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Ausgabe:

1957 Nr. 10

Spalte:

777-779

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Asmussen, Hans Christian

Titel/Untertitel:

Trennung und Einung im Glauben 1957

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 10

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Ende des Lebens in die alte Kirche zurück (Peuckert, Paracelsus
1944, 462).

Was nun den vorliegenden ersten Band der theologischen
Schriften betrifft, so ist die an ihn gewandte philologische und
editorische Sorgfalt zu rühmen. Kleine Versehen möchte ich hier
nicht herauspicken; (bettel freilich, um den Druckfehler der
Ztsdir. f. dtsch. Phil. 75, 203 zu berichtigen, ist keine Schlaf-,
sondern eine Schafkrankheit). Worauf es ankommt, ist wohl
eher ein Hinweis auf die offenbar werdende religionspsychologische
Haltung Paracelsi, 6eine Auswertung der Texte als „Bilder
auf. . wofür am deutlichsten seine joachitisch gehaltene Auslegung
des Ps. 77 spricht. Goldammer macht dazu auf das Predigthafte
und Meditative aufmerksam.

Wichtiger aber ist das Religionshistorische, das an diesen
Texten sichtbar wird. Goldammer nennt sie eine „Sammlung von
Traktätchen und Traktaten"; „an der Schnur des Bibeltextes sind
opuscula aufgereiht, die sich ganz besonders mit sozialethischen
und politischen sowie mit theologisch-ethischen Fragen und mit
Kirchenkritik beschäftigen" (IL). Ich möchte das ergänzen, indem
ich zunächst feststelle, daß — was im Hinblick auf die Nachfolge
Paracelsi durch Weigel, Böhme und spätere Enthusiasten auffällig
ist — eigentlich mystisches Gut kaum begegnet (vgl. etwa
S. 271). Auf Joachitisches wies ich schon hin. Eschatologische
Ausführungen, wie sie das 15./16. Jahrhundert liebte, wie eine
positive Stellungnahme zu den Armen und Bedrängten finden
sich sehr oft. Pseudo-Method bzw. die Tiburtina klingen mit dem
Bilde des vom Weinrausch Erwachenden einmal durch (77 f.).
Eine kritische „freie" Haltung wird — trotz manchen Moralisierens
oder vielleicht gerade deshalb — sichtbar, so etwa im Kommentar
zu Ps. 98 (99), 8: wer soll geistlicher Lehrer sein: do lauft
ein weihe vom pabst, do lauft ein Ordnung aus der stim des
volks . . . nun ist aber hierinnen zu wissen, daß man wissen muß
den apostel, der vor uns stet, und nit wenen; man muß wissen,
nun mugens die nit sein vom babst, dann es seindt falsch apostel;
die von dem volk auch nit", wie es vorher heißt, „einer ist us
irem fleisch erweit und nit aus dem heiligen geist"; Paracelsus
verweist auf Paulus und dessen Ausführungen zur Frage des apostolischen
Amtes. Ähnlich interessant sind Fragen zur allgemeinen
Priesterschaft, zum Problem der heut wirksamen Offenbarung
Gottes (S. 306), zum Problem der Gelübde (Ps. 76), die er weiter
faßt, als die landläufige Meinung geht.

Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser Anzeige alle Probleme
, welche aufgeworfen werden, auch nur anzudeuten; ich
habe mich begnügt, auf solche seiner Tage hinzuweisen, und kann
nur noch anraten, an dem reichen und manche Aufschlüsse gebenden
Werke nicht vorbeizugehen; es ist für die Reformationsgeschichte
wie für geistesgeschichtliche und praktische theologische
Fragen von großer Bedeutung; mir wäre es lieb gewesen,
wenn ich es vor meiner „großen Wende" schon hätte studieren
können, und heute sollte es jeder wenigstens einmal lesen.

Göttingen W.-E. Peuckert

KONFESSIONS- UND KIRCHENKUNDE

Asmussen, Hans, u. Karrer, Otto: Trennung und Einung im
Glauben. Politische und theologische Aspekte zur ökumenischen Frage.
Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1956]. 71 S. 8°. DM 4.20.

