Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1957 Nr. 2

Spalte:

146

Kategorie:

Psychologie, Religionspsychologie

Titel/Untertitel:

Angst und Schuld in theologischer und psychotherapeutischer Sicht 1957

Rezensent:

Fichtner, Horst

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

145 Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 2 146

schweren Problemen geredet, vor die uns die politische Situation
im zweigeteilten Deutschland, der praktische Materialismus im
Westen und der theoretische Materialismus im Osten stellt, ganz
besonders im Religionsunterricht. Das ist aber doch die Wirklichkeit
, aus der wir durch Gott unsere erzieherische Verantwortung
empfangen. Woran liegt das? Mir scheint, daran, daß B. den Anstoß
der dialektischen Theologie, den er in seinem Buche von 29 weitergab
, nicht richtig verarbeitet hat. Den Grund, weshalb es damals
zu keiner befriedigenden Lösung kam, habe ich in meiner oben erwähnten
Besprechung darin gesehen, daß der Begriff der Kulturkrise
zu abstrakt und allgemein gefaßt sei. Wirkliche Kulturkrisen
seien geschichtliche Schicksale, durch die Gott selber die Menschen
vor Entscheidungen stelle. Wenn aber Gott selber das tue, so
brauche es der Religionslehrer nicht mehr zu tun. Seine Aufgabe
bestehe dann vielmehr darin, sich selber als Christ im Glauben
und Gewissen zu entscheiden und seinen Schülern in ihren
Entscheidungen die notwendige Hilfe zu geben. Man sollte meinen
, die letzten 25 Jahre hätten die Richtigkeit dieser These genügend
illustriert.

Legt man diese Erfahrungen zugrunde, dann werden die
Grenzen der Schule bzw. einer Pädagogik, die „als verantwortliche
Einwirkung von Erwachsenen auf heranwachsende Menschen
" verstanden wird, sofort deutlich. Wie schön könnte das
Leben in den von B. so genannten „behüteten Räumen" sein,
wenn nicht überall die Politik hineinspielte 1 Aber wie unmöglich
ist es, in einer Gesellschaft wie der heutigen irgendein auf dem
Papier entworfenes Erziehungsprogramm, und nun schon gar das
Bohnesche zu verwirklichen. Das geht auch in Westdeutschland
nicht. Wie sehr ist die Schule Ausdruck der heutigen
Politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Situation, wie
wenig vermag sie an ihrer Struktur zu ändern! Daraus kann
man folgern, daß der Begriff der Pädagogik erweitert werden muß.
Wenn man dies tut, kommen jedoch ganz andere Kategorien ins
Spiel, solche der Politik, der Wirtschaft, der Publizistik, der Kunst,
der Theologie. Als politischer Pädagoge kann man nicht so verfahren
wie ein Lehrer in der Schule und als kirchlicher Verkündiger
des „Wortes Gottes" auch nicht. Weil B. die Grenzen nicht
sieht, in denen die Arbeit der Schule und jede Einwirkung von
Erwachsenen auf heranwachsende Menschen mit betont pädagogischer
Abzweckung steht, deshalb ist sein ganzes Buch durchzogen
von einem Hauch „idealistischer" Unwirklichkeit. Eine Pädagogik,
die den articulus stantis et cadentis ecclesiae, die Lehre von der
Rechtfertigung allein durch den Glauben, nicht nur im Programm,
sondern im Blut hat, beweist ihren Charakter in der Nüchternheit,
mit der sie die Wirklichkeit sieht, in dem Mut, mit der sie ihre
Schäden offenbar macht, und in der Kraft, mit der sie „das andere
stärkt, das sterben will".

Majnz Friedrich Dclek.it

Tournier, Paul, Dr.: Bibel und Medizin. Deutsche Ausgabe von:
Bible et Medecine mit einem Vorwort von Prof. Dr. Richard Siebeck
. Heidelberg. Zürich: Rascher 1953. 375 S. 8°. Lw. DM 16.25.

Mit dem vorliegenden Buch sucht der bekannte Genfer Arzt
ärztliche Kollegen und breite Laienkreise für eine Wendung bzw.
Vertiefung der medizinischen Wissenschaft dahingehend zu gewinnen
, daß diese ihr medizinisches und diakonisches Anliegen
im Lichte einer biblischen Seelsorge verstehen. Zu diesem Zwecke
hat er als Nichttheologe die Schriften des Alten und des Neuen
Testamentes eifrig studiert und aus den Aussagen der biblischen
Gestalten Aussagen für seinen ärztlichen Beruf gewonnen. Selbst
Wanderer zwischen zwei Welten und ausgestattet mit einem geheimen
Kraftreservoir nimmt er als Arzt die Welt des natürlichen
Menschen nicht tragisch und lehrt den Kranken um seiner Per-
sönlichkeitswerdung und Integration willen nicht Werke für eine
bloß fiktive Ewigkeit, sondern nur noch Werke für die Ewigkeit
schlechthin in seinem Leben zu bauen.

