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Ausgabe:

1957 Nr. 1

Spalte:

53-55

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, 40-42 Lfg. 1957

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 1

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Methoden, sie blieb in den Anfängen stecken oder gab sich mit
halben oder Schein-Erfolgen zufrieden. Andererseits zeigt Glazik
aber auch in lebensvoller Darstellung, daß es wirklich große,
wahrhaft apostolische Gestalten in der russischen Mission gegeben
hat und daß deren Tätigkeit in Rußland und über Rußlands
Grenzen hinaus (vor allem in Japan) bleibende Spuren hinterlassen
hat und daß sich von den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts
an die russische Kirche und das Kirchenvolk ihrer Missionsaufgabe
immer stärker und klarer bewußt geworden sind.

Zu diesem Hauptteil sei aber doch eine Bemerkung gestattet. In
der Beurteilung der religiösen Verhältnisse in Rußland zu Beginn des
19. Jahrhunderts folgt Glazik der Darstellung Ammanns (S. 110, Anm. 3 ;
zu Ammann vgl. ThLZ 19 52, Nr. 7). Wie dieser spricht er von einem
..überbekenntnismäßigen Allerwcltschristentum" (S. 110), von dem
„verschwommenen Christentum der Regierungszeit Alexanders L" (S-
111) oder von dem „gefärbten Christentum" jener Zeit (S. 120). Die
Vorstellungen des Vf. über das Christentum dieser Zeit sind vielleicht
mehr „verschwommen", als dieses selbst es war, das doch sehr genau
wußte, was es wollte. So berührt es merkwürdig, wenn Glazik schreibt,
das Neue Testament sei in den Jahren 1814—1821 „in einigen nichtrussischen
Sprachen herausgebracht" (S. 112). In Wirklichkeit wurden
in den ersten zehn Jahren des Bestehens der russischen Bibelgesellschaft
von ihr 704 831 Bibeln in 43 Sprachen verteilt! Oder von Makarij Glu-
charev, einem der größten Missionare Rußlands, sagt Glazik, er habe
seine eigene Vergangenheit, „die uns Makarij als einen typischen Vertreter
der alexandrinischen Zeit vor Augen führt", überwinden müssen,
um seine missionarische Aufgabe treu erfüllen zu können (S. 119). Dabei
zeigt alles, was Glazik über Makarij berichtet, daß die großen missionarischen
Impulse bei ihm eben aus jener Zeit und ihrer religiösen
Eigenart herkommen, die Glazik nur mit ein paar abwertenden Schlag-
worten zu diarakterisieren weiß. Überhaupt sind die allgemeinen Urteile
über Rußland und die Orthodoxie die schwächste Seite dieses im
übrigen schönen und nützlichen Buches.

Nach all dem Positiven, was Glazik doch auch über die russische
Heidenmission zu berichten hat, überrascht es den Leser,
wenn er zum Schluß folgende zusammenfassende Urteile zu lesen
bekommt: „Der russischen Kirche fehlte schlechthin das Wissen
um die missionarische Pflicht gegenüber den Heiden" (S. 248).
Mindestens das „schlechthin" ist nach dem, was wir von Glazik
selbst erfahren haben, „schlechthin" falsch. Und die kurz darauf
folgende Behauptung, die russische Kirche habe ihre Arbeit an
den Nicht-Christen nicht aus eigenem Antrieb, sondern im Auftrag
des Staates begonnen, sie habe dabei nicht ein religiöses Ziel
Verfolgt, sondern habe „politischen, allerdings religiös verbrämten
Absichten gedient" — diese Behauptung ist in dieser Form
doch mindestens eine unzulässige Verallgemeinerung.

Kiel-Wellingdorf Ludolf Müller

KUNSTGESCHICHTE

Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Begonnen
von Otto Schmitt t. hrsg. v. Ernst G a 11 und L. H. H e y-
d e n r e i c h. 40.—42. Lfg. Stuttgart und Waldsee: Druckenmüller.