Wir finden hier vielbeachtete Vorlesungen der Salzburger
Hochschulwochen 1956 zum ökumenischen Problem und zur
interkonfessionellen Begegnung. Beide Partner mühen sich um
Wege zueinander. K a r r e r redet in seinem ersten Vortrag
(„Der Streit der Konfessionen") von vielem tragischen Mißverstehen
und historisch bedingter gegenseitiger Verhärtung, aber
auch von einer werdenden Offenheit füreinander. Man wisse
beiderseits, daß aus Gebietsverlusten einer Kirche nur der Nihilismus
profitiere. Mandie kritischen Punkte werden nur kurz anvisiert
, so das Verhältnis von autoritärem und persönlichem
Glauben und die Frage der Bibelverbreitung unter den Völkern,
die möglicherweise in Südamerika die „dämonische" Verdrängung
Christi durch einen extravaganten Madonnenkult hätte verhindern
können. Etwas näher wird auf das Kirchenproblem eingegangen
, weil hier „der wesentliche Gegensatz der Bekenntnisse"
liege. Als Urbild erscheint die Kirche des Neuen Testamentes,
in der Juden- und Griechenchristentum „durch das Vermittlungsamt
des Petrus" sich zusammengefunden hätten. Am stärksten
wird das Problem „Schrift und Tradition" beachtet, in dem ein
wachsendes Übereinstimmen festgestellt wird. Katholischerseits
erkläre man mit neuveröffentlichten Dokumenten des Trienter
Konzils, daß die ganze Offenbarung in der Schrift enthalten sei.
„Es ist also nach heutiger Erkenntnis gut tridentinisch, die Formel
des Konzils, wonach apostolische Tradition und Schrift
die Offenbarung enthalten, so zu verstehen, daß die vorausgehende
apostolische Tradition, wie heute alle wissen, die Quelle
ist, aus welcher die Schrift hervorging, daß dabei alles Bedeutsame
in die Hl. Schrift einging, daß also Schrift und Tradition
nicht als zwei voneinander unabhängige Größen zu gelten haben
, sondern daß die Hl. Schrift das Fundament und die Quelle
des ganzen Glaubens ist." In einer Nebenbemerkung wird als
Meinung des Vortragenden ausgesagt, daß auch die marianischen
Definitionen schriftgemäß seien. Weittragend der Satz, daß es
grundsätzlich in der Frage Schrift und Tradition keinen Gegensatz
mehr zwischen den getrennten Bekenntnissen gäbe. — Die
zweite Vorlesung Karrers behandelt „Das Petrusamt in ökumenischer
Sicht", das als „Kreuz der Ökumene" bezeichnet wird. Ein
historischer Beweis oder eine dogmatische Begründung für den
römischen Primat werden nicht geboten, statt dessen behutsame
Hinleitungen zur katholischen Position unternommen. „Ist es
da nicht naheliegend daß .. .", „Entwicklungslinie von annähernd
rei Jahrhunderten", „folgerichtige und notwendige Konzentra-
■on , so und ähnlich lauten die vorletzten und vorvorletzten

VhälU"8en' **ie ninaus wir nicnt geführt werden. Die Vorsicht
hier steht, wie zum Schluß der Vorlesungen hervortritt, im
Uienst des Abbaus eines überspannten päpstlichen Zentralismus
zugunsten eines apostolischen Episkopalismus, für den man unter
Protestanten Interesse voraussetzen kann und in dem dem römischen
Stuhl der „Vorsitz in der Liebe" (Ignatius) zufiele. Dafür
hatte das Vatikanum Raum gelassen, denn nur der übereilte Abbruch
des Konzils habe die Neufassung der Episkopalverfassung
— „das innerlich notwendige Korrelat des Petrusamtes" — verhindert
. Zugegeben wird: „Zeitgeschichtlich gegeben ist . . . die
tatsächliche Einseitigkeit, mit welcher die nachvatikanische Theo-
logie im allgemeinen und die Verkündigung im allgemeinen das
apostolische Amt der Bischöfe mitsamt ihren Seelsorgern und
freien Geistzeugen zu wenig zu würdigen scheint". Man wird
v°r diesen ungewöhnlichen Bekenntnissen nicht den Einwand
unterdrücken können, daß sie im Fall des Tridentinums mit Apokryphen
arbeiten, im Fall des Vatikanums mit Diskussionen in
der Entwicklungsphase des Konzils, die alsbald von der Mehrheit
abgewiesen wurden und durch den Gang der Geschichte seither
als indiskutabel gelten müssen. Gerade daran aber dürfte deutlich
werden, wie weit sich Karrer im Willen zum Entgegenkommen
vorgewagt hat. Das geschichtliche Urteil über Sess. IV Vatikanum
(Denzinger 1826 ff.) wird dadurch in keiner Weise erschüttert
.

Doch zu Asmussen, dessen Beitrag „Das Verhältnis der
Konfessionen als Politikum" überschrieben ist. Zunächst wird
eine Analyse der westdeutschen Situation geboten: Tuchfühlung
der Konfessionen untereinander trotz starker Affekte gegeneinander
, beiderseits eine wachsende Distanz zu politischen Parteien
(die Kirche „sollte als Zeichen der neuen Zeit eigentlich begriffen
haben, daß Kirche dem Staat gegenüber stehen muß"), darum
ein fruchtbares, aber spannungsreiches Gegenüber von CDU und
SPD, insofern im politischen Ringen das Unternehmen einer
christlichen Politik sowohl versucht wie widerlegt werde, — Letzteres
geschähe unter dem Beifall Barths und Niemöllers. Die
Kehrseite des Ringens sei das unerfreuliche Wachstum des anti-
römischen Affektes, denn Barth und Niemöller riefen aus christlicher
Haltung zum Kampf gegen den Antikommunismus, der
„für sie Kampf gegen Rom bedeutet", weil „beide in der katholischen
Kirche den Antikommunismus in Person" erblicken. Dürften
schon damit Verzerrungen aufgetaucht sein als Deduktionen
aus einem unklaren Prinzip, so erreichen sie im zweiten Teil des
Beitrages ihren Höhepunkt, wo Asmussen über die ökumenische
Bewegung herfällt. In dem gegenwärtigen Bemühen der protestan-