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Ausgabe:

1957 Nr. 12

Spalte:

901-908

Autor/Hrsg.:

Jeschke, Josef B.

Titel/Untertitel:

Die Applikation in der Predigt 1957

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 12

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ten und Anderen ist auch hier das Kennzeichen der Bekehrung.
Aber es gewinnt noch eine tiefere Bedeutung. Die Bekehrung
besteht in einer Gleichschaltung mit dem Tod Jesu (ov/u/uoq-
(pt£6fievög tö> ftavdno). Paulus „erkennt" seine Gemeinschaft
mit Jesu Leiden. Die Wirklichkeit der Krönung gehorsamen Leidens
und Sterbens am Kreuz mit göttlichem Sein (Phil. 2, 5—9)
ergreift ihn. Sie bestimmt im gleichen Gehorsam des Leidens und
Sterbens sein eignes Dasein. Das Kommen der Herrschaft und
Wirklichkeit Gottes vollzieht sich durch die Preisgabe seiner
selbst in der Todeshingabe um Jesu willen (Rom. 8, 36 und
2. Kor. 4, 11). Diesen Weg bezeichnet Paulus im Gegensatz zu
gesetzlicher Selbstbehauptung (/u) e%u)v ifirjv Öixaioavvrjv ex
vöfiov Phil. 3, 9) als die Trjv ex &eov öixaioavvrjv und Gal.
2, 20. Das Geheimnis des gehorsamen Mitsterbens mit Jesus
enthält die Möglichkeit göttlicher Offenbarung und der Verwirklichung
göttlichen Lebens. Gal. 2, 19—20a; 2. Kor. 1, 5. 6;
2. Kor. 4, 10. 11.

b) Das Erlebnis der Leidensgemeinschaft
mit Christus als schöpferisches Geschehen
. Diese in der Leidensgemeinschaft mit Christus geschenkte
Offenbarung göttlichen Lebens hat die Eigenart schöpferischen
Geschehens im Menschen.

Mit dem Christwerden ist man eine sich in der Gabe neuen
Sehens und Denkens (ovxeii eyvwxajuev xazd adgxa) äußernde
xaivlj xrtoig geworden 2. Kor. 5, 12—16. Als xüivrj xxiaig
weiß sich Paulus der Welt gekreuzigt Gal. 6, 14. 15. Wir sind
Gottes Werk, neu geschaffen in Jesus Christus Eph. 2, 10;
Kol. 3, 10; Eph. 4, 20; Phil. 3, 13. 14.

Daraus geht schon hervor, daß eine neue schöpferische
Kraft den Christgewordenen bewegt: die göttliche övva/uig.

Ihr Wirken richtet sich auf schöpferisches Gestalten.
Durch sie soll Christus „Gestalt" gewinnen in der Gemeinde Gal.
4. 19. Auf Grund von Trübsal, aus der sie entsteht, „schafft" sie
„Herrlichkeit" und gestaltet ein Leben der Herrlichkeit 2. Kor.
4, 17. Der Gleichschaltung mit der Welt „dieses Aions" steht
die „verwandelte" „neue" Welt des „Guten", „Wohlgefälligen"
und „Vollkommenen" gegenüber Rom. 12, 1. 2. Diese den „äußeren
Menschen" verzehrende und den „inneren" aufbauende
Schöpfung erneuert sich täglich, bis sie das Volhr.aß der ööga
erreicht hat etg v.-zegßoXrjv alcbviov ßdgog öögrjg) 2. Kor. 4, 17.

c) Die Neuschöpfung des Menschseins
als „Sein in Christus". Bei Jesus und den Synoptikern
knüpft sich das Geschehen des Reiches Gottes entscheidend an
Jesu Person. Begegnung mit Jesus und Bindung an ihn schafft das
Sterben des Alten.

Paulus führt diese Linie zu Ende. Das, was Jesus fordert,
und was auch geschieht, wenn er die ßaodeia verkündet, lebt
er bei Paulus selbst vor. Er stirbt zur Realisierung und Radikalisierung
der Herrschaft Gottes den Tod am Kreuz Phil. 2, 5—7.
„Umkehr" und Eintritt in das Reich Gottes ist jetzt nur möglich
auf dem Weg des im Glauben angenommenen Sterbens Jesu.
Die Kreuzesnachfolge der Synoptiker vollendet sich in der
Schicksalsgemeinschaft der Leiden Jesu bei Paulus. Im Nachgehen
desselben Weges verwirklicht sich die xvgidrrjg Gottes bzw.
Jesu und das Wunder des neuen Aion: im Sterben und Auferstehen
Jesu. Das ist der Sinn des ev Xgiaxd) elvai Phil. 3,
8.9; 2. Kor. 5, 17. 21; Eph. 2, 16; Eph. 4, 22-24.

