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Ausgabe:

1957 Nr. 2

Spalte:

108-109

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Noth, Martin

Titel/Untertitel:

Geschichte Israels 1957

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 2

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denkmälern von Ras Samra, die mehr mythischen Charakters sind,
und ist geneigt, in der Ehe von Krt mit der Tochter des Königs
Pbl eine Reminiszenz an die Symbiose des semitischen und churri-
tischen Elements in Nordsyrien zu sehen, die für die Zeit um
1400 v. Chr. auch in den administrativen Texten aus Ugarit belegt
ist. Dabei aber behauptet Gray, daß auch dieser Text, ähnlich
wie die Mythen, eine rituelle Verwendung hatte, und zwar
wahrscheinlich bei den Hochzeiten der Könige. Damit sollten die
in ihm beschriebenen Riten — wie z. B. die der Isolation und der
„Aggregation", Handlungen, die der König für die Erhaltung der
Fruchtbarkeit unternahm, — erhalten werden, die für das Leben
der Gesellschaft eine unentbehrliche Grundlage bildeten. So ist
die von Gray im Untertitel verwendete Charakteristik „social
myth" zu verstehen.

Der Text ist in Transliteration mit Übersetzung gegeben
(S. 7—25), und mit einem ausführlichen Kommentar zu einzelnen
Worten und Stellen versehen (S. 26—59). Bibliographie (S. 60—63)
und Indices (S. 64—66) sind beigegeben. Der Text ist nicht nach
den Zeilen des Originals, sondern in Versen abgedruckt, neben
denen gleich die englische Übersetzung steht. Diese übersichtliche
Anordnung ist sehr nützlich, es ist aber schade, daß der
Kommentar nicht unter die betreffenden Textstellen eingereiht
wurde, sondern daß seine Auskünfte auf den weiteren Seiten
mühsam gesucht werden müssen, da die betreffenden Tafeln und
Kolumnen nur sehr unauffällig bezeichnet sind.

Gray gibt die Grundsätze, nach denen er seinen Text hergestellt
hat, nicht an. Durch die Bezeichnung des Textes nach
Gordons Ugaritic Handbook könnte der Eindruck entstehen, daß
er nach dieser Standardausgabe abgedruckt wurde. Dies ist aber
nicht der Fall; denn Gray hat hie und da auch andere Lesarten
aufgenommen, die er meistens im Kommentar begründet.

Einen Schritt rückwärts bedeutet es, daß Gray nicht die
Transliterationsgrundsätze Gordons befolgt hat. So schreibt er
für die drei Aleph-haltigen Vokale 'a, 'e (statt des phonologisch
richtigeren i), 'u; diese Art der Bezeichnung ist nicht nur im Vergleiche
mit der Gordons (a, i, u) und Eißfeldts (a,i, u) umständlicher
, sondern auch insofern nicht richtig, da diese Zeichen nicht
nur die Folge Aleph-Vokal, sondern auch die umgekehrte Vokal-
Aleph, oder auch das Aleph ohne Vokal bezeichnen. Dagegen hat
leider Gray die provisorische und irreführende Transliteration s
beibehalten, die Gordon durch das phonetisch bestimmtere z und
im „Ugaritic Manual" (1955) durch das etymologisch besser entsprechende
d ersetzt hat.

Gray hat alle gänzlich erhaltenen Zeilen in seiner Übersetzung
wiedergegeben, ohne die Unsicherheiten durch Kursivdruck
kenntlich gemacht zu haben, wie es üblich ist. Zur Bestimmung
der Wortbedeutung hat er sich in den meisten Fällen der unerschöpflichen
Reichtümer bedient, die das arabische Lexikon in
oft verleitender Fülle bietet.

Seine Auffassung hat Gray in seinem Aufsatz „Arabic affini-
ties in the dialect of Ras Shamra" (hebräisch mit englischem Resümee
, Melilah, Vol. V, Manchester 1955, S. 1-14,1) begründet.
(Vgl. aber auch das von Gray nicht berücksichtigte Buch von
I. al-Yasin „The Lexical Relation between Ugaritic and Arabic",
New York 1952, und dazu Archiv Orientälni 22, 1954, 486-488).

Dabei hat Gray auch solche Gleichungen vorgenommen, die
nach den bekannten Lautentsprechungen nur schwer zu halten
sind, z. B. st (Krt 111) arab. saa-, shrt — besserd (h)rt (Krt 36;
vgl. jetzt Gordon, Ugaritic Manual, § 20. 533) — arab. sihratun;
smkt (125:31—34) —arab. dmk. Es ist auch fraglich, ob der Name
von Kerets Frau hiy mit dem Namen der Churriten verbunden
werden kann (ad Krt : 143), wenn dieses Volk in den uga-
ritischen alphabetischen Texten immer mit h geschrieben wird:
hry (2:21; Gordon, UM § 20. 741a). Da abeT in den churitischen
Texten, die in der ugaritischen alphabetischen Keilschrift geschrieben
sind, der Buchstabe h überhaupt nicht vorkommt (vgl. E. A.
Speiser, Introduction to Hurrian, AASOR 20, 1941, S. 45), muß
die Frage gestellt werden, ob diese Prinzessin wirklich churriti-
scher Herkunft war. Das Anführen des syrischen Heiligentitels
mar zur Bekräftigung der an sich richtigen Interpretation des ugaritischen
Verbums mir als „segnen" (128:11:16; S. 45) ist zumindest
weitliegend, da das syrische Wort von der Wurzel mr'
stammt.

