School in
Rochester im Staate New York geworden war, entdeckte er auch
die Kontinuität des sozialen Anliegens in der Geschichte der
Kirche. „Das Christentum", sagte er, „begann als eine geschichtliche
Bewegung mit aller ... Kraft einer großen revolutionären
Bewegung mit dem Ziel, die Welt wie sie ist zu verwandeln in
die Welt wie sie sein soll." Die hierbei hinderliche Erbsünde der
Unterdrückung und Ausbeutung werde vornehmlich durch soziale
Kanäle vererbt und müsse, wenn man das Reich Gottes verwirklichen
wolle, durch eine „Christianisierung der Sozialordnung"
überwunden werden. Da nun der persönliche Glaube des Einzelnen
sein geistliches Leben zum Erblühen bringe und als Weg
zum sozialen Verhalten höchsten Wert besitze, bestehe der
größte Beitrag, den einer zur sozialen Bewegung machen könne,
in dem Beitrag einer wiedergeborenen Persönlichkeit. Die Gesellschaft
wird zur Erlösungsgemeinschaft, zur Gemeinschaft der
Erlösten, zur erlösten Gemeinschaft: „Das Reich Gottes ist ein
Kollektivbegriff, der das gesamte soziale Leben der Menschen
einbezieht. ... Es stellt nicht die Frage, wie der Einzelne in den
Himmel komme, sondern wie das Leben auf Erden dem Himmel
ähnlich werden könne", sagt Rauschenbusch. Für diese soziale
Erlösung ist ihm die Pfingstgeschichte wichtig, weil hier der
Hl. Geist zum Gemeinbesitz einer Gruppe geworden ist: „Was
früher zu einem gewissen Grade das Privileg aristokratischer
Seelen (etwa der Propheten) gewesen war, war nun Besitz des
Volkes . . . die mystische Erfahrung war sozialisiert worden."
Die Christianisierung der Welt, besonders der Welt als Wirtschaft
hat Rauschenbusch in einer „Umdichtung" von 1. Korinther
13 geschildert. — Die Arbeit schließt mit einer knapp und
allgemein gehaltenen Erörterung der Frage, aus welcher Tradition
Rauschenbusch zu verstehen sei, bei deren Lektüre man erkennt,
wie dringend notwendig die Erforschung der amerikanischen
Kirchengeschichte für uns ist.

MUnster/Westf. Peter Ka wer au

KONFESSIONSKUNDE

Stakemeier, Eduard: Konfessionskunde heute im Ansdiluß an die
..Symbolik" Johann Adam Möhlers. Paderborn: Verlag Bonifacius-
Druckerei [1957]. 87 S. gr. 8° = Konfessionskundliche Schriften des
Johann-Adam-Möhler-Instituts Nr. 1. DM 4.90.

Die ersten drei Kapitel des Buches sind eine erweiterte
Wiedergabe eines am 19. 1. 57 bei der Eröffnung des Johann-
Adam-Möhler-Institutes in Paderborn gehaltenen Vortrags „Wesen
und Aufgaben der Konfessionskunde heute, dargestellt im
Anschluß an die Prinzipien der Möhlerschen Symbolik". Dabei
werden vor allem die von Josef Rupert Geiselmann erstmalig
veröffentlichten Abschnitte aus Möhlers handschriftlichem Original
der Symbolik mit Gewinn herangezogen. Möhler sieht in
der Reformation eine Revolution, die einer echten, inneren Reform
zuvorgekommen ist. Nach den Zeiten der Polemik im
16-'l7. Jahrhundert und der Irenik im 18. Jahrhundert will die
Symbolik Möhlers als Synthese von Polemik und Irenik verstanden
sein. Möhler wendet sich gegen die Hegeische Dialektik, die
den konfessionellen Gegensatz relativiert. Der Katholizismus ist
zwar die Synthese aller Gegensätze; aber eben darum kann nicht
von einer „höheren Einheit" zwischen ihm und dem Protestantismus
geredet werden. Möhler nimmt mit Recht seinen Ausgangspunkt
für die kritische Auseinandersetzung in den evangelischen
Bekenntnisschriften; man muß aber auch die weitere Entwicklung
im Protestantismus berücksichtigen. Die heutige Konfessionskunde
kann auf eine stoffliche Erweiterung gegenüber
der „Symbolik" nicht verzichten. Dazu gehört vor allem die
Einbeziehung der Ostkirche, auf die Möhler nicht einging. Im
Anschluß an die Arbeiten von Ludolf Müller stellt Stakemeier
die formale und materiale Kritik des Protestantismus, sowie die
des neueren Protestantismus (Liberalismus, dialektische Theologie
) durch die Orthodoxie dar (4. Kap). Im 5. Kapitel wendet
sich Stakemeier der Entwicklung des Protestantismus in der Gegenwart
zu, durch die neue Voraussetzungen für die Kontroverstheologie
geschaffen seien. Es seien Änderungen in der Rechtfertigungslehre
(Abkehr von der rein forensischen Auffassung),
in der Ekklesiologie (Verständnis für die Sichtbarkeit der Kirche)
und in der Christologie (Rückwendung zum alten Dogma) festzustellen
, allgemein eine Abkehr von Liberalismus, Skeptizismus
und Relativismus. Diese Wendung wird von Stakemeier als ein
hoffnungsvolles Zeichen für die Wiedervereinigung begrüßt, in
deren Dienst die heutige Konfessionskunde zu stellen ist. Ein
„Anhang" bringt eine teilweise etwas willkürliche Auswahl aus
der Geschichte des Protestantismus seit der Zeit Möhlers. Als
formaler Mangel der Veröffentlichung erscheint das Schwanken
zwischen einer Darstellung Möhlers und der Entwicklung eines
selbständigen Programms für die heutige Konfessionskunde. Inhaltlich
kann der Standpunkt des Verfassers nicht überraschen.
Daß in der Auseinandersetzung mit der einschlägigen protestantischen
Literatur meine Darstellung des modernen Katholizismus
überhaupt nicht erscheint, kann als symptomatisch betrachtet
werden.