Die 40. und 41. Lfg. des RDK sind weitgehend durch die unter
sich vielfach zusammenhängenden Dreier-Artikel bestimmt,
die einen sehr interessanten Komplex bilden. Das Dreieck (R.
Teufel) wird nach seinen Formen und Konstruktionsmöglich-
keiten ausführlich vorgeführt und in seiner religionsgeschichtlich
uralten Symbolik, die sich bis in die Grundrisse der barocken
Kirchen fortsetzt. (Zum Kirchenbau vgl. noch Drciapsidenanlage,
Dreikonchenplan, Dreipaß, Dreistrahlgewölbe, Dreiturmgruppe,
Drillingsbogen.) Den größten Umfang gewinnt mit einem reichen
Abbildungsmaterial natürlich die Dreifaltigkeit selbst (Bauerreiß
, F e 1 d b u s c h, G u 1 d a n), ein Artikel, dessen reiches
Material jedermann mit Freude studieren wird. Wir bedauern nur
die einseitig katholische Darstellung der dogmatisch-dogmengeschichtlichen
Grundlage. Vor einem Menschenalter hätte man
s'ch gewiß noch gescheut, in einem wissenschaftlich neutralen
Handbuch so handgreifliche Unrichtigkeiten aufzunehmen, wie
sie hier, offenbar ganz unkontrolliert, geboten werden konnten.

Eine runde Behauptung wie die, daß der Glaube an die Dreifaltigkeit
„durch die Offenbarung im AT (!) und NT klar (!) bezeugt" sei
(Sp. 415), kann von keinem Standpunkt aus verantwortet werden. Daß
das Nicaenum „schon auf älteren Vorlagen beruht", ist zum mindesten
recht mißverständlich formuliert. Die erstaunlichen Mitteilungen über

„frühchristliche" (?) afrikanische Grabsteine mit trinitarischen Symbolen
sollten jedenfalls nicht nach einem Dictionnaire von 1877 (!) belegt
werden. Zu Sp. 423 ist zu bemerken, daß die eine „der in Menschengestalt
erscheinenden göttlichen Personen", der zwei Symbole für die
anderen hinzugefügt werden, im Regelfall nur Christus sein kann; das
Gegenbeispiel aus einem romanischen Portal von Perros-Guirec ist eine
fast einzigartige Ausnahme. Zu den gegenreformatorischen Auseinandersetzungen
über das Recht der Dreifaltigkeitsdarstellungen hätte noch auf
H. J e d i n, Entstehung und Tragweite des Trienter Dekrets über die
Bilderverehrung, Theol. Quartalschr. 116 (1935) 165 ff. verwiesen werden
können.

Eine wichtige, nicht ganz ausgeglichene Ergänzung des Hauptartikels
stellen die interessanten Darlegungen über „Dreikopfgottheiten
" (Gg. Troescher) dar, die allerlei Symbolisches,
Dämonisches und Spielerisches behandeln, das auch dort, wo es
trinitarisch gedeutet war, auf ältere religionsgeschichtliche Wurzeln
zurückgehen kann. Nicht nur die hl. Dreieinigkeit, sondern
auch der Teufel wird vielfach dreiköpfig dargestellt. In den gleichen
LImkreis gehören die Dreifaltigkeitssäulen und die barocke
Spielerei der Dreifaltigkeitsringe.

