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Ausgabe:

1957 Nr. 1

Spalte:

69-71

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Strobel, August

Titel/Untertitel:

Schriftverständnis und Obrigkeitsdenken in der älteren Kirche 1957

Rezensent:

Strobel, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 1

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tung, nicht Endzweck. Und, wie gesagt, sie gibt in der Tat Rätsel
auf, die verschiedene Lösungen zulassen.

Augsburg Leonhard Fendt t

Bartsch i, Alfred: Die öffentliche Abbitte oder Deprecation.
Zwingliana X, 1955 S. 256—258.

Bronkhorst, C: Recht en weield.

Tijdschrift voor Philosophie 17, 1955 S. 591—622.

Elsener, Ferdinand: Zur Geschichte des Majoritätsprinzips (Pars
maior und Pars sanior), insbesondere nach schweizerischen Quellen.
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 73, Kanonistische
Abt. XLII, 1956 S. 73—116.

Feine, Hans Erich: Vom Fortleben des römischen Rechts in der
Kirche.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 73, Kanonistische
Abt. XLII, 1956 S. 1—24.
Heckel, Johannes: Das Decretum Gratiani und das deutsche evangelische
Kirchenrecht.

Studia Gratiana III, 1955 S. 485—537.

Heckel, Martin: Staat und Kirche nach den Lehren der evangelischen
Juristen Deutschlands in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 73, Kanonistische
Abt. XLII, 1956 S. 117—247.

Hofmeister, Philipp: Die kanonischen und nichtkanonischen Wahlen
.

Zeitschrift für katholische Theologie 77, 1955 S. 432—471.
H o 11 z, Gottfried: Pastoratgerichte.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock 5, 1955/56
S. 143—149.

Lee u wen, A. van: Dupliek.

Bijdragen. Tijdschrift voor Philosophie en Theologie 17, 1956 S. 85
bis 88.

Löscher, Hermann: Kerzenheller, Wochen- oder Büchsenpfennig der
erzgebirgischen Knappschaften.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 73, Kanonistische
Abt. XLII, 1956 S. 392—397.

Mayer-Mal y, Theo: Impedimentum criminis und römisches Recht.
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 73, Kanonistische
Abt. XLII, 1956 S. 382—388.

Merzbacher, Friedrich: Das Somnium viridarii von 1376 als Spiegel
des gallikanischen Staatskirchenrechts.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 73, Kanonistische
Abt. XLII, 1956 S. 55—72.

N o 11 a r p, Hermann: Beiträge zum Stiftungsrecht.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 73, Kanonistische
Abt. XLII, 1956 S. 324—381.

Schott, Erdmann: Kirchliche Gesetzgebungsgewalt im Urteil Luthers.
Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-
Wittenberg. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 4, 1954
S. 141—146.

Sinogowitz, Bernhard: Vom Recht und den Rechtsbüchern der
Byzantiner.

Das Altertum 2, 1956 S. 38—47.
Wolfsgruber, Karl: Die Wahlkapitulationen der Fürstbischof von
Brixen (1613—1791).

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 73, Kanonistische
Abt. XLII, 1956 S. 248—323.

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

Strobel, Friedrich August: Schriftverständnis und Obrigkeitsdenken
in der ältesten Kirche (Eine auslegungs- und problemgeschichtlichc
Studie zum Verhältnis von Kirche und Staat, vor allem bis zur Zeit
Konstantins des Großen). Diss. Erlangen 1956. Teil I (Text) 247 S.
Teil II (Anm.) 129 S.

Die Literatur zum Thema Alte Kirche und Staat ist ungewöhnlich
umfangreich. Entsprechend vielfältig sind die Auffassungen. Doch lassen
sich, womit die Arbeit in einem einleitenden Abschnitt über „Problematik
und Aufgabe" einsetzt, im Grunde zwei einander gegenüberstehende
Richtungen erkennen. Einmal seit E. Lohmeyer, H. Weinel und neuerdings
den Vertretern der Engelobrigkeits-Hypothese die Betonung des
apokalyptischen Aspekts zur Kennzeichnung der frühchristlichen Haltung,
zum andern die vor allem mit dem Namen A. v. Harnacks verbundene
Ansicht, daß die älteste Gemeinde nach einer „positiven Politik"
strebte. Wird dort das Obrigkeitsdenken überwiegend von Apoc. 13
her charakterisiert, so hier von Röm. 13. Schon E. Troeltsch, J. Hashagen
und zuletzt vor allem W. Eiert haben sich zu diesem „eigentumlichen
Doppelproblem", das seinen Ursprung bereits im NT selbst hat,
geäußert Die Diastase von paulinischem und johanneischem Obrigkeitsdenken
für die ersten Jahrhunderte weiterzuverfolgen, ist der eigentliche
Inhalt des problemgeschichtlichen Anliegens der Dissertation^ Um
auf einer möglichst eindeutigen und gleichwertigen Grundlage aufbauen
zu können, wird ein möglichst umfangreiches auslegungsgeschichtlicnes
Material erfaßt (zu Röm. 13, lff.; 1. Petr. 2. 13 ff.; 1. Tim. 2, 1 f.;
Tit. 3,1; Mt. 22, 21 u. 17, 24 ff.; Act. 5, 29; Mt. 6, 24; Phil 3,20;
Apoc. 13 und 17 u.a.). Mit der — soweit möglich — eingehaltenen,
strengen Aufeinanderbeziehung von S c h r i f t v e r s t ä n d n i s und
Obrigkeitsdenken wird bewußt ein eigener Weg zur Darstellung
und Erfassung des umstrittenen Sachverhalts beschritten.