Bei einer solchen Unsicherheit in der Worterklärung — mit
der alle Ugaritologen kämpfen müssen — ist freilich der Sinn der
einzelnen Abschnitte des Gedichtes auf verschiedene Weisen deutbar
; dies wird durch die Mehrdeutigkeit von einigen Partikeln
und Endungen noch erheblich gesteigert.

Gleich der Anfang des Gedichtes (Krt 7—25) bietet dafür
geeignete Beispiele: in Z. 12 interpretiert Gray nach Ginsbergs
Vorgang das 1- als affirmative Partikel und übersetzt: „His le-
gitimate wife did he find"; dagegen sieht Gordon hier eine Negation
: „His rightful wife he could not get". Der Sinn des Abschnittes
ist im allgemeinen klar; hier werden die Verluste geschildert
, die den König Keret um alle seine Kinder gebracht haben
, so daß er dann in tiefe Trauer gestürzt wurde. Diesem Sinne
entsprechend wird das Wort rs in den Z. 10 und 22 von Ginsberg
als „ruiniert" interpretiert, von Gordon — anscheinend mit
Heranziehung des hebräischen rüs — als „verarmt"; Gray dagegen
stützt sich auf das arabische räsa und ist der Meinung, daß
Keret, bzw. seine Nachkommenschaft zugenommen habe. Auch in
der Erklärung der Zahlen in Z. 16—20 differiert Gray, der hier
die Angabe des Alters der Söhne Kerets findet, von Ginsberg und
Gordon, die hier Bruchzahlen finden, wogegen Cassuto sie als
Ordinalzahlen aufgefaßt hatte, die die sieben Weiber Kerets bezeichnen
. Die Divergenz der Interpretationen in den weiteren
Abschnitten ist meist nicht so groß, dennoch geben die angeführten
Beispiele eine Vorstellung von den Schwierigkeiten, mit denen
die Bearbeiter der ugaritischen Texte sich auseinandersetzen
müssen.

Da Gray in seinem Kommentar oft auch die Meinungen seiner
Vorgänger zitiert und diskutiert, ist sein Buch zur Einführung
in das Studium des ugaritischen Textes sehr gut geeignet; es ist
aber angezeigt, dabei womöglich noch andere Übersetzungen und
Erklärungen fortlaufend zu vergleichen. Die Etymologien und
Stelleninterpretationen Grays sind oft geistreich, aber sie bedürfen
— wie die angeführten Beispiele zeigen — oft sorgfältiger
Überprüfung. Gray hat die Forschung durch Kritik der bisherigen
Interpretationen und durch eigene Beiträge gefördert, noch mehr
aber durch die geschickte Heranziehung der alten und neuen Er-
• scheinungen auf dem Gebiete der Ethnologie, vgl. z. B. die Erwähnung
der Separationsriten nach A. van Gennep anläßlich des
Weinens Kerets (ad Krt 26; S. 29), oder den Hinweis auf die von
Hilda Granquist wahrgenommene Bezeichnung der heranreifenden
Mädchen im heutigen arabischen Palästina als „das Holz hauend
und das Wasser schöpfend" zur Erklärung von Krt: 111 und auch
von 1 Aqht: 50—53 (S. 38). Die allgemeinen Schlüsse Grays
sind sehr bemerkenswert, z. B. die Herleitung der Handlung des
Gedichtes aus dem XVIII. Jhdt. v. Chr. (ad Krt: 128, S. 41) oder
die Ansicht, daß der König erst nach seinem Tode vergöttlicht
wurde (S. 49). Gray bringt mit seiner Auffassung dieses wichtigen
Textes als „sozialen Mythus" einen fruchtbaren Gedanken
für die weitere Forschung.

Pr»ha Stanislav Segert

Noth, Martin: Geschichte Israels. 2., verb. Aufl. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht 1954. 435 S., 1 Kte. gr. 8°. Lw. DM 16.80.

Die zweite Auflage von Noths „Geschichte Israels", deren
erste Auflage ThLZ 76, 1951, Sp. 335—340 eingehend gewürdigt
worden ist, unterscheidet sich äußerlich von dieser dadurch, daß
sie nicht mehr in gotischer, sondern in Antiqua-Schrift gedruckt
ist. Weiter ist zu dem „Register der Namen und Sachen" jetzt
erfreulicherweise noch ein 12 S. umfassendes Bibelstellenregister
hinzugekommen. Im übrigen ist Aufbau und Anlage des Buches
dieselbe geblieben, nur daß zu den 34 Paragraphen der Erstauflage
ein weiterer, als § 31 gezählter und „Das innere Leben Israels
in der Zeit des Hellenismus" überschriebener hinzugefügt
worden ist, der unter anderem darlegt, wieviel die Textfunde «
von Qumrän zu vertiefter Erkenntnis des inneren Lebens Israels
in den letzten beiden vor- und dem ersten Jahrhundert n. Chr.
beitragen. Wie hier neue Funde und Erkenntnisse in die Darstellung
eingearbeitet worden sind, so ist es auch sonst geschehen,
etwa S. 92 (Lade in Gilgal), S. 327 f. (Lage der „Akra"), S. 345 f.