Daran schließen sich sonstige Dreiergruppen. Die fast mehr
liturgie- und religionsgeschichtlich als kunstgeschichtliche Erörterung
der drei Jungfrauen (Fr. Z o e p f 1) betrifft eine höchst verzwickte
Frage der Legende und der Etymologie. Besonders reich
ist die solide Darstellung der Ikonographie, der Zyklen und der
Typologie der drei Könige (St. W a e t z o 1 d). Das Stichwort
..3 Lebende und 3 Tote" (W. Rotz ler) behandelt mit der
kunstgeschichtlichen auch die literaturgeschichtliche Seite dieser
spätmittelalterlichen Legende, deren Darstellung vielfach in den
„Triumph des Todes" und die „Totentänze" übergeht. Das Problem
des in der Mitte des 13. Jhdts. aufkommenden Dreinagelkruzifixes
(K.-A. W i r t h) ist jetzt auch für die Echtheitsdiskussion
um das Turiner Grabtuch bedeutsam geworden.

Sehr amüsant ist die Behandlung der Drolerien (Rosy
Schilling). Ihre Abgrenzung gegen apotropäische Darstellungen
(wie am Wormser Dom) und gegen Symbolisches (wie am
Straßburger Münster) ist nicht immer leicht. Im 16. Jhdt. läuft
dieses Thema in die allgemeinen Teufelsdarstellungen aus. Als
Gegenbild des Heiligen verlor es nach Meinung der Verf. darum
seine Bedeutung, weil der „fortschreitende Realismus" die Travestie
überflüssig machte (Sp. 58 5). Aber hierin spiegeln sich
wohl noch tiefere Verwandlungen der sakralen Haltung. Eine würdige
, große Darstellung findet das Thema des Durchzugs durch
das rote Meer (K.-A. W i r t h) und des Ecce homo (ders. und
^ v. d. O s t e n). Dies Christus-Thema (das vom Schmerzensmann
, dem Gnadenstuhl u. dgl. zu unterscheiden ist) begegnet
vereinzelt in der ottonischen Kunst, um dann erst im 15. Jhdt.
lm Zusammenhang mit der neuen Passionsfrömmigkeit neu aufzutauchen
. Es erscheint alsbald in einer z. T. breit entfalteten
szenischen und in einer konzentrierten, andachtsbildartigen Ty-
Pjk. Der Eckstein (Timmcrs) mit seiner reichen Allegorie gibt
e*L '^bsches Beispiel für die verschiedenen Arten ihrer Veranschaulichung
im Kirchengebäude. Religions- und kulturgeschichtlich
besonders interessant ist der Artikel über die Effigie (Har.
geller), d.h. die lebensgroßen Puppen bestimmter Personen,
d'e bei den Leichenbegängnissen der Antike, aber auch der englischen
und französischen Könige gebraucht wurden. Mit der
deutschen Kunstgeschichte hat dies wie so vieles im RDK kaum
etwas zu tun; denn die bildlichen Darstellungen bei den barocken
Castra doloris hatten eine andere Funktion. In diesem Zusammenhang
wird auch die berühmte oder berüchtigte Figur besprochen,
die 1663 unter Verwendung der echten Totenmaske von Martin
Luther konstruiert wurde.

Weitere technische und kunstgewerbliche Stichworte müssen wir
beiseite lassen. Auf die besonders reizvollen Möbel-Artikel Ebenholz.
Ebenist (Alice Bethe-Kränzner und Jos. G r e b e r), Eckschrank
(P. S c h o e n e n) sowie die „Edelsteine" (H. B e t h e), die durah einen
späteren Artikel über „Steinsymbolik" noch ergänzt werden sollen, sei
wenigstens hingewiesen.

Druckfehler und Versehen: Sp. 415 ff. 1. statt „schließen nicht...
aus" vielmehr: „ermöglichen"; Sp. 481, Z. 10 v.u.; Sp. 501, Z. 9 v. u.;
SP- 502, Z. 20 v. o. 1. „oder" statt „bzw."; Sp. 746, Z. 4 v. u. 1. „Aufbahrung
" für „Aufbewahrung". Sp. 476: es gibt keine „editio Hennecke
" des Protev. Jacobi; Sp. 615 (r. 63 3): für das Aufkommen des
Durchzugs durchs Rote Meer auf den römischen Sarkophagen des 4. Jhdt.