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Ausgabe:

1957 Nr. 10

Spalte:

790-793

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Vernunft und Offenbarung 1957

Rezensent:

Schmidt, Erik

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 10

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pus seiner wissenschaftstheoretischen Bedeutung, doch zunächst,
hierfür vorbereitend, nach seinem, gleichsam von außen gesehen,
doch ihm eigenen Sinn — als rein menschlich-psychisch-geistigen
Akt.

Das erste Wort wird diesmal Augustin erteilt, unter dem Doppelpaar
der Begriffe: fides/intellectus und cogitatio/assensus. Die Synthese
beider Verhältnisse wird vollendet durch Thomas — in aristotelischer
Umdeutung. Dem großen östlichen Vorbild folgend, sieht Augustin
in dem Geheimnischarakter, als soldiem, keinen Gegensatz zu
einer intelligibilitas der Glaubenswahrheiten, wogegen Thomas der
methodischen Scheidung zunächst den Vortritt zuspricht. Der ganzen
Scholastik wird Jes. 7, 9 (LXX/Vulg) zur Losung, führend einem Anselm
: der Glaube als solcher trägt in sich den Keim des intellectus
(vgl. K. Barth, den S. nicht erwähnt). Thomas unterscheidet hier streng
die natürlich-theologischen Einsichten von der übernatürlichen habitus-
Tugend. Jene andere Linie geht vom „hcilspädagogischen" Glaubensbegriff
aus, als Vorbedingung für alle Gotteserkenntnis. Das Vorausgehen
des cogitare vor dem credere wird mit II. Cor. 3, 4 f. belegt.
Das cum assensione cogitare wird näher bestimmt: primär als actus
intellectus, „gemäß dem Sachverhalt, daß er (der Verstand) vom Willen
bestimmt wird". „Immediate ist das Glauben .actus intellectus,
quia obiectum huius actus est verum", mit allem „Meinen" hat (vgl.
Griechen!) das Glauben nichts zu tun, so wenig wie mit dem Wissen
der Wesenheiten; auch keine Schau der prineipia (Urgründe), wohl aber
Pilgerweg, der visio beatifica entgegen. Von der Denkbewegung und
Zustimmung im schließenden Wissen unterscheidet sich das Glauben
nicht durch geringere, vielmehr durch der Diskussion entzogene Gewißheit
. Auch hier eine fünffache Klimax vom dubitare bis zum sdiau-
enden Einsehen, — andrerseits zur irdischen Möglichkeit einer „Glaubenswissenschaft
" (cf. Kap. 5).

Nach allem ist man Söhngen dankbar, wie (89 ff.) von der wissenschaftstheoretischen
Fragestellung der Blick auf den soteriologischen
Wahrheits- und Glaubensbegriff des NT lenkt; zugleich an Luthers
..treffsicherer" Wiedergabe von Jes. 7, 9 erinnernd (emeth-veritas !)•
Und gerade hier stellt sich seinem Blick der Entsprach im Unterschied
heraus: einem Plato geht es um das „Heil", dem vierten Evangelium
um eine „Wahrheit", die folgerichtig vom „Stehen" zum
„Verstehen" führt. Von Plato und Epiktet führt eine Linie zum neu-
testamentlichen Martysbegriff (dazu THW IV 481 f.). So wird über
Augustin zur Hochscholastik die Bahn frei, zur Einheit von cogitatio
mit Affekt und Willen in der assensio hörenden Glaubens (Rom.
'.10,17), zu den revelata et promissa des Trident, (Denz. 798, dort
Rom. 3,24) zu des Thomas Dreieinheit des credere Deum — Deo
Deum — in Deum (103 f.), über Bonaventura sogar zu Thomas s. c.
gent. 40. Sofern Glaube auch (!) hörend, regiert der Wille vor dem
Verstehen (Glaube als habituelle Gehorsamstugend). —

Bleibt die Frage: was meinen Thomas und die Reformatoren
(diese über alle Psychologie des Glaubens hinaus) mit
Eph. 3, 17 (101), was Thomas mit den bona repromissa, das Tri-
dentinum mit seinen promissa (102 f.)?

Das Schlußkapitel: „Von der Glaubenswissenschaft" schürzt
den fünffachen, durch Kombination der Teilglieder verschränkten
Knoten der Gedankenfuge, zu einer reichbewegten Synthesis.
Es gilt stets das eine gegen das andere zu halten. Augustins
veritas-Argument, aristotelische Aporetik, thomasischer intellectus
fidei, mit scientia fidei durch Genitivbedeutungen verschränkt
, neuzeitliche Geschichtsproblematik — durch all das
bahnt sich der gewissenhafte Denker — der Glaubensanfechtung
mit J. Newman, Pascal nicht unkundig (106), auf der Grenze
von Philosophie, „natürlicher" und „übernatürlicher" Theologie
herüber und hinüberschauend, den Weg, vielfach mit didaktischer
Meisterschaft dem Schüler nachhelfend.

Noch einmal zwingt die stagiritisch-aquinatische Aporetik
zu einem Halt! Doch nun wird sie aufgerufen, sich selber auf
ihre Anwendbarkeit auf den Glauben als Glauben, der Glaubenswissenschaft
als solcher zu besinnen. Wie kann Glaube als Überzeugtsein
von einem Nichteinsichtigen (Hebr. 11, 1) einsichtig
werden? Augustinisch - franziskanische, und wiederum thomi-
stische Wissens- und Glaubensbestimmungen werden (110. 115)
einem Gewinn- und Verlustkonto ausgesetzt.