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Lochet, Louis: Muttergottes-Erscheinungen. Ihr Sinn und ihre Be- /
deutung im Leben der Kirche und unserer Zeit. Freiburg: Herder /
[1957]. 141 S. kl. 8°. Lw. DM 6.80.

Eines der Kennzeichen des sogenannten „Marianischen Zeitalters
" sind die Marienerscheinungen vor allem in den romanischen
Ländern. Linter den zahlreichen Erscheinungen sind die
von La Salette (1846), Lourdes (1858) und Fatima (1917) kirchlich
anerkannt worden. Mit den Pilgerzügen zu den Erscheinungsorten
hat die Marienfrömmigkeit eine neue Note bekommen.
Im Mittelalter gingen die Pilgerzüge ins Heilige Land, nach Rom,
nach S. Compostela oder zu berühmten Reliquien. Die Tatsache
der Erscheinungen hat wohl in das Leben der katholischen Kirche
Eingang gefunden, nicht aber in ihre Lehre. Sie sind weder in
die Theologie noch auch in die Mariologie einbezogen worden,
weil sie nicht zum Leben der Maria nach der Heiligen Schrift
und zu den von der Mariologie aufgestellten Prinzipien gehören
. Die Erscheinungen und ihre Wunder 6ind nicht Glaubensgut
der Offenbarung und können daher auch nicht definiert werden
. Andererseits hat sich die katholische Kirche durch ihr Urteil
und ihre Haltung gegenüber den Erscheinungen gebunden.
Es gibt eine Fülle von Literatur über die Erscheinungsorte der
Maria, aber es fehlen Bücher, welche das Verständnis für den
tieferen Sinn der Erscheinungen nahe zu bringen versuchen.
Einen solchen Versuch macht der französische Abbe Louis Lochet,
welcher durch seine Mitarbeit an führenden katholischen Zeitschriften
bekannt geworden ist.

Der Verfasser versteht die „Erscheinungen" in ihrer ganzen
Weite: die Offenbarungen der Maria durch Visionen oder
Worte, ihre Botschaft, die Wunder, die Bekehrungen, den Kult,
die Pilgerzüge und das Eingehen der Erscheinungen in die Liturgie
. Lochet sieht die Erscheinungen in ihren Beziehungen zum
gesamten Heilsplan Gottes. Er macht dabei deutlich, daß die
Kirche, weil sie dem Teufel und dem Menschen mißtraut, sich
allen Erscheinungen zunächst abwartend gegenüber verhält. Er
weist ferner darauf hin, daß sich gegenüber den Erscheinungen
ein Mangel an theologischer Überlegung und eine Armut des
künstlerischen Ausdruckes geltend macht. Andererseits sieht er
in den Erscheinungen die Realität des Evangeliums. Gott wirkt
in der Geschichte, und sein Wirken fordert eine Antwort des
Menschen. Der Verfasser meint, daß man die Wunder von Lourdes
und Fatima und die Atmosphäre der großen Pilgerzüge nicht
verstehen könne, „ohne sie in der Verlängerung und sozusagen
in der Ausstrahlung der Wunder des Evangeliums zu sehen". Er