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Ausgabe:

1957

Spalte:

121-122

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Liber de natura et origine animae. Liber de principiis motus processivi. Quaestiones super de animalibus 1957

Rezensent:

Pannenberg, Wolfhart

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121

122

Albertus Magnus, O. P.: Liber de natura et origine animae.
Primum ad fidem autographi ed. B. ü e y e r. Liber de principiis mo-
tus processivi. Ad fidem autographi ed. B. G e y e r. Quaestiones
super de animalibus. Primum ed. E. Filthaut OP. Münster:
Aschendorff 195 5. XLVIII, 362 S. 4° = Alberti Magni Opera Omnia
Tom. XII, huius editionis numerus currens 3. DM 72.— ; HIdr.
DM 85.50.

Die drei in diesem Bande der Kölner kritischen Gesamtausgabe1
zusammengefaßten Werke Alberts stehen in enger Beziehung
zu seiner wichtigen Schrift De animalibus. (Diese ißt bereits
1916 und 1920 von H. Stadler nach der Kölner Urschrift ediert
worden.) Die beiden von B. Geyer nach dem Kölner Autograph
Alberts herausgegebenen Libelli De natura et origine animae und
De principiis motus processivi erscheinen im Autograph als Teile
des Werkes De animalibus, sind aber später vom Autor selbst zu
gesonderter Veröffentlichung bestimmt worden. Beide sind bis
um 1262/3 entstanden, wie Geyer durch frühere und spätere Verweisungen
Alberts wahrscheinlich machen kann. Bei der Ausgabe
von De natura et origine animae hat Geyer erstmals den Autograph
zugrundegelegt. Doch wurden, weil auch die Separatausgabe
auf Albert selbst zurückgeht (wie aus der Form späterer Bezugnahmen
Alberts auf das Werk ersichtlich ist), die sie bezeugenden
Codices ebenfalls berücksichtigt. Der erste der beiden
Traktate des Buches handelt vom Wesen der einem Körper verbundenen
Seele. Ausgehend von einer allgemeinen Betrachtung
über das Verhältnis der Formen zu den Dingen (ante rem, in re,
post rem) beschreibt Albert die vegetative, die sensitive und die
vernünftige Seele als Formen, deren Reihenfolge die zur vernünftigen
Seele hin immer größere Unabhängigkeit von der Materie
des Körpers, an den die Seele gebunden ist, sichtbar macht. Die
Geistseele ist im Menschen nicht verschieden von der sensitiven
und der vegetativen Seele, sondern ein und dieselbe Substanz
mit jenen. Gegen Averroes und Abubacher verteidigt Albert die
Zugehörigkeit des Intellekts zum einzelnen Menschen und bekämpft
die averroistische Theorie von der Einheit des Intellektes
in allen Menschen. Der zweite Traktat beschäftigt sich mit der
Unsterblichkeit der Seele und ihrem Zustand nach dem Tode.
Albert setzt sich hier nicht nur mit Piaton und Aristoteles, sondern
auch mit Pythagoras, Anaxagoras, Alexander von Aphrodi-
sias und einer großen Zahl arabischer und jüdischer Philosophen
auseinander. — Das Büchlein De principiis motus processivi fußt
auf Aristoteles' Abhandlung über die Bewegung der Tiere, von
der Albert berichtet, daß sie ihm kurz zuvor in .Campania iuxta
Graeciam' bekannt geworden war. Nach Geyer kann man hieraus
weder auf eine Griechenlandreise Alberts schließen, noch ist anzunehmen
, daß die Albert zur Hand gekommene Übersetzung
diejenige Wilhelms von Moerbeke war. Das Büchlein erörtert zunächst
allgemein das Wesen der vom Herzen ausgehenden Bewegung
der Lebewesen. Dann werden speziellere Fragen, wie die
Bewegung des Körpers durch die Seele, sowie unwillkürliche Bewegungen
, behandelt.

Den größten Teil des Bandes nehmen die von Filthaut edierten
und hier erstmalig gedruckten Quaestiones super de animalibus
ein. Es handelt sich um eine Vorlesung Alberts, die 1258 in
Köln gehalten wurde und in der Nachschrift eines sonst unbekannten
Konrad von Ostreich erhalten ist. Diese ist in verschiedenen
Rezensionen überliefert, was die Textgestaltung erheblich
erschwert hat. Da Albert die Nachschrift offenbar nicht autorisiert
hat, ist sie zur Feststellung seiner Lehre ,non nisi valde
caute' zu verwerten, wie Filthaut betont. Dennoch ist die Veröffentlichung
der Quaestionen sehr zu begrüßen; denn sie bilden
eine wertvolle Parallele und Ergänzung des Werkes De animalibus
. Albert bespricht hier vorwiegend anatomische und physiologische
Fragen, meist unter teleologischen Gesichtspunkten. Es
kommen aber auch anthropologische Probleme zur Sprache, oft
besonders interessant durch den naturwissenschaftlichen Zusammenhang
, in dem sie auftreten. Der Entstehung der Seele werden
ausführliche Darlegungen gewidmet. Verstreut finden sich auch
grundsätzliche Erwägungen zur Methodologie der Naturphilosophie
, sowie ein Kapitel über die Fähigkeit unseres Intellektes zur
natürlichen Gotteserkenntni6.