Aporie 1: Theologie als Wissenschaft von den Glaubensgeheimnissen
droht in das Dilemma: Geheimwissenschaft oder Vernunfttheologie
auseinanderzufallen (114). Hier hilft nach S. die stagiritische
Unterscheidung von mittelbarer und unmittelbarer Einsichtigkeit (116),
von Prinzipien und Konklusionen. Aus der formallogischen Sicht gilt
es in die „transzendentallogische" überzuspringen, die Philosophie
tritt aus der konstitutiven in die regulative Haltung, der Primat d;r

intelligibilia in den der credibilia (Bonaventura; 118 ff.). Auch die
Theologie — sie erst recht — senkt vor der scientia Dei et beatorum
ihr Haupt — scientia subordinata. Dies eben „krönt sie vor der philosophischen
Schwester zur regina — von Gottes Gnaden". Sie ist
glaubendes Wissen um den göttlichen Verstand. Von der „Schule von
Athen" wechseln wir zur „Disputa" (125 — man denke schon dort an
Piatos emporweisenden Arm).

Aporie 2: der überbegriffliche Gegenstand der Theologie (12 5 ff.1
und ihre Sprache. Auch hier heißt es: similia similibus — die Heilung
liegt in der Krankheit verborgen. Der „metaphorische" Ausdruck bedarf
selbst der begrifflichen Klärung, die kerygmatische Einzelaussage
der zusammenhängenden Darlegung der Konkiusionsmethode — ana-
logia entis ist Gnade der Vermenschlichung, gedankliche Vermittlung,
Ausstrahlung göttlich-menschlicher Mittlerschaft. Noch einmal wird
Hegels Geist zitiert — samt dem Paradox des Dänen! Hier liegt auch
die besondere kirchliche Aufgabe der Theologie: Dogmenbildung vorzubereiten
(klassisches Beispiel: „Wesensverwandlung" im christolo-
gisch-sakramentalen Sinn 131 f.).

Ein Schlußausblick: Das Problem der theologischen Methode
(134 ff.) stellt aufs deutlichste fest:

Wie nur eine Logik, so gibt es nur eine historische Methode.
Auch gläubiges Denken ist Denken, auch glaubensgeschichtliche Methode
geht sachlich - redlich historisch vor. So hängt das Geschichtsproblem
mit dem der analogia fidei, vielmehr „selbst analogen Einheit
Ion Glaubens - und Seins analogie" zusammen (worüber ein weiteres
Bandchen in Aussicht steht).

• , Wlssensctlaftlich-theologische Methode als Weg — zur „pneumatischen
Weisheit" - Kants Schluß der KdrV (B 878) abwandelnd, führt
»• 131 über die Väter der Theologie zu Paulus (l.Kor. 14,9).

Ich breche ab, und frage kurz — zunächst: was kann
evangelisch-kirchliche Theologie - heute
ausgesprochen kerygmatische Theologie — von oder an diesem
Aufriß lernen? Sie wird hier ein klassisches Beispiel einer — im
großen Stil — kirchlichen Vermittlungstheoiogie vor sich sehen,
vermittelnd in mehrfach abgestuftem Sinn. Sie kann anknüpfen
an feine Bemerkungen über „Sagen" und „Aussagen" (28. 34 f.)
in Kunst und Religion, im „Werk" Gottes, im sagend wie aussagenden
biblischen Wort, über hörendes Aussagen und glaubendes
Hören (28. 34 f.). Sie wird gleichzeitig von und an ganz
anderer Seite lernend, in der Kritik am metaphorischen Sagen
schärfer zugreifen — ob in dogmatisierendem oder entdogmati-
sierendem, dem Symbol und Gleichnis seine legitime Stelle
lassendem Sinn. Statt der via mediatoria wird sie der Philosophie
wie aller v/elthaften Denkweise ein kritisch-verstehendes
Onr offen halten, an, auch von ihr lernen. Das kann sie auch
und gerade im Dienst der via exegeseos tun, primär mit der Gemeinde
, in ihr und für sie tun, wo sie selber ihren glaubend
hörenden, charismatisch dienenden Ort hat. —

Im Sinn der Arbeitsteilung weiß sich Ref. auf den Weg des
(von P. Tillich den apologetischen genannten) Weg einer reli-
gionsphilosophisch orientierten Theologie gewiesen, wovon hier
nicht zu reden ist. Er muß aber Vertretern beider Typen gegenüber
, der kerygmatischen wie der philosophisch-theologischen
Yermittlungstheologie des verehrten Verfassers bezüglich „natürlicher
" und „übernatürlicher" Religion und Theologie als
Einteilungs- wie Sachprinzip stärkste Bedenken hegen
. Das hindert nicht den Dank, den er der reichen Belehrung
und hohen Geistesführung dieser „Einübung" schuldet. —

Ein Wunsch für die nächste Auflage: ein Verzeichnis der Bibelstellen
.

Kilchberg über Tübingen R.Paulus

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Buri, Fritz, Prof. Dr.: Dogmatik als Selbstverständnis des christlichen
Glaubens. I.: Vernunft und Offenbarung. Bern: Haupt, u.
Tübingen: Katzmann [1956]. 443 S. gr. 8°. Lw. DM 28.-.

Die dogmatische Arbeit wird heute kräftig vorangetrieben.
Noch ist Karl Barths Kirchliche Dogmatik nicht vollendet, daneben
aber erscheinen immer neue systematische Werke (P. Althaus
, Dillschneider, O. Weber, P. Tillich, M. Werner, u. a.).
Nunmehr legt uns Fritz Buri, Pfarrer und a. o. Professor in Basel
, den ersten Band seiner auf vier Bände berechneten Dog-