d) Das Sein in Christus ein neues Ichsein
: „Christus in mir". Andrerseits wird die Beziehung
von In-Christus-sein als einem Sein in seinem Sterben
und Auferstehen auch umgekehrt: Christus ist in uns; die
Wirklichkeit seines Sterbens und Lebens erfüllt uns. „Christus
in uns" interpretiert Rom. 8, 10 f. als ein „propter peccatum
commissum" bereits erlittenes Sterben sogar des Leibes (odgg~)
und als Gabe pneumatischen Lebens zum Zweck
der öixaioavvrj. „Der Körper besteht jetzt aus einer um der
Sünde willen in der Taufe getöteten Substanz, aber (V. 11) das
nvevfia Christi ist als neues Lebensprinzip eingezogen" (Lietz-
mann z. St.). Gal. 2, 20 entnehmen wir den Sinn der Vertauschung
von ev Xqiotcd und Xgiarog ev. „Mit Christus gekreuzigt
" bedeutet hiernach die neue Tatsache eines: „ich lebe".
Entsprechend dem zugespitzten ovxszi £ya> fällt auch bei £<y
der Ton auf das „ich". Das „ich lebe" ist „nicht mehr" das alte
Ich, sondern Christus. Christus tritt an die Stelle des alten ada-
mitischen Ich. Im Gegensatz zu dem Sterben (Entwerden) des
Ich in der (religionsgeschichtlichen) Mystik führt das Sterben mit
Christus zu einer Potenzierung des Ich-seins. Die Wirklichkeit
dieses Sterbens stellt den Christen vor das Wunder des Ich-seins-
m-Christus. Christus übernimmt die Ichfunktion im Menschen.
Wie das Ich Leib und Seele des Menschen formt, so gestaltet
Christus den neuen Menschen. Er bereitet den Leib zur
Auferstehung 2. Kor. 4, 10—11 und schafft den sich erneuernden
-inneren Menschen" 2. Kor. 4, 16. 17. Maß und Ziel der Gestaltung
ist er selbst: Christus soll „Gestalt gewinnen" im Dasein
des Menschen Gal. 4, 19.

Wie die Botschaft des aravgdg, so versetzt die Taufe den,
der zum Glauben kommt, in die Todes- und Lebensgemeinschaft
mit Christus. Wer sich taufen läßt, wird auf den Tod Jesu getauft
Röm. 6, 3. Sie ist ein Begräbnis in der Gemeinschaft des
Todes Jesu Röm. 6, 4. Man wächst mit der Nachbildung des
Todes Jesu in der Taufe zusammen 6, 5. Die Taufe pflanzt uns
in Jesu Tod. Doch erst das dritte Bild zeigt uns, worin der Todesvorgang
besteht. „Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt"
und der „Sündenleib" so zunichte gemacht Röm. 6, 6. Der Einbruch
der Todesgemeinschaft mit Christus in das Menschsein
löscht es aber nicht aus, sondern verwandelt es in ein neues
Dasein des Verhaltens nsgmaTEiv ev xatvözr]Ti Ccorjg V. 4.
Es bezeugt sich als die Wirklichkeit, der die Zukunft gehört.
Es weiß sich als Auferstehungsleben, das den Tod hinter sich hat
V- 5. Es zeigt sich als schöpferisches Geschehen — ja als die
universale, alles naturhafte Menschsein verwandelnde neue
Schöpfung Gal. 3,26—28; Kol. 3,10.11. Sein entscheidendes
Merkmal ist auch hier die neue Ichbestimmtheit, die es durch
die Todesgemeinschaft mit Christus gewinnt. Es versteht sein
Ichsein nicht mehr als Selbstsein, sondern als Ichgebundenheit
ir» vnaxorj und öovXeia V. 16 - Qätvzag . . . rd) tied) V. 13.

Ihalainen hat seine Untersuchung: Kääntymyskristillisyys,
»Bekehrungschristentum" überschrieben. Er will damit sagen,
daß es einen besonderen Typus von Christentum, eben „Bekehrungschristentum
" gibt. An den neutestamentlichen Befunden
dürfte deutlich geworden sein, daß alles Christsein durch Bekehrung
, d. h. durch das Geschehen von Sterben und Auferstehen
hindurch muß. Was an der Bekehrung vorbeigeht, mag man
..christlich" nennen. Aber kein Christ -Sein ohne Bekehrung.

1) Unter vielen Problemen, welche mit der Predigt zusammenhängen
, stößt der Prediger immer von neuem auf das Problem
der Applikation, der Anwendung dessen, was er dem biblischen
Texte abgelesen und was er aus ihm herausgehört hat.
Widmen wir zuerst unsere Aufmerksamkeit dem Problem, und
fragen wir, worin es besteht.

Vor allem wollen wir betonen, „daß die Predigt keine freie,
sondern eine an ein Buch gebundene Rede ist" (E. Thurneysen,

Die Applikation in der Predigt

Von J. B. J e s c h k e, Podebrady-Prag

Die drei homiletischen Grundregeln, Zwischen den Zeiten 1933,
S. 473 ff.), also eine Rede, die an den Text gebunden ist, welcher
uns das prophetische und das apostolische Zeugnis vermittelt.
Das zu betonen ist vielleicht um so wichtiger, weil erstaunlicherweise
in unseren Tagen z. B. noch eine Ansprache vorgetragen
wurde, die ihrem Äußeren nach wie eine Predigt aussehen wollte,
welche aber zu ihrer Grundlage ein Wort von Paul Gerhardt
hatte.