Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1957 Nr. 9

Spalte:

675

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bader, Hermann

Titel/Untertitel:

Die Reifefeiern bei den Ngada (Mittelflores, Indonesien) 1957

Rezensent:

Nevermann, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

675

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 9

676

astrologischen und astromagischen Fachsprache für die Anschauungen
der Einzelvölker und schließlich auch der Urindogermanen
von den Sternen, ihrer Beschaffenheit, ihrem Wesen und ihrer
Wirkung gewinnen läßt".

In diesem Buch blieben unberücksichtigt Milchstraße, Sternschnuppen
und Teile von Sternbildern. Es ist zu hoffen, daß eine
2. Auflage diese Nachträge und auch die beim Abschluß der Arbeit
— 1948 — nicht berücksichtigte und seitdem hinzugekommene
Literatur bringen wird. Dabei wäre zu überlegen, ob nicht die
Sprachschöpfungen im Neuenglischen und Neuhochdeutsch wie
Doppelstern, Blinkstern, flare Star usw. Berücksichtigung verdienen
.

Die Zusammenstellung der Namen für die Planeten, einschließlich
Sonne und Mond, und für die Sternbilder bildet den
Inhalt des Buches. Kometen werden im Anschluß an die Planeten
behandelt. An die Sternbilder schließt sich die bedeutsame Einteilung
des Himmels in die Zwölferfolge (Dodekaoros), in Dekane
und Grade. Immer werden die Gestirnnamen zuerst bei Indern,
dann bei Griechen und Römern und zuletzt bei den anderen Völkern
gebracht. Ausführliche Verzeichnisse erleichtern die Benützung
des inhaltreichen Buches, das am Schluß Bilder des antiken
und modernen Himmels enthält.

Es ist selbstverständlich, daß ein Buch, das unter den schwierigen
Arbeitsbedingungen der Nachkriegszeit geschrieben wurde,
manche Quellen nicht berücksichtigt; so enthalten die Schriften
des Abdias Treu von 165 3 noch manche Namen. Der um 1019
entstandene Sternenmantel Kaiser Heinrichs hat das Bild Marias
mit der Umschrift „Stella Maris Maria", offenbar als Bezeichnung
der Polgegend, wie ich in der Abhandlung „Die astronomischen
Vorlagen des Sternenmantels Kaiser Heinrichs" (33. Bericht d.
Naturforsch. Ges. Bamberg 1952 S. 42) nachwies.

Bamberg E. Zinner

Bader, Hermann, Dr. P. S. V, D.: Die Reifefeiern bei den Ngada

(Mittelflores, Indonesien). Mödling bei Wien: St. Gabriel-Verlag o. J.
VIII. 146 S., 3 Ktn.-Skizzen. 8° = St. Gabrieler Studien XIV. Kart.
DM 11.-.

Die Ngada machen unter den übrigen Stämmen von Flores
in anthropologischer und kultureller Hinsicht den Eindruck von
zugewanderten Fremden. Die Grundlage ihrer Kultur bildet ein
mit dem Ackerbau und dem Mondkult verbundenes Mutterrecht,
aber darüber hat sich ein Vaterrecht mit Spuren von Totemismus
und Sonnenkult gelagert, ohne die immer noch vorherrschende
alte Kultur verdrängen zu können. Auch Elemente der Megalithkultur
mit betontem Ahnenkult sind dazugetreten. Bei den Reifefeiern
fehlen manche Handlungen, die sie zu einer wirklichen
Initiation machen würden, und bei Knaben sind sie darauf beschränkt
, ihnen den Segen der Ahnen für spätere Fruchtbarkeit in
der Ehe zu sichern. Für die Mädchen spielen das Schwärzen der
Zähne, das „kusu-bue"-Fest als Rest eines früheren Menstrua-
tionsfestes und in geringerem Maße auch die Beschneidung eine
größere Rolle, bei der immer wieder das Verlangen nach späterer
Fruchtbarkeit betont wird. Die Beschneidung vorislamischer Art
ist für beide Geschlechter seit alten Zeiten durch eine Art Ersatzbeschneidung
abgelöst. Auffällig ist