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Ausgabe:

1957

Spalte:

913-914

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Masson, Charles

Titel/Untertitel:

Les deux épitres de Saint Paul aux Thessaloniciens 1957

Rezensent:

Foerster, Werner

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 12 gj4

Masson, Charles, Prof.: Le» deux epitres de Saint Paul aux Thessa-
loniciens. Paris,Neuchätel: Delachaux & Niestie [1957], 121 S. 4°
= Commentaire du Nouveau Testament XIa. sfr. 8.50.

Von den CNT sind bisher erschienen Band VII, l.Kor.
(ThLZ 1950, 343 ff.), Band IX, Gal, Eph. und XII, Hebr. (ThLZ
1955, 424 ff.) sowie Band X, Phil, und Kol. Die Thessalonicher-
briefe bilden den ersten Teil des XI. Bandes, dessen zweiter Teil
(Past. und Phlm.) für Frühjahr 1960 vorgesehen ist, zunächst
sind Apg. und Rö. zu erwarten.

In einer Anmerkung (S. 105) hat Masson, wohl für das
ganze Kommentarwerk gültig, gesagt, 6ein Kommentar sei bestimmt
für die Kirche und ihre Diener. Damit stellt sich der CNT
neben das deutsche NTD. Wie dieses hat es, außer der Übersetzung
und der laufenden Auslegung eine Reihe von Exkursen:
einen zu I 2, 19 übernaQovaia, einen Exkurs I (I) zu I 4, 15—17
(das „Herrenwort" eine Offenbarung an Paulus), einen Exkurs II
über die Bedeutung von I 4, 13—18 für die Kirche heute, einen
Exkurs zu y.aifyov hzw.y.mexwv II 2, 6 f. (wer oder was damit
gemeint ist, läßt M. offen; entscheidend sei, was der Verf. damit
sagen wollte, nämlich, daß es noch Zeit sei, daß die Struktur dieser
vergänglichen Welt noch fest sei) und einen über den Antichrist
und die Bedeutung von II 2, 1—12 für die Kirche (man muß
die Anschauung von der Offenbarung des Bösen „rapprocher de
la prodigieuse puissance que la science et la technique conferent
ä l'homme, et qui est de nature, en effet, ä lui faire croire qu'il
ne depend que de lui-meme et qu'il est ä lui-meme son propre
dieu" 106). Vom NTD unterscheidet sich dieser Kommentar
durch die größere Aufmerksamkeit, mit der der Sinn des griechischen
Textes in Besprechung verschiedener Möglichkeiten des
Verständnisses fortlaufend herausgestellt wird und durch die
zahlreichen Anmerkungen, in denen meist sprachliche (alles Griechische
ist auch übersetzt) und textkritische Bemerkungen, Hinweise
auf neuere Literatur u. ä. geboten werden. Für die sprachlichen
und grammatischen Dinge werden im allgemeinen nur das
Wörterbuch W. Bauers und die Grammatik von Blaß/Debrunner
sowie das ThWB genannt, dagegen kein antikes Quellenmaterial
selbst geboten, geschweige denn diskutiert. Ebensowenig ist im
allgemeinen in eine ausführliche Auseinandersetzung mit den
Kommentaren eingetreten; dem Leser wird nur mitgeteilt, wie
sich Bornemann, Wohlenberg, von Dobschütz, Lueken, Dibelius,
Schlatter, Oepke, Frame und Neil in strittigen Fällen jeweils entschieden
haben; Masson gibt dann in knapper Formulierung die
Gründe für seine eigene Ansicht an, wenn er nicht auf eine Entscheidung
verzichtet (z. B. II 2, 13 zwischen änaQzvv un<^

Dem Ganzen ist eine neun Seiten lange Einleitung vorangeschickt
über die Entstehung der Thessalonichergemeinde, über
Anlaß, Ziel, Inhalt und Echtheit des ersten, über Inhalt und Un-
echtheit des zweiten Briefes. Die verschiedenen Hypothesen, die
gewisse Schwierigkeiten in der herkömmlichen Ordnung der beiden
Briefe bei Annahme ihrer Echtheit beheben wollen, werden
aufgezählt und abgelehnt. Neben der oft beobachteten Verschiedenheit
des Tones im zweiten im Verhältnis zum ersten
Brief ist es auch für M. der Abschnitt II 2, 1—12, der wegen seiner
Unvereinbarkeit mit I 5, 1 ff. zur Unechtheitserklärung des
zweiten Briefes führt.

