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1957 Nr. 11

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 11

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ders verhalten. Der Konfuzianismus bot ihm die Möglichkeit,
seine „einzelnen brauchbaren Elemente . . . hinsichtlich des Gottesbegriffes
, der Totenehrung, des Ahnenkultes, der kindlichen
Pietät ungezwungen in das christliche System einzubauen, ohne
daß er allerdings den Versuch gemacht hätte, die gesamte konfuzianische
Philosophie zum Ausdrucksmittel der christlichen
Wahrheiten zu machen" (S. 384). Ricci wollte seine Verkündigung
auf ein „Fundament" stellen, das „in der Seele dieser Menschen
und in der katholischen Lehre zugleich sich fand" (S. 385).
Das ist ihm, nicht ohne mancherlei Schwierigkeiten, geglückt.
Bettray schreibt dazu:

„Dieses Fundament war die Wirklichkeit der Anima naturaliter
christiana. Hatten die Menschen der Urzeit nicht solche Animae naturaliter
christianae besessen? Hatten sich nicht in manchen Völkern
noch Spuren davon erhalten? Gehörten die Chinesen nicht in hervorragender
Weise zu diesen Völkern? Ia, es war so: Die alten Schriftsteller
, die Könige und Kaiser, Yao und Shun, der Herzog von Chou
und Konfuzius waren im Besitze dieser natürlich christlichen Seelen gewesen
. . . Leider hatte man von diesem an sich schon nicht mehr reichen
Erbe manches im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende am Wege
liegenlassen, und zuletzt waren nur mehr sehr dunkle Spuren, fast nur
Schutt und Trümmer und falschverstandene Lehren und Gewohnheiten
übriggeblieben" (S. 3 8 5).

Ricci hat sich keine Mühe und kein Opfer verdrießen lassen
, diese „verschüttete Unterschicht freizulegen" (S. 386). Er
fand den „Nenner" dafür: „Das war der Gottesgedanke, die
überragende Wirklichkeit des einen, persönlichen, allmächtigen
und gütigen Schöpfergottes ... Es mußte das in Spuren vorhandene
Ahnen darum endlich im Christentume seine letzte Vollendung
finden" (ebd.).

Zu diesem Unternehmen gibt Bettray sein uneingeschränktes
Ja. Er bedauert, daß „man in der Folge den großen Geist und
die auf weitgehende und doch so nüchterne Tatsachen aufgebaute
Missionsmethode Riccis nicht mehr zu würdigen gewußt hat", und
fragt, „ob die heutige Situation die Folge und das Ergebnis auch
unseres Versagens ist" (S. 3 86). Die „heutige Situation", das ist

! das debäcle der christlichen Mission in China, in das auch die
! katholische Mission mithineingerissen ist. Bettray meint, eine
! Antwort auf diese Frage könne nur Gott geben. Damit nimmt
i er seiner Frage den Ernst. Die Antwort besteht zunächst darin,
i daß auch die katholische Mission vor dem Angesicht Gottes buß-
; fertig ihr Verhalten in China, auch die Akkommodationsmethode
Riccis, überprüft. Dafür fehlen bei Bettray die Ansätze. Daher
unsere methodischen Bedenken und theologischen Widersprüche,
die uns aber nicht hindern, dem Verf. zu danken, daß er uns
„mit der Schilderung der Akkommodationsmethode Riccis zugleich
einen vollgültigen Einblick in seine gesamte Missionsmethode
" (S. V) gibt und die evangelische Missionswissenschaft
veranlaßt, sich der immer neuen Frage der Akkommodation immer
neu zu stellen — ohne Rücksicht auf Systeme und Erfolge, allein
unter dem Kriterium des Neuen Testamentes.

Tübingen Gerhard R os en k ra n z

G o o d a 11, Norman: WCC and IMC Relationships: Some Under-
lying Issues.

The Ecumenical Review IX, 1957 S. 395—401.
Gramberg, Th. B. W. G.: Die Begegnung der christlichen Kirche

mit dem Buddhismus.

Junge Kirche 18, 1957 S. 497—503.
Jasper, Gerhard: Pastor D. F. v. Bodelschwingh als Verteidiger der

Heiden-Mission in kritischer Zeit.

Deutsches Pfarrerblatt 57, 1957 S. 341—343.
Lehmann, Arno: Die weite Kirche.

Verkündigung und Forschung 1957 S. 22—26.
Peter, J. F.: The Redemptive Mission of the Church.

Scottish Journal of Theology 10, 1957 S. 152—165.
Schimmelpfeng, Hans: Das Missionarische, der Missionar, dit

Mission.

Deutsches Pfarrerblatt 57, 1957 S. 245—248. 271—274.
Trocme, Andre: Um was es in Nordafrika geht.

Junge Kirche 18, 1957 S. 503—505.
Welt und Kirche unter der Herrschaft Christi.

Die Zeichen der Zeit 11, 1957 S. 141—145.

