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Ausgabe:

1958 Nr. 3

Spalte:

205-207

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Vereinigung der Seele mit Gott 1958

Rezensent:

Lau, Franz

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 3

206

KIRCHENGESCHICHTE: BEFORMATION
UND GEGENREFORMATION

Franz, Günther, u. Eckhart G. Franz: Urkundliche Quellen zur
hessischen Reformationsgeschichte. III. Bd. 1547—1567, Bearb. nach
W.Köhler, W. Sohm, Th. Sippell u. F. W. Schaefer. Marburg: Elwert
in Komm. 1955. IX, 480 S. 4° -- Veröffentl, d. Histor. Kommission
für Hessen und Waldeck 11,3. DM 26.—; geb. DM 30.—.

Die Aktenpublikation zur hessischen Reformationsgeschichte
(vgl. ThLZ 1956, Sp. 653 ff.) ist durch die tatkräftige Arbeit von
G. Franz und seinem Sohn in kurzer Frist zum Abschluß gebracht
worden. Erklärlicherweise ist die ganze Regierungszeit des Landgrafen
Philipp einbezogen worden. Der Zeitlage entsprechend
verändert sich die Thematik vom 2. zum 3. Bande nicht unbeträchtlich
. An die Stelle des selbständigen Politikers ist der
Gefangene Karls V. getreten. Die vom Interim ausgelösten Fragen
und Schwierigkeiten beanspruchen daher den breitesten
Raum. Die ganze 1. Hälfte des 3. Bandes ist der Durchführung
des Interim in Hessen gewidmet. Dabei sticht die Nachgiebigkeit
des Landgrafen Philipp von der Haltung der meisten hessischen
Pfarrer stark ab. Für die Beurteilung seiner persönlichen Einstellung
werden die Akten aus seinen letzten Lebensjahren auch
nicht unwesentlich sein. Die 2. Hälfte dieses Bandes befaßt sich
mit dem Aufbau des hessischen Kirchenwesens und mit speziellen
kirchlichen und kirchenrechtlichen Fragen. Die großen Zeitprobleme
, selbst das Trienter Konzil, die Religionsgespräche und die
theologischen Streitfragen, treten in erstaunlicher Weise zurück.
Immerhin erhalten einige Einzelfragen eine bezeichnende Beleuchtung
, z. B. die Deutung der CA auf dem Naumburger Fürstentag.

Die vorliegende Publikation trägt soviel neues Material zusammen
und vermittelt soviel neue Gesichtspunkte, daß der
Wunsch nicht unterdrückt weiden kann, Rommels bekanntes
Werk nach 130 Jahren durch eine neue Darstellung bald ersetzt
zu sehen. Da in diesem Zeitalter die hessische Landeskirche ihre
eigentliche Gestalt annimmt, das Synodalwesen seine festen Formen
gewinnt und die konfessionelle Ausprägung ihr Profil erhält,
so erscheint es nicht minder wünschenswert, daß die seit Hassen-
kamp und Heppe dringende Aufgabe nunmehr aufgegriffen wird,
die Geschichte der hessischen Kirche mit ihrem reichen inneren
Leben und den eigenständigen Ausprägungen ihres Wesens endlich
voll zur Darstellung zu bringen.

Daß dieser Publikation der Briefwechsel Adam Kraffts eingearbeitet
werden konnte, zumal er sich inhaltlich mit den übrigen
Akten aufs engste berührt, ist fraglos ein Gewinn. Dem abschließenden
Bande ist außer den Registern auch ein Verzeichnis
der veröffentlichten Briefe des Landgrafen Philipp beigefügt. Der
Wert dieses Verzeichnisses braucht nicht besonders unterstrichen
zu werden. Daß die Quellenstücke an vielen Stellen gekürzt werden
mußten, ergibt sich von selbst. In dieser Beziehung muß der
Herausgeber oft radikal sein. Um so geschlossener wirkt das
Ganze. Alles in allem, eine höchst dankenswerte Arbeit. In die
latein. Texte haben 6ich leider einige sinnstörende Druckfehler
eingeschlichen (S. 3, 185 f., 351), sonst wird der Benutzer den
Herausgebern uneingeschränkten Dank zollen.

Milnster/Weslf. R. Stupperich

/

Marie-Eugene vom Kinde Jesu, P.: Ich will Gott schauen.

Die geistliche Lehre der Hl. Theresia von Avila, des Hl. Johannes vom
Kreuz, der Hl. Theresia vom Kinde Jesu. IL Vereinigung der Seele
mit Gott. Basel: Thomas Morus Verlag 1954. XV, 562 S. 8°.

Die heilige Theresia von Avila hat im Jahre 1577 innerhalb
von 6 Monaten ihr bekanntestes Werk „Die Seelenburg" niedergeschrieben
. In diesem Buche wird die Seele einerseits als eine
wunderschöne Kugel aus hellstem Kristall oder lauterem Diamant
, andererseits als eine Burg mit 7 Wohnungen beschrieben, die
nacheinander bezogen werden. Wenn man das vorliegende Buch,
das ein II. Band eines mehrbändigen Werkes ist, in die Hand
nimmt, hat es zunächst den Anschein, als ob der Verfasser den
geistlichen Weg, den die heilige Theresia von Avila geführt worden
ist, ihr nachwandern und ihn ausführlich beschreiben wolle.
Dabei war der I. Band den ersten drei Wohnungen gewidmet, die

jene Phase des geistlichen Lebens darstellen, die gekennzeichnet
ist durch die überwiegende Tätigkeit der Tugenden mit ihren
menschlichen Auswirkungsformen (vgl. 277), während mit der
vierten Wohnung das eigentliche mystische Leben beginnt, das
nicht nur den Eingriff durch die Gaben fordert, sondern das Vorherrschen
dieses Eingriffes gegenüber der Tätigkeit der Tugenden
(231). Es müßte dann im nächsten Band oder in den nächsten
Bänden weitergehen bis zur mystischen Verlobung und der
mystischen Vermählung der Seele mit Gott.

