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Ausgabe:

1957 Nr. 11

Spalte:

846-847

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Die Systeme des Brahmanismus 1957

Rezensent:

Melzer, Friso

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 11

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an der Universität St. Andrews, H. J. Rose, ins Englische übersetzen
lassen.

Die Artikel, die fast alle neueren Datums sind, erscheinen
in sachlicher Ordnung. Die Reihe wird mit einigen religions-
phänomenologischen Untersuchungen eröffnet: die Herausbildung
des Monotheismus als Reaktion gegen einen früheren Polytheismus
, die Wahrheit des Mythos, die existentiell und funktionell
ist, was an der Hand der Ursprungs- und Schöpfungsmythen dargestellt
wird, wodurch das polynesische höchste Wesen Io und
der Himmelsgott Rangi in den Blickpunkt kommen. Der Aufsatz
über das Sündenbekenntnis im allgemeinen und in der Antike
enthält Randbemerkungen, bzw. die Zusammenfassung eines Teiles
der großen, italienisch geschriebenen Monographie Pettazzo-
nis über dasselbe Thema, die auch ins Französische übersetzt ist.
Dann folgen regionale Studien, die hauptsächlich zum klassischen
Mittelmeergebiet gehören, aber auch die keltische, germanische
und slawische Religion behandeln: Einleitung in das Studium der
griechischen Religion, die Religion des alten Thrakiens, das Rad
im rituellen Symbolismus einiger indo-europäischen Völker, die
römische Göttin Carmenta, der keltische, dreiköpfige Sonnengott
auf Planetenvasen, Tacitus' Bezeichnung des Semnonengottes als
regnator omnium deus, das westslawische Heidentum, Sarapis
und sein Kerberos, der Gott Aion-Chronos in Ägypten und dei
löwenköpfige und schlangenumwundene Zeitgott in der Mithras-
religion. Die Sammlung endet mit einem Vergleich zwischen dei
Religionsentwicklung im fernen Osten und im Abendland, dem
Verhältnis zwischen Staatsreligion und individueller Frömmigkeit
in der Geschichte Italiens von der Antike bis auf unsere Tage
und einer methodologischen Befürwortung der notwendigen Zusammenarbeit
von Religionsgeschichte und Religionsphänomeno-
logie. Ein Sachregister erleichtert den Gebrauch dieser inhaltsreichen
, anregenden und nützlichen Arbeit.

Beim allgemeinen Leser dürften die einleitenden und abschließenden
Aufsätze das größte Interesse beanspruchen. Pettaz-
zoni ist ein konsequenter Gegner der urmonotheistischen Hypothese
Pater W. Schmidts (vgl. jetzt Numen 3, 1956, S. 156 ff.).
Er unterscheidet scharf zwischen den Höchsten Wesen der Naturvölker
und dem Monotheismus der israelitischen, zarathustri-
schen, christlichen und islamischen Religionen und hat auch gegen
die vermeintliche Einheitlichkeit dieser Höchsten Wesen
Einspruch erhoben. Seine in dieser Hinsicht während der Forschung
sich allmählich verändernde Auffassung hat Pettazzoni in der
Vorrede seiner Saggi di storia delle religioni e di mitologia
(Rom 1946) am klarsten dargestellt. Es wäre nützlich gewesen,
wenn er auch diese Selbstdarstellung in die hier vorliegende
Essay-Sammlung eingearbeitet hätte. Es kommt nämlich vor, daß
Hochgott-Theoretiker mit einer streng schematischen Auffassung
des überall — wie man meint — gleichförmigen Charakters des
Höchsten Wesens, das auch nicht vom monotheistischen Gottesglauben
der genannten vier Religionen unterschieden wird, sich
zu Unrecht auf den italienischen Forscher berufen (vgl. auch dessen
The All-Knowing God, London 1956. Rez. ThLZ 1957,
Sp. 99).

Zur Darlegung der Ursprungs- und Schöpfungsvorstellungen
wäre wohl manches hinzuzufügen (vgl. die ausführliche Bibliographie
unter „Skapelse" in Nordisk Teologisk Uppslagsbok III,
Lund 1957). Mit welcher Vorsicht man in Hinsicht auf die poly-
nesisdien Schöpfergötter vorgehen muß, zeigt K. P. Emory,
Tuamotuan Religious Structures and Ceremonies (Bishop Museum
Bulletin 191) Honolulu 1947, S. 57: Der Gott Kio (Kiho) soll
eine freie Erfindung der eingeborenen Gewährsmänner sein, veranlaßt
durch die Frage Stimsons, ob man eine Entsprechung der
Io-Verehrung der Maori auch auf den Tuamotu-Inseln hätte!

Upsala Carl-Martin Eds man

H e 1 c k, W. u. O 11 o. E.: Kleines Wörterbuch der Ägyptologie. Wiesbaden
: Hanassowitz 1956. 418 S. m. Abb. kl. 8°. Lw. DM 18.—.