VON PERSONEN
Walter Baumgartner als Gelehrter und Lehrer

Von Johann Jakob Stamm, Bern

Walter Baumgartner wurde am 24. November 1887 in der ost- denen Baumgartner während seines Studiums in Berührung gekommen

ist, haben zwei besonders auf ihn gewirkt, nämlich Jakob Hausheer in
Zürich und Hermann Gunkel in Gießen. Mit ersterem verband ihn die
philologische Solidität und der weite religionsgeschichtliche Blick, und
beim letzterem fand sein Sinn für sprachliche Form und gedankliche
Ordnung die rechte Nahrung. Von Marburg aus alttestamentliche Vorschweizerischen
Industriestadt Winterthur geboren. Aufgewachsen ist er
in Zürich, wohin sein Vater 1 888 als Englischlchrer an der Kantonsschule
berufen worden war. Hier besuchte er die Schulen und bezog 1906
die Universität, um zuerst Geschichte, dann semitische und klassische
Sprachen zu studieren. 1912 bestand er das Doktorexamen in klassischer

Philologie, hebräischer Sprache und Literatur und allgemeiner Religionsgeschichte
. Dem zweiten dieser Fächer gehört die Dissertation an über:
„Kennen Arnos und Hosea eine Heils-Eschatologie?" (1913). Von Zürich
wandte sich der junge Gelehrte nach Marburg, wo er sich mit der
Schrift: „Die Klagegedichte des Jeremia" (1917) den Grad des theologischen
Licentiaten erwarb. Hier begann er 1915 als Lektor für Hebräisch
die akademische Lehrtätigkeit, wurde 1916 Privatdozent, 1920 Extraordinarius
und kam 1928 als Ordinarius nach Gießen, von wo er 1929
nach Basel berufen wurde. Hier ist er geblieben und so heimisch geworden
, daß er 1947 eine Berufung in seine Heimatstadt Zürich als
Nachfolger von Ludwig Koehler ablehnte.

Seine Zeit klug ausnützend hat Baumgartner in gleichbleibender
Arbeitsfreude während der zurückliegenden Jahrzehnte Glied um Glied
wissenschaftlicher Arbeiten1 aneinander gereiht, so daß sie sich heute
zu einer stattlichen Kette zusammenfügen. Der siebzigste Geburtstag

lesungen und Seminarien besuchend, wurde der junge Zürcher von
Gunkel in die Gattungsforschung eingeführt und zum Schüler gewonnen
. Wie er den Weg zu seinem Lehrer gefunden, was er ihm verdankt
und wie er ihm auch menschlich nahe kommen durfte, das alles hat er
in einem schönen Nachruf auf diesen festgehalten (Neue Zürchei
Zeitung 1931).

Die Studien führten Baumgartner durch die Gebiete der Geschichte,
der Sprachwissenschaft und der Religionsgeschichte. So erwarb er sich
eine seltene Fülle von Kenntnissen, die ihn in seinen wissenschaftlichen
Arbeiten verschiedene Felder bebauen ließen. Da ist die alttestamentliche
Wissenschaft, dann die Erforschung des Aramäischen, die Assyrio-
logie und die Religionsgeschichte verbunden mit Sagcnkundc. Wir
haben die Aufgabe, uns sein Wirken auf diesen Gebieten zu vergegenwärtigen
.

Im alttestamentlichen Bereich kommt zuerst die Dissertation über

ist ein willkommener Anlaß, diese Kette einmal aufzunehmen und ihre 1 die Heilseschatologie bei Arnos und Hosea. Das war zur Zeit, da die

Glieder leuchten zu lassen, nicht alle natürlich, aber wenigstens die, in
welchen sich die geistige Persönlichkeit des Jubilars besonders deutlich
ausprägt.

Nach seiner wissenschaftlichen Herkunft ist er Philologe, das ist
er geblieben, und gerade so hat er der Theologie sein Bestes gegeben.
Das hat die „Faculte Libre de Theologie protestante" in Paris anerkannt
, als sie ihn 1954 für seine der Theologie geleistete philologische
Arbeit zum Ehrendoktor ernannt». Von den zahlreichen Gelehrten, mit

*) Eine vollständige Liste der Veröffentlichungen Walter Baumgartners
erscheint aus der Hand von Dr. Benedikt Hartmann in
einem Festband, der die hauptsächlichsten seiner Arbeiten enthalten

wird (1958). i dikt von Stade und Hölscher hat Baumgartner die Echtheit jener Texte

Kritik von Forschern wie Stade und Marti noch überaus lebendig war,
ein umstrittenes Problem. Baumgartner hat es mit der ihm eigenen
Nüchternheit und Sachkunde in Angriff genommen, wobei er zum Ergebnis
gelangte, daß nicht nur Hosea, sondern auch Arnos eine Heilserwartung
gekannt habe. Sorgfältig abwägend glaubt er aus dem Arnos-
Schluß die Verse 11 und 13/14 für den Propheten in Anspruch nehmen
zu dürfen. In der nächsten Veröffentlichung sehen wir ihn bereits im
Bann der Gattungsforschung, indem er es unternimmt, als erster: „Die
literarischen Gattungen in der Weisheit des Jesus Sirach" darzustellen
(ZAW 1914). Schon hier wirkt sich der Einfluß Gunkels aufs glücklichste
aus, wie das ebenso in der Licentiaten-Arbeit über die Klagegedichte
des Jeremia der Fall ist. Gegenüber dem weitgehenden Ver-