Das Buch selbst zerfällt in vier Teile, in die „biblische
Schau" — wobei nicht erwartet werden darf, daß der Nichttheologe
die einzelnen Schriftstellen sachgemäß exegesiert —, in die
Abhandlung über „das Problem der Magie", — deren vorherrschende
Stellung er gerade in der modernen Medizin glaubt feststellen
zu müssen —, in die Darstellung des Problems „Leben,

Tod, Krankheit und Heilung", — wobei es um letzte Sinndeutungen
geht - und in den Abschnitt „Die Wahl", die die bedeutsame
Rolle einer bewußten Entscheidung im Menschenleben darstellt
.

Dem Buch, das wie alle Bücher von Tournier vom Standort
des ganzheitlichen Arzttums geschrieben ist und Bekenntnischarakter
zeigt, ist ein ausführliches Literaturverzeichnis, ein
Bibelstellenregister mit allein 650 (!) Stellen und ein das wesentliche
anzeigendes Personen- und Sachregister beigegeben.

Berlin Horst Fichtner

Bitter, Wilhelm, Dr. med. Dr. phil.: Angst und Schuld in theologischer
und psychotherapeutischer Sicht. Gesammelte Vorträge. Stuttgart
W, Gustav-Siegle-Str. 43: Gemeinschaft „Arzt und Seelsorger"
1953. 170 S. 8°. DM 4.50.

Die Arbeitsgemeinschaft „Arzt und Seelsorger" in Stuttgart
wählte für ihre Arbeitstagung im Jahre 1952 das aktuelle Thema:
„Angst und Schuld." Im Rahmen dieser mehrtägigen Konferenz,
die von Dr. med. Dr. phil. Wilhelm Bitter geleitet wurde und zu
der Med iziner, Theologen und Pädagogen geladen waren, kamen
bedeutende Forscher des In- und Auslandes zu Worte, von den
Medizinern u. a. Prof. Dr. med. Karl Haug, der über Angst- und
Schuldgefühle bei psychiatrischen Erkrankungen referierte, und von
den Theologen u. a. Helmuth Thielicke, der über „Theologische
Dimensionen der Angst" sprach. Eingeleitet wurde die Tagung
durch Prof. Dr. Mario Wandruska, der als Philologe und Linguist
über das Thema sprach: „Was weiß die Sprache von der Angst?"
Geschlossen wurde die Tagung durch einen vom Tagungsleiter
gebotenen Überblick, in dem er mancherlei auch in den Diskussionen
hervorgetretene Gegensätze auszugleichen versuchte und
sich um die Herausstellung wenigstens der wichtigsten Schwerpunkte
der Tagung mühte. Obwohl aufs Ganze gesehen, die Aussagen
der einzelnen Referenten zum Generalthema je nach ihrem
rachlichen Standort, wie gesagt, sehr verschieden waren — beim
Lesen der Referate fällt das stärker auf als beim Hören — und
sie bisweilen sogar noch sehr im Vorfeld wissenschaftlicher For-
f7?Un& standen, halte ich doch derartige Tagungen und die Pu-
blizierung ihrer Verhandlungen im Zuge eines beiderseitigen
Jichkennenlernens und einer gegenseitigen Klärung für außerordentlich
wichtig. Zweifellos ist der Augenblick gekommen, da
sich die Disziplinen Seelsorge und Psychotherapie zusammentun
müssen, um jeweilig auftretende Lebensprobleme — wie Angst
und Schuld — einer befriedigenden und zweckdienlichen Lösung
entgegenzuführen.

B«lin Horst Fichtner

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Pe'l. Rudolf, Prof. Dr.: Katedietik. Praktische Einführung in die katechetische
Glaubensverkündigung. Düsseldorf: Patmos-Verlag [1955],
256 S. 8°. Lw. DM 12.80.

Die neuere katholische Katechetik hat seit dem 18. Jhdt.
e'ne beachtenswerte Geschichte (Frz. Neumayr 1766; Ignaz Schmidt
V76*: Ignaz v. Felbiger 1774; B. H. Overberg 1793; Joh. Mich.
Sailer 1807; Augustin Gruber 1830; J. B. Hirscher 1831; Die Mün-
chener katechetische Methode anfangs des 20. Jhdts.: Anton
Weber, Heinrich Stieglitz; J. Göttler 1922; H. Kautsch 1923
~26- Frz. H. Eggersdorfer 1928; Frz. Weigl 1929; J. Esterhues
'941; J. A. Jungmann 1953; siehe Peil 27—29 und Eggersdorfer,
Jugendbildung 31930 S. 355). Wer aber den heutigen Stand der
katholischen Katechetik kennen lernen will, dem wird Peils meisterhafte
Darstellung hervorragend dienen. Daß dabei Unterschiede
zwischen „Köln" und „München" bestehen, geht aus Peils
Katechetik immer wieder hervor; sie sind aber nur katechetisch-
trennend, nicht katholisch-trennend. Der evangelische Leser erhält
demnach in Peils Buch „den römischen Katholizismus im Religionsunterricht
" vor Augen geführt. Aber zahlreiche Partien
bei Peil könnten auch auf die evangelische Katechetik und Katechese
befruchtend einwirken. So die Abschnitte „Katechet und
Katechumene"; „die Rechtslage des Religionsunterrichts in
Deutschland"; „die Stufen der religiös-sittlichen Bildung"; „die
Aufbauelemente der Katechese als Unterrichtseinheit"; „der Bi-