Auch wenn man das Buch einmal so nimmt, d. h. nur auf die
Partien blickt, die den geistlichen Weg der Theresia von Avila und
ihre mystische und kontemplative Schau betreffen, ist es für einen
evangelischen Christen nicht leicht und nicht ohne schweren
inneren Widerspruch lesbar. Wendungen wie die vom „Gebet der
Ruhe" oder „der göttlichen Süßigkeiten und Genüsse" (340),
Meinungen wie die, daß das übernatürliche Eingreifen Gottes sich
deutlicher im Geschmack und im süßen Empfinden als in der Erkenntnis
äußern (210), Sätze wie der: „Die Betrachtung ist ein
Vorgang des Erkenntnisvermögens, das ohne Umschweife in einem
einfachen Akt, man möchte fast 6agen intuitiv, in die Wahrheit
eindringt" (193 f.), und vieles andere, was man liest, lösen gewiß
bei jedem evangelischen Menschen eine starke innere Auflehnung
aus. Und die katholische Art, Natur und Gnade, menschliches
Bemühen und göttliches Handeln in Beziehung zueinander
zu setzen, fordert gerade hier bei der Beschreibung des mystischen
Heilsweges einer klassischen Mystikerin unmittelbar den reformatorischen
Protest heraus. Immerhin: Es ist schon ein legitimes
und sinnvolles Unterfangen, die Erfahrungen eines Menschen,
der einen solchen Weg gegangen ist oder geführt worden ist,
wiederzugeben. Und trotz aller Fremdheit, die der Protestant
empfindet, wird er zulezt doch vor einem einfachen Verwerfungsurteil
zurückschrecken. Er wird sich nicht dessen vermessen, mit
überlegener Sicherheit zu erklären, daß solcher angeblicher Weg
zur seligen Vereinigung mit Gott ein Weg ins Verderben oder
in die Verdammnis gewesen sein muß. Daß Gott Menschen auf
den für unsere Begriffe allerwunderlichsten Wegen zu sich zieht,
wird er als Möglichkeit demütig hinnehmen müssen.

Aber freilich: Nur als mit einem echten Erfahrung6zeugnis
wird sich ein evangelischer Christ mit solcher mystischen Theologie
abfinden können. Daß mystische Theologie Erfahrungszeugnis
sein muß, weiß letztlich auch der Verfasser des Buches; denn
er sagt (434): „Die Wissenschaft der göttlichen Liebe ist eben
eine praktische Wissenschaft, bei der die Erfahrung die maßgebende
Rolle spielt." Was das vorliegende Buch aber nun wirklich
schwer genießbar und seine Lektüre fast unerträglich macht, ist
dies, daß eben nicht die Erfahrung der heiligen Theresia von Avila
schlicht beschrieben wird, sondern in die Seelenburg hinein die
mystische Theologie einer Menge anderer Mystiker mit eingezeichnet
wird, nicht nur die de6 heiligen Johannes vom Kreuz oder
die der heiligen Theresia von Lisieux. Sinnvoll ist natürlich der
echte Vergleich etwa zwischen Theresia von Avila und Johannes
vom Kreuz. Wo deutliche Unterschiede zwischen den beiden Mystikern
aufgezeigt werden (vgl. 350 ff., 362 u.a.), wird es interessant
, und es wird dann, anschaulich, was der heilige Johannes
vom Kreuz sagt (431), nämlich, daß es kaum zwei Seelen gibt,
die sich halbweg6 gleichen, ja, und das muß man hinzufügen, kaum
zwei mystische Theologien, die sich auch nur ungefähr miteinander
decken. Aber das ist in dem Buch nur ein Ausnahmefall, daß die
verschiedenen Wege zweier Mystiker einmal gegeneinander abgesetzt
werden. Im allgemeinen kompiliert der Verfasser eine
ganze Reihe mystischer Theologien, und eT legt letzten Endes
eine eigene mystische Theologie vor, die nicht Erfahrungszeugnis,
sondern aus Zeugnissen recht verschiedener Art zusammengedacht
ist. Dann ist aber doch wohl die Stelle erreicht, wo der evangelische
Christ und Theologe nur Nein sagen und nicht mehr mitgehen
kann. Er kann das Gebotene auch nicht hinnehmen als Zeugnis
von einem Weg, den Gott nun einmal geführt hat, wobei
offenbleiben darf, was echte Erfahrung und was Erzeugnis geistlicher
Phantasie gewesen ist, sondern er muß sich sträuben gegen
eine Konstruktion, die die gebotene Ehrfurcht vor aller geistlichen
Erfahrung nicht mehr für sich in Anspruch nehmen kann.

Die scharfe Kritik, die damit an dem Buche geübt ist, bedeutet
natürlich nicht, daß in Einzeldingen nicht mancherlei Wert-