Allerdings scheint mir die rhetorische Frage, wie es möglich sein
solle, der Offenbarung des Gottlosen in II 2 einen Platz in den 1 4, 13 —
5,11; l.Kor. 15, 20—28 und Rö. 13, 11 ff. angedeuteten eschatologischen
Gedanken des Paulus anzuweisen, nicht sehr glücklich und keineswegs
überzeugend. Die Diskrepanz zwischen den eschatologischen Abschnitten
beider Briefe wird m. E. durch die Vermutung von M., Paulus
nehme I 5, 1 ff. auf eine schriftliche Anfrage der Thessalonicher Bezug,
eher geringer als größer. M. hat sich der Aufgabe nicht entzogen, bei
der Annahme der Unechtheit von II die Entstehung des Pseudepigra-
phons zu erklären: ein Schüler des Paulus aus dem Ende des 1. Jhdt.s.
n. Chr. habe, beunruhigt durch den Gebrauch, der von gewissen Kreisen
von den eschatologischen Aussagen des Paulus gemacht wurde, dem
Brief mit dem unmittelbarsten eschatologischen Ausblick, eben l.Thess.,
einen zweiten zur Seite gestellt, der „Paulus" erläutern läßt, warum
der Tag des Herrn noch nicht da sei. Es bleibt dann aber die kaum zu
überwindende Schwierigkeit, daß mit keinem Wort auf die eschatologischen
Aussagen des 1. Briefes ausdrücklich Bezug genommen wird.

An wichtigeren Einzelheiten seien genannt: der Abschnitt I 2, 1 ff
soll nicht aus irgendeinem apologetischen Motiv heraus geschrieben sein'
sondern aus dem Willen heraus, Gott zu loben wegen der Entstehung
der Gemeinde (S. 32 — anders, nämlich als Apologie, wird der Abschnitt
in der Einleitung S. 8 verstanden!) — Mit Few (JbL 1952, 257ff )
schließt M. aus der Wendung Ttegi de I 4,9.13; 5,1 auf einen Brief
der Thessalonicher an Paulus (vgl. l.Kor. 7,1 usw.) — I 4,17 wird
von einem Kommen Christi auf diese Erde, also von einem Zwischenreich
, verstanden, mit Recht. — I 5, 14 f. ist an die Führer der Gemeinde
gerichtet. — In I 5, 23 ist nicht an eine Trichotomie zu denken;
„euer Geist" ist, wie ein Vergleich von Gal. 6,18; Phil. 4,23, Phlm. 25
mit 1. Th. 5, 28 zeigt, = „ihr selbst" und dieser Ausdruck wird in
„Seele und Leib" entfaltet. — II 2, 2 ist hearrjxev von der unmittelbaren
Zukunft zu verstehen, nicht, wie 2. Tim. 2, 18, von der Gegenwart
, wie Lütgert will, den M. leider nicht nennt, was um so bedauerlicher
ist, als neuerdings Schmithals Lütgerts Thesen, wenn auch
unter starker Modifikation, wieder zur Diskussion gestellt hat. — Die
Gedanken von II 2, 3 ff. hat der Verf. „ni d'un mythe, ni de la tra-
dition apocalyptique juive dont il a emprunte le langage, mais bien
de la conscience qu'il a en Christ, ä la lumiere de l'Esprit, du carac-
tere absolu de la decision de la foi, de la rigueur du choix que l'Evan-
gile impose ä l'homme" (S. 107). Eine Auseinandersetzung mit der
Entmythologisierung fehlt.

