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Ausgabe:

1957 Nr. 1

Spalte:

58

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Kähler, Heinz

Titel/Untertitel:

Hadrian und seine Villa bei Tivoli 1957

Rezensent:

Kollwitz, Johannes

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 1

58

von mehreren Forschern10 als Gegenbild göttlicher Trinität11 insbesondere
von KirfeF im Zusammenhang mit den weitverbreiteten
Dreikopfgottheiten" behandelt worden ist. Die Deutung der
Zeichnung, der die Verf. mit Recht eine ausführliche Darstellung
widmet, gibt einen sicheren Hinweis auf die lutherische Gesinnung
Grünewalds.

Das Buch14, das seine vornehmste Aufgabe nicht im kunstgeschichtlichen
Handwerk sieht, sondern in behutsamer Würdigung
und im Eingehen auf den religiösen Grund der Schöpfungen
Grünewalds, ist dem Andenken Wilhelm Pinders15 gewidmet.

Leipzig H. Ladendorf

10) Zu der zitierten Lit. vgl. noch: K.V.Spieß, Trinitätsdarstel-
lungen mit dem Dreigesicht, Wien 1914 Werke der Volkskunst 2,
28—51 vgl. Marksteine der Volkskunst, Jb. f. hist. Volkskunde 5/6.
1937, 40; P.Lambrechts, Contributions ä l'etude des divinites celtiques.
Brügge 1942 = Werken, uitg. door de facultet van de wijsbegeerte en
letteren, Rijksuniversiteit te Gent 93; A. Blandiet, La trinke du Bien,
Bull, archeol. du Comite des travaux hist. et scientifiques 1950/52.

") Das in die Volkskunst abgesunkene Thema schlägt in der Kunst
um Daumier noch einmal durch: La caricature (Journal) 1834 Nr. 166
PL 349 Das Dreigesicht des Bösen in Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft.

1") Zu diesem religionsgeschichtlich so wichtigen Werk von W. Kir-
fel. Die dreiköpfige Gottheit, Bonn 1948, können folgende Besprechungen
nachgewiesen werden: P. Berghaus, Hamburger Beitrage zur Numismatik
3, 1949, 107; V. Pisani, Paidaia 5. 1950, 342—343; F. R. Walton
Gnomon 23, 1951, 52—53; E. Mayerhofer-Peßler, Archiv orien-
tälni 19, 1951, 302—304; M. Renard, Latomus 11, 1952, 396—397;
W. Rüben OLZ 48, 1953, 75; Anzeiger f. d. Altertumswiss. d. Österr.
humanist. Gymn. 6, 1953, 39—40.

") Vgl. jetzt auch G. Troescher. Dreikopfgottheit im Reallcxikon
zur deutschen Kunstgeschichte 4, 1955, 501—512 ausführlich, zusammenfassend
.

14) Wichtige Besprechungen: I. A. Schmoll gen. Eisenwerth, Annales
Univ. Saraviensis Philos. Abt. 4 1955 (3) 188—190; F. Anzelewsky,
Kunstchronik 9, 1956 129—137.

u) W. Pinder, 25.6. 1878—13.5.1947, Ein brauchbares Schriftenverzeichnis
für diesen Gelehrten findet sich auch nicht in den Gesammelten
Aufsätzen 1907—1935, hg. L. Bruhns Leipzig 1938 oder in der
Festschrift zum 60. Geburtstag Leipzig 1938. Nachrufe von H. Jantzen,
Zeitschr. f. Kunstwiss. N. F. 1, 1947, 73—76; E. Hoffmann, Burlington
Mag. 89. 1947, 198; W. Boehlidi, Hamburger Akademische Rundschau
3, 1948/1949, 150—155; H. R. Rosemann, Göttinger Universitätszeitung
2, 1946/1947 (13). 10—12.

Kahler, Heinz: Hadrian und seine Villa bei Tivoli. Berlin: Verlag
Gebr. Mann 1950. 186 S. m. 31 Abb., 16Taf. 4° = Deutsches Ar-
chäolog. Institut. Lw. DM 28.—.

Die Beschäftigung mit den Werken kaiserzeitlicher Architektur
ist — gemessen an der Fülle von Arbeiten zum römischen Relief
oder Porträt — immer etwas zurückgetreten und, soweit sie
geschah, blieb sie zumeist auf die monographische Behandlung
einzelner Denkmäler und Neufunde beschränkt. Eine Stilgeschichte
ganzer Epochen, wie sie für die Kunstgeschichte eine
Selbstverständlichkeit ist, fehlt bis heute fast ganz. Es ißt das Verdienst
der vorliegenden Arbeit, eine solche für die hadrianische
Zeit zu versuchen. Ausgangspunkt ist dabei der größte Baukomplex
dieser Zeit, die Villa des Kaisers in Tivoli.

Nach einem Überblick über die allmähliche Entstehung der
Villa bringt das Buch eine baugeschichtliche Untersuchung einzelner
, besonders charakteristischer Teile der Villa, um dann im
dritten Teil eine Analyse dieser Teile und damit der hadriani-
sdien Architektur überhaupt zu versuchen. Im Mittelpunkt dieser
beiden Teile stehen die sog. lateinische und griechische Bibliothek
, die als Gartensäle gedeutet werden, das teatro maritimo
(Inselvilla), das sog. Casino (der große Speisesaal), die Piazza
d'oro und der kleine Palast mit seinem Rundsaal und dem Gartensaal
. Die Untersuchungen werden erschwert durch die nur sehr
unvollkommene Erhaltung der Denkmäler. Gerade für die komplizierten
Anlagen ist nur der Grundriß erhalten; Grabungen, die
manches klären könnten, und vor allem Aufmessungen der herumliegenden
Architekturglieder beschränken sich auf vereinzelte
Punkte. Auch die Arbeit K.s ist hier nicht mehr als ein Anfang.

