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Ausgabe:

1957 Nr. 10

Spalte:

771-772

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Markovics, Robert

Titel/Untertitel:

Grundsaetzliche Vorfragen einer methodischen Thomasdeutung 1957

Rezensent:

Oeing-Hanhoff, Ludger

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 10

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eine Eigenschaft Gottes, 6eine Verborgenheit und Innerlichkeit.
Daraus geht hervor, daß Gregors theologische Spekulation, welche
die Innenpräsenz Gottes im Menschen kennt, in der praktischen
Lehräußerung nicht ausgewertet wird. Eben diese Beobachtung
der Diskrepanz zwischen Theologie und wirklich leben
digem Gedankengut liegt aber auch der vom Verfasser (S. 5
Anm. 32) kritisierten Aussage Harnacks zugrunde, daß Christus
als Person trotz der breiten Ausführungen über ihn im Gottesbegriff
Gregors vergessen sei (DG4, Bd. 3, S. 266).

Frickel weij; am Schluß seiner Arbeit selbst darauf hin, daß
eine Untersuchung über die Gnadengegenwart Gottes zur Ergänzung
seiner Ausführungen notwendig sei. In der Tat wird man
sowohl vom trinitarischen Gottesbegriff wie auch von der Sakramentenlehre
her nicht auf eine Erhebung dessen, was der Christus
praesens zur Erhellung des Gedankens der Gottgegenwart
bei Gregor beiträgt, verzichten können. Erst von daher wird sich
der Präsenzgedanke Gregors abschließend formulieren lassen.

Die gründliche Studie, welche auch des Papstes Kenntnis der
beiden augustmischen Schriften C. Adimantum Manichaeum und
Quaest. Evangeliorum nachweist, bereichert das Bild des Theologen
Gregor.

Naumburg/Saale Rudolf Lo reu z

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Markovics, Robert, Dr.: Grundsätzliche Vorfragen einer methodischen
Thomasdeutung. Rom: Herder 1956. XI, 114 S. 4° = Biblio-
theca Academiae Catholicae Hungaricae. Sectio Philosophico-Theo-
logica Vol. II. Kart. DM 14.40.

Die hier anzuzeigenden Prolegomena einer Thomasinterpretation
verstehen sich als fundamentaltheologische Untersuchungen
(1). Sie betrachten die thomasische Lehre als einen „locus
theologicus", fragen unter dieser Rücksicht nach ihrem Wahrheitsgehalt
, ihrer Autorität und Aktualität (Kap. 1—3) und geben von
den Äußerungen des kirchlichen Lehramtes her darauf eine Antwort
. Da die Bedeutung, die einem Autor beigemessen wird, die
Interpretation seiner Werke beeinflußt, ermöglicht die Entscheidung
der drei genannten Fragen grundsätzliche Hinweise auf die
Methode der Thomasdeutung (Kap. 4).

Im einzelnen geht die streng durchgegliederte und sorgfältig gearbeitete
Untersuchung folgendermaßen vor: In jedem fraglichen Punkt
wird zunächst eine unkritische, rigorose und starre Auffassung dargestellt
, nach der das thomasische System kraft göttlicher Erleuchtung
geradezu irrtumsfrei, von der Kirche jedem ihr angehörenden Lehrer der
Philosophie verpflichtend vorgeschrieben und als Inkarnation der phi-
losophia perennis geschichtlich unüberholbar und nur immanent fortzubilden
sei. (Diese unglaublich extreme Konzeption kann Verf. mit
einer 1919 erschienenen so gut wie unbekannten Arbeit von S. Szabö
belegen.) Damit konfrontiert wird eine gemäßigte Auffassung, die Verf.
kritisch-selektiv in der Wahrheitsfrage, tolerant im Autoritätsproblem
und aufgeschlossen für eine transzendente, d. h. nichtthomasisches Lehrgut
einbeziehende Synthese nennt. Nachdem dann sorgsam auch Zwischenlösungen
vermerkt sind, stellt Verf. die lehramtlichen Äußerungen
Pius' XII. dar, die zeigen, daß die Kirche unzweideutig der gemäßigten
Auflassung den Vorzug gibt. Einen zusammenfassenden Beleg dafür
gibt der Anhang, der die wichtigsten Ausschnitte aus den einschlägigen
päpstlichen Dokumenten zusammenstellt.

Dieses Ergebnis ist eigentlich selbstverständlich. Denn die
Kirche kann ihren Gläubigen nicht positiv eine bestimmte Philosophie
autoritativ vorschreiben, wenn sie auch negativ dieses oder
jenes philosophische System als unvereinbar mit den Inhalten des
christlichen Glaubens ablehnen kann (vgl. die ebenfalls kürzlich
erschienene Arbeit des spanischen Bischofs F. G. Martinez, De
I'authenticite d'une philosophie ä l'interieur de la pensee chre-
tienne, Ona (Burgos) 1956). Eine autoritativ auferlegte Philosophie
wäre auch nicht mehr die selbständige Wissenschaft, welche
die Kirche als geeignetes Instrument ihrer Glaubensverkündigung
, als vermittelndes Medium zu Welt und Geschichte, besonders
zu den Wissenschaften hin, ja gerade benötigt. So sind alle
oft nachdrücklichen kirchlichen Empfehlungen der thomistischen
Philosophie keineswegs eine Verpflichtung zur Annahme dieses
Systems. Das erneut in einer Analyse der jüngsten kirchlichen

Lehräußerungen herausgestellt zu haben ist das entscheidende
nicht zu schmälernde Verdienst dieser Arbeit.