Unverständlich ist mir, warum sich M. dafür, daß ein Wort Hapax-
jegomenon oder selten im NT ist, auf Bauers Wörterbuch berufen muß.
Druckfehler sind selten; S. 73, drittletzte Zeile des ersten Absatzes
muß es „v 14 s" statt „v 15 s" heißen. Gewisse Ungleichmäßigkeiten,
die dieser Band mit früheren des CNT teilt, wie z. B. die Zählung der
Exkurse, seien nur eben genannt. Vollständigkeit in Literaturangaben
ist nicht erstrebt.

Im Ganzen muß gesagt werden, daß dieser gut lesbare, klar
und knapp geschriebene Kommentar den Zweck, zu dem er geschrieben
ist (s. oben), hervorragend erfüllt.

Münster/Westf. W. Foerster I)

w

"otne, fitienne: Le „Livre des Actes" et I'Histoire. Paris:N.
Presses Universitäres de France 1957. VI, 23 8 S. gr. 8° = fitudes
d'histoire et de philosophie religieuses, publ. sous les auspices de
la Faculte de Theologie protestante de l'Universite de Strasbourg,
45. ffr. 960.—.

Etienne Trocme, Lehrbeauftragter an der Universität Straßburg
, hat in seinem Maurice Goguel gewidmeten Buch die lange
zurückgetretene Frage nach dem Geschichtswert und den Quellen
der Apostelgeschichte (= Apg.) wieder aufgenommen.

In Kap. 1, „Historique et enonce de la question" (S. 1—19) gibt
T. einen kurzen, übersichtlichen Bericht über Entwicklung und Wandlungen
der Actaforschung, mit dem Ergebnis, daß es (l) den Plan des
Verfassers — es ist Lukas der Arzt —, (2) seine Methode und (3)
seine Quellen neu festzustellen gilt.

Kap. 2, „L'etat de conservation du livre des Actes" (S. 20—37)
spricht (a) zunächst von den beiden Textformen der Apg. und rät zu
einer Neubewertung der „westlichen" Varianten. Daß man bisweilen
aber hinter die ganze Textüberlieferung zurückgehen müsse, sucht T.
am Aposteldekret nachzuweisen, das ursprünglich wohl nur zwei Glieder
gehabt und allein von der Speisenfrage gehandelt habe (S. 2 5 f.).
Dann (b) kommt T. auf das Problem einer Überarbeitung des Buches
zu sprechen. Er nimmt (mit Menoud) an, Lk. 24, 50—53 und Apg. 1,
1—5 seien erst hinzugefügt worden, als man das lukanische Werk bei
der Aufnahme in den Kanon auf zwei Bücher verteilte. Diese (dem
Referenten sehr fragliche) These trägt T.s ganze weitere Konstruktion,
(c) Die Vermutung, die Apg. sei unvollendet, lehnt er gegen Goguel
(mit dem er sonst gern zusammengeht) ab.

Kap. 3, „Le dessin de l'auteur" (S. 38—75), nimmt das erste der
drei oben genannten Themen in Angriff. Zunächst (a) mit dem Hinweis
, daß W. L. Knox gegen A. C. Clark die sprachliche Einheit des
ganzen lukanischen Werkes erwiesen hat (S. 30 f.). Dann (b) sucht T.
zu zeigen, daß dieses ganze Werk, von Lk. 1, 1 bis Apg. 28, 31, ein
einziges .Evangelium' ist, in das Paulus ebenso hineingehört wie Jo-
hannes der Täufer, ein Evangelium, das sich seinen Vorläufern an
Exaktheit, Ordnung und theologischer Erfassung der ganzen Heilszeit
überlegen wußte, (c) Die Apologetik der Apg. kann — da dieses Evangelium
nur für die Christen bestimmt ist — sich nicht nach außen
(Rom) richten, sondern nur nach innen: Paulus wird gegen die Angriffe
der judenchristlichen Gemeinde verteidigt, (d) Darum läßt die Apg.
ihn nur sölange von Jerusalem abhängig sein, wie Petrus und die
Zwölf dort regieren (S. 61); allein Paulus setzt das von ihnen begonnene
Werk fort (S. 67). Jakobus wird ebenso wie die möglichen Konkurrenten
des Paulus in den Hintergrund gedrängt; nicht einmal die
Stephanusgruppe ist dem Verfasser ganz sympathisch (S. 69). (e) T.