Dabei ergibt sich, daß die älteste Kirche im Unterschied zu modernen
Bestrebungen weder Röm. 13 und Apoc. 13 gegenseitig ausspielt
noch über beide, gegensätzliche Möglichkeiten theoretisiert hat. Apoc. 13
erweist sich im Denken der frühen Kirche als Ausnahmehaltung, wie
überhaupt der apokalyptische Schriftbezug augenfällig als Regulativ zurücktritt
. Röm. 13 wird dagegen verhältnismäßig oft zitiert. Trotz des
grundsätzlichen loyalen Bemühens ist man aber nicht etwa „staatsfromm
". Das Schriftzeugnis zur Einschärfung des Christusbekenntnisses
'st seinem letzten Ernst nach nie Diskussionsgegenstand gewesen. Es
ist zu bedenken, ob Röm. 13 in Verbindung mit dem Grundsatz des
..leidenden Gehorsams" nicht gerade eine Tiefe und Größe der Kritik
am Staate impliziert, welche der christlichen Gemeinde besser zu Gesicht
steht als die radikale Drohung eines auf Anonymität bedachten
Apokalyptikers.

Der auslegungsgeschichtliche Ertrag steht darüberhinaus der Annahme
einer sog. Engelmächte-Obrigkeit entgegen. Wo immer die Verbindung
von Obrigkeit und transzendenter Macht vollzogen wird (z. B.
Gnosis u. Celsus), ist die christliohe Theologie auffallend zurückhaltend

und hält an dem Literalsinn der umstrittenen Aussagen fest (Tertullian
im Falle von Mt. 10, 17 ff.; Irenäus und Origenes für Röm. 13, 1).

Was das Gegenüber von Röm. 13 und Apoc. 13 anlangt, beide
Zeugnisse als jeweils typisch für eine bestimmte Haltung genommen,
so hat es im Denken der vorkonstantinischen Kirche in einem geschichtlichen
Nacheinander klaren Ausdruck gefunden. Kann man für die beiden
ersten Jahrhunderte im Grunde von einem Primat der paulinischen
Aussagen sprechen (Abschn. II), als dessen Ausläufer Irenäus und mit
Einschränkung Hippolyt anzusehen sind (Abschn. IV), so für das 3. Jahrhundert
von einem Vorherrschen des staatskritischen und polemischen
Aspekts. Letzterer ist auch in der aufs Ganze gesehen apolitisch-stoisdi
bestimmten Ethik Klemens' von Alex, gegeben und im „kirchenpolitischen
" Denken des Origenes klar ausgeprägt (Abschn. III). Noch deutlicher
ist dies in der abendländisch-lateinischen Exegese des 3. Jahrhunderts
der Fall (Abschn. V). Die apokalyptische Unterströmung tritt hier
offen zu Tage.

Bei Tertullian werden beispielsweise die ganz einseitig verstandenen
Schriftworte Mt. 22, 21, Mt. 6, 24 oder Phil. 3, 20 schlechthin
zum obersten Prinzip des Obrigkeitsdenkens. Überhaupt kann festgestellt
werden, daß von berufener theologischer Seite aus viel mehr auf
apokalyptische Bilder zurückgegriffen wird. Zum Verständnis dieser
Entwicklung muß wohl in erster Linie an die anhaltende und sich dauernd
verschärfende Lage der Kirche im Imperium gedacht werden (Aufkommen
der Massenverfolgungen). Cyprian und die Reihe der späteren Lateiner
(Viktorin, Laktanz, Commodian) schreiten auf der Linie Tertul-
lians fort. Röm. 13 par. und Mt. 22,21 kommt bei ihnen nicht mehr oder
nur noch in sehr bezeichnender Ausprägung vor. 2. Thess. 2. 6 f., von
Hippolyt zum Teil noch positiv auf den römischen Staat gedeutet, wird
am Ausgang des Jhdts. ganz von der Idee des Antichristen (= qui tenet)
bestimmt. Für die Ausschaltung der paulinischen Kategorien im Osten
spricht, abgesehen von Origenes, auch der Schriftbezug der späten Märtyrerakten
, der offen oder dem Sinne nach eine entschiedene, radikale
Anwendung von Act. 5,29 zum Ausdruck bringt. Schließlich unterstreicht
die allgemeine starke Verwendung von Mt. 10, 18 ff. die eingebrochene
tiefe Kluft. Die Gemeinde fühlt sich als geisterfüllte Kämpferin gegen
die antichristliche Tyrannis des Imperiums. Mit dem Ausbau der Stellung
als „Staat im Staate" (Origenes, Cyprian) geht die Einengung der
neutestamentlichen Gehorsamsparänese auf den episkopal-kirchlichen
Bereich Hand in Hand (vgl. bes. Didaskalia).

Von der apokalyptischen Stimmung um die Wende und zu Beginn
des 4. Jhdt.s profitiert Konstantin. Die kirchliche Theologie (s bes.
Euseb) sieht in ihm schlechthin den „Christusgleichen" und stattet ihn
mit den Zügen des „Christus victor" im Sinne der Apoc. aus. Der anfängliche
Optimismus weicht aber bald bei besonnenem Geistern einer
folgenreichen Ernüchterung. Wiederum beginnen Auseinandersetzungen
zwischen Kirche und Staat, die gleichfalls einen bezeichnenden Niederschlag
im Schriftverständnis gefunden haben (Abschn. VI). Staatskirche