Demnach ist die Frage nach Wahrheitsgehalt und Aktualität
der thomasischen Philosophie primär nicht ein fundamental-
theologisches, sondern ein genuin philosophisches Problem. Man
kann nun dem Verf. kaum den Vorwurf ersparen, unkritisch
philosophische Vorentscheidungen seinen fundamentaltheologischen
Erörterungen zugrundezulegen. Das betrifft vor allem die
Frage nach dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Philosophie
bzw. Metaphysik. Wie Fragestellungen und Einteilungen
voraussetzen und offensichtlich akzeptierte Zitate ausdrücklich
betonen, ist es für den Verf. eine ausgemachte Sache, daß „die
Wissenschaft ... die Philosophie untermauert" (70), daß die
Philosophie „sich entfaltet als höchste, subtilste Blüte auf einem
reichen Geäst von Geistes- und Naturwissenschaften" (69). Das
ist die genaue Umkehrung des berühmten Bildes vom Baum der
Philosophie und Wissenschaften, dessen Wurzel die Metaphysik
ist, und die präzise, wenn auch indirekte Erklärung der Unmöglichkeit
von Metaphysik als vom jeweiligen Stand der Naturwissenschaften
unabhängiger „prima philosophia".

Die Ablehnung der Metaphysik in der Form, wie Thomas sie
verstand, widerstreitet als philosophische, nicht zum sogenannten
„theologischen Schutzgebiet" (19) gehörende These zwar keineswegs
den vom kirchlichen Lehramt auferlegten Verpflichtungen
, entspricht andererseits aber kaum den — selbstverständlich
nicht bindenden — kirchlichen Empfehlungen der thomistischen
Philosophie. Wie dem aber auch sei, von hier aus versteht sich,
daß Verf. bei der Frage einer Weiterbildung der thomasischen
Lehre nicht von einer Begegnung etwa mit dem Deutschen Idealismus
oder mit Heidegger spricht, sondern nur von einer Synthese
mit den modernen Wissenschaften (79). Als Weg, der zu diesem
Ziel führt, und damit als die Methode einer zeitgemäßen Thomasdeutung
wird dann konsequent die „weltbildvergleichende Thomasforschung
" (86) genannt.

Der Arbeit liegt die wiederholt ausgesprochene Annahme
zugrunde (4, 37, 88), daß „eine letzte Erklärung der großen und
oft unverständlichen Differenzen in der Thomasdeutung in der
jeweiligen Auffassung über Wahrheit, Autorität und Dauerhaftigkeit
des thomasischen Lehrsystems zu suchen sei" (88). Wer
die Geschichte des Neuthomismus überblickt und sieht, wie die
Thomasdeutung jeweils etwa von Reid, Wolff, Deßcartes, Kant,
Husserl oder Heidegger gefärbt oder von der Konzeption einer
auf dem naturwissenschaftlichen Weltbild aufbauenden Metaphysik
bestimmt ist, der wird eine noch tiefere Wurzel der divergenten
Interpretationen in der wechselnden geistesgeschichtlichen
Situation und in den verschiedenen eigenen metaphysischen
Konzeptionen erblicken. Eine Thomasinterpretation, die nicht
unseren geschichtlichen Abstand vom Aquinaten und die geschichtliche
Bestimmtheit des eigenen Denkens naiv überspringen
will, wird einer historisch-kritischen Besinnung auf die eigene
hermeneutische Lage als einer unausweichlich zu stellenden
„grundsätzlichen Vorfrage" nicht entraten können.

Münster/Westf. Ludger O ein g-Ha n h of f

HIRCHENGESCHICHTE: REEORMATIONSZEIT

Bornkamm, Heinrich: Der authentische lateinische Text der Con-

fessio Augustana (1 530). Heidelberg: Winter 1956. 23 S., 4 Taf.

4° = Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissensch.
Philos.-hist. Kl. 1956, 2. Abhandl. DM 7.50.

H. Bornkamm, Verfasser der Einleitung und Bearbeiter des
Textes der Confe6sio Augustana in der Ausgabe der Bekenntnisschriften
der evang.-luth. Kirche, Göttingen, 3. Aufl., 1953, bietet
in der vorliegenden Akademieabhandlung einen seine früheren
Darlegungen zur Sache ergänzenden und weiterführenden
wertvollen Beitrag. —

Er folgt dabei grundsätzlich den Einsichten Koldes, Tschackerts und
Fickers, daß nämlich die in röm.- katholischem Besitz befindlichen
Abschriften vom lateinischen Original der C. A., das sich bis 1569 aller
Wahrscheinlichkeit nach im Brüsseler Archiv befand, für die Herstellung
des authentischen Augustanatextes wichtiger sein dürften als die in
den Archiven der evangelischen Stände zu findenden zahlreichen Au-