Die editions- und drucktechnische Gestaltung des Bandes
weist die gleichen großen Vorzüge wie die früheren Bände der
Ausgabe auf. Unter ihnen sind wiederum die ausführlichen In-
dices (zu jedem der drei Werke einzeln) besonders hervorzuheben.

p. 157, 9: pro S i e lege Si.

Heidelberg W. Pannenberg

KIRCHEN KUNDE

Baumann, Richard: Fels der Welt. Kirche des Evangeliums und
Papsttums. Tübingen: Katzmann-Verlag 1956. 452 S. 8°. Lw.
DM 22.80.

B., der 25 Jahre lang in einem evangelischen Pfarramt gestanden
hat, dann aber mit 6einer Kirche (Württemberg) wegen
Hinneigung zum römischen Katholizismus in Konflikt geriet, ist
bereits durch mehrere Schriften in gleicher Sache bekannt geworden
. Seine ,.Evangelische Romfahrt" hat inzwischen die 6. Auflage
erlebt. Die hier vorliegende neue Veröffentlichung ist eine
umfassende Werbe- und ReditfertigungsschTift. B. will den Primatsanspruch
des Papstes als zu Recht bestehend erweisen, und
zwar vom Standpunkt des evangelischen Theologen aus: (B. ist
bisher nicht konvertiert). Dadurch bestimmen sich Methode und
Aufbau des Buches.

Ausgehend von den Primatsstellen des Neuen Testaments
wird im ersten Teil in ausführlichen Zitaten der wesentliche Einklang
einer „Reihe namhafter evangelischer Schriftforscher" gezeigt
, ebenso werden im zweiten Teil „die Grundsätze der
(sc. evangelischen) Predigtlehrer" (156) vorgeführt, um durch
Beispiele zu belegen, daß diese in der Predigt über die Primatsstellen
nicht rückhaltlos befolgt worden seien. Im dritten Teil
kommt Luther zu Wort, besonders der Luther der Leipziger Disputation
, dem B. es als eine schwere Inkonsequenz ankreidet,
daß er bereits ein „Unentschieden" (212 ff.) in seinem Kampf gegen
Eck als einen Erfolg für 6ich gebucht habe. (Aber verkennt
B. hier nicht die Situation der Disputierenden? Ecks These war
affirmativ: Der Primat ist göttlichen Rechts, Luthers negativ. Da
ist allerdings ein Unentschieden bereits ein Sieg Luthers, weil es
besagt, daß sich die Affirmation nicht als Dogma erweisen läßt.)
Der vierte Teil ist den Bekennern des Kirchenkampfes gewidmet,
denen (wieder anhand zahlreicher Zitate) nachgewiesen werden
soll, daß die Anerkennung des päpstlichen Primats der letzte und
entscheidende Schritt auf dem Wege ihrer neuen Erkenntnisse
hätte sein müssen. Im fünften Teil schließlich richtet B. einen zusammenfassenden
sehr dringenden Appell an die evangelischen
Theologen und Christen, ihre „Abspaltung vom Fels" (417) als
verderblichen Irrweg zu erkennen. Wissenschaftlich hat B.s Arbeit
den Wert l) eines Symptoms der heutigen romfreundlichen
Geisteslage, 2) einer Materialsammlung. Eine eindringende exegetische
oder dogmengeschichtliche oder systematische Erörterung
fehlt. B.s These steht von vornherein fest; die zahlreichen Zitate
bringen sachlich nichts Neues. Dadurch steht der Leser
roanchmal unter dem Eindruck, daß er mehr durch den Hinweis
auf eine Fülle von Autoritäten überredet, als aus der Sache heraus
überzeugt werden soll. Unbequeme Zeugnisse, sofern sie
überhaupt Erwähnung finden, werden sehr schnell abgetan; z.B.
die von Luther in Leipzig angeführten Väterstellen, in denen
Matth. 16 nicht im Sinne des Primats ausgelegt wird. Diese Väter
und „ihre zum Teil nicht bis ins letzte durchdachte Exegese
der Primatsstelle von des Petrus Bekenntnis und Schlüssel" (212)
werden im Blick auf ihre im übrigen romtreue Haltung entschuldigt
. Aber Luther war eben nicht romtreu, darum kann er nicht
entschuldigt werden, wenn er Matth. 16 falsch exegesiert! Petitio
Principii?

Es ist hier nicht möglich, in eine Auseinandersetzung einzutreten
. Sie könnte sich auch nicht darauf beschränken, einzelnes
richtigzustellen und die unter einem bestimmten Gesichtspunkt
einseitig ausgesuchten Zitate nach der andern Seite hin zu ergänzen
, sondern müßte vor allem die Frage nach dem rechten evangelischen
Verständnis des Glaubens ganz anders in den Mittelpunkt
rücken, als es bei B. geschieht.

') Vgl. ThLZ 1956, Sp. 109.

Halle/Saale

E. Schott