Entscheidende Fragen der Rekonstruktion müssen unsicher bleiben
, solange nicht eine vollkommene Aufnahme des noch Vorhandenen
durchgeführt ist.

In der Gesamtanlage der Villa sieht K. trotz der bekannten
gräzisierenden Neigungen des Kaisers nichts Griechisches. Das
trifft sicher zu für die Einzelheiten der Planung und Ausstattung.
Aber in der Lockerheit des Gesamtplanes, vor allem aber auch
in dem starken Bezug auf die Landschaft, in die immer wieder
Fenster einen Ausblick eröffnen und der zuliebe man auch starke
Achsenverschiebungen in Kauf nimmt, verrät sich doch ein unrömisches
Element. Die im einzelnen besprochenen Teile der
Villa bilden zwei deutlich geschiedene Gruppen. Davon fügen
sich die Bauten der ersten Gruppe (die beiden Bibliotheken,
Rundsaal und Gartensaal des kleinen Palastes) ohne besondere
Überraschung in den Ablauf der kaiserzeitlichen Architekturgeschichte
. Der Rundbau des kleinen Palastes hat seine nächsten Parallelen
in den sonstigen Kuppelbauten der Zeit, für die Bibliotheken
und den großen Gartensaal kann K. auf entsprechende
Bauteile im Flavierpalast auf dem Palatin oder in der Domus
aurea aufmerksam machen. K. betont hier sehr den entwicklungsgeschichtlichen
Fortschritt der hadrianischen Denkmäler,
der vor allem in der Verlegung des Standpunktes des Beschauers
in einen Nebenraum liegt. Daneben ist aber auch die Abkehr
von den Stilmitteln der flavischen Zeit nicht zu übersehen. Nach
den komplizierten Grundrissen dieser Zeit, dem Ineinander der
Räume, den aufgelockerten Raumgrenzen bedeutet die relative
Einfachheit der hadrianischen Planungen mit ihren schlichten
Maßzahlen und der tiefen Körperlichkeit ihrer Nischenwände
einen entschiedenen Rückschritt. Es ist der gleiche Stilwandel, der
sich auch in dem Übergang von der flavischen Dekorationsmalerei
zu hadrianischen Wandsystemen beobachten läßt (Wirth,
Römische Wandmalerei 60 ff.).

Daneben zeigen die Bauten der zweiten Gruppe ein völlig
anderes Gesicht. Das Teatro maritimo bietet in Einzelheiten,
vor allem des Bibliotheksflügels, zwar vertraute Züge, aber als
Ganzes ist die kreisförmige Anlage mit dem zentralen Peristyl-
hof, dessen Seiten im Gegensinne nach innen schwingen, ohne
jede Analogie. Mit Recht weist K. auf die Unruhe der Planung
und die Rolle des Durchblickes hin. „Als Raum kann dies alles
nicht erfahren werden". Es ist ein Stück Architektur, das ganz vom
Grundriß her gedacht ist; die kleinen Räume der Bibliothek und
des Bades spielen im Gesamtplan nur eine untergeordnete Rolle.

Auf den ersten Blick nahe verwandt sind hiermit der Gartensaal
des kleinen Palastes und die Piazza d'oro. Der Grundriß
'st eher noch komplizierter; in beiden Fällen entsteht er aus sich
durchdringenden Kreissegmenten. Trotzdem nimmt K. für beide
Bauten eine Überdachung an. Eine solche Lösung stößt nun aber
auf schwerste Bedenken. Eine Wölbung von 20, in der kürzeren
Achse 12. 8 m — die Maße sind beide Male fast die gleichen —
auf den nur 0.60 starken Mauern und den relativ schwachen Eckpfeilern
, wobei die Wände fast ganz durch Öffnungen und Säulenreihen
aufgelöst sind und zudem noch einwärts schwingen,
dürfte statisch kaum möglich sein. Auch die Eckräume sind keineswegs
im Sinne von Widerlagern durchkonstruiert. Gleich der
Inselvilla handelt es sich um Anlagen, die ganz vom Grundriß
her gedacht sind. Um einen mittleren Hof gruppiert sich eine
Reihe von kleinen Räumen, wobei der Gedanke an ihre Benutz-
barkeit wohl nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Es ist
die gleiche Freude an komplizierten Grundrissen, wie sie auch
die Erweiterung des sog. Casinos oder der Hadriansbibliothek in
Athen verrät. Damit verlieren diese Anlagen aber das extrem
Fremdartige, das sie als Raumschöpfungen in der kaiserzeitlichen
Architektur hätten. Was bleibt, ist ein Höchstmaß an Kompliziertheit
des Grundrisses, ein Ineinander von Formen, von denen
keine als Ganzes sichtbar wird, die Unüberschaubarkeit der
Gesamtanlage von einem Standpunkt aus, die Rolle des Durchblicks
für den Betrachter, dem sich von jedem Standpunkt aus neue
Perspektiven eröffnen. Wenn irgendwo in hadrianischer Architektur
, wird man in diesen Elementen ein Nachwirken flavischen
Stils erblicken dürfen.

Freiburg/Br. J Kollwitz