Der Gedanke, im Taschenbuchformat ein „Kleines Wörterbuch
der Ägyptologie" herauszubringen, war sicher eine gute
verlegerische Idee, und die Wahl von Wolfgang Helck (Hamburg)
und Eberhard Otto (Heidelberg) als Bearbeiter, zu denen Hans
Hidcmann (Kairo) als Verfasser der musikgeschichtlichen Artikel

hinzukam, ein glücklicher Griff. Wie in anderen altorientalisti-
schen Fächern fehlte es in der Ägyptologie an einer übersichtlichen
und gediegenen Darbietung des bisher Erarbeiteten. Diese
Lücke ist nun geschlossen.

Ein Lexikon sollte, wenn es gut gearbeitet ist und als brauchbarer
Wegweiser zur Einführung in bestehende Probleme sowie
als Hilfsmittel zu neuen Untersuchungen dienen will, den Rückblick
auf Erforschtes mit dem Ausblick auf verbliebene Aufgaben
verbinden. Dieses Erfordernis ist in dem vorliegenden Wörterbuch
in hervorragender Weise erfüllt. Unter rund 700 Stichwörtern
werden alle wesentlichen Begriffe zur Geschichte und Kultur
des pharaonischen Ägypten geboten. Durch jeweilige Beifügung
von Literaturangaben wird dem Leser Einarbeitung und
Vertiefung ermöglicht. Dankenswerterweise ist den Stichwörtern
ein knapper Abriß der Geschichte Ägyptens — von den Anfängen
bis zum Ende des eigenständigen Staates im Altertum — vorangestellt
.

Das Wörterbuch verfolgt ein doppeltes Ziel. Einmal will es
das Interesse eines größeren Publikums am Alten Ägypten befriedigen
, in Detailfragen knapp und zuverlässig orientieren und
in die Begriffswelt der Ägyptologie einführen. Andererseits wendet
es sich an die Vertreter benachbarter Wissenschaften. Auf
dieses zweite Ziel ist bei der vorliegenden Anzeige besonders
hinzuweisen und dabei speziell zu betonen, daß der Religionshistoriker
und der Alttestamentier hier ein reiches Material aufgearbeitet
vorfinden.

Bei der Anzeige einer lexikographischen Darstellung eines
kulturellen Gebietes, bei dem, wie im Alten Ägypten, öffentliches
und religiöses Leben stark miteinander verbunden waren,
ist es unmöglich, alle Stichwörter aufzuzählen, die den Religionshistoriker
ansprechen. Über Götter, Kultorte, Feste, Priestertum,
Seelenbegriffe und Jenseitsvorstellungen ist unter einer Fülle
einzelner Stichwörter ein umfangreiches Material zusammengestellt
. Begrüßen wird man die Aufnahme von Begriffen, nach
denen einerseits gerade unsere Zeit fragt und die andererseits
geeignet sind, die geistig unterschiedliche Sruktur des Ägypter-
tums deutlich zu machen, etwa: Dualismus, Ethik, Geschichtsauffassung
, Gott, Religion, Weltschöpfung und Weltvernichtung.

Es versteht sich, daß die religionsgeschichtlich wichtigen Artikel
durchweg auch den Alttestamentler ansprechen. Im besonderen
sei aber hier noch auf die Aufnahme einiger wichtiger
Stichwörter hingewiesen. Zu „Asien" werden die ägyptischen
Beziehungen dargeboten. Für die ägyptische Sicht der syrischpalästinischen
Gebiete sind Absätze über die Reiseberichte des
..Sinuhe" und des „Wen-Amun" gegeben. Besonders erfreulich
■st, daß unter einem eigenen Stichwort „Joseph" zu den in der
Genesis geschilderten Einzelheiten ägyptische Belege aus der
Ramessidenzeit zusammengestellt sind.

Wabern, Bez. Kassel Günter Lanczkowsk i

Radhakrishnan, S.: Indische Philosophie. Band II: Die Systeme
des Brahmanismus. Baden-Baden: Holle-Verlag [1956]. 65 8 S. gr. 8°.
Lw. DM 45.—.

Sir S. Radhakrishnan (geb. 1888) ist der erste indische Professor
der Philosophie, der eine umfassende Darstellung der indischen
Philosophiegeschichte in englischer Sprache gegeben hat,
die nach dem Verfahren westlicher Wissenschaft gearbeitet ist.
Bemerkenswert und dem Kundigen von großer Hilfe sind die
Fußnoten, welche die Sanskrit - Belege (natürlich in Umschrift)
ausgeschrieben geben, so daß der Leser gleich auf den Urtext
zurückgreifen kann. Der Darstellung der 6 klassischen Systeme
von Nyaya bis Samkara sind noch einige Kapitel über Ramanuja
sowie den Saiva-, Sakta- und jüngeren Vaisnava-Theismus angehängt
. Das Werk schließt mit einer „Zusammenfassung" (S.
577-590), die bis zur heutigen Lage führt. Ein ausführliches
zweispaltiges Namen- und Sachregister von 5 8 Seiten erleichtert
sehr den Gebrauch des Werkes.

Zum ganzen wie einzelnen der Übersetzung vgl. die Rezension
des 1. Bandes ThLZ 1956, Nr. 12, Sp. 725 f. Da der Übersetzer
von den dort erhobenen Ausstellungen nicht mehr Gewinn
ziehen konnte, wären sie hier erneut zu erheben. Aber schon der
indische Gelehrte hat — westlichem Vorbild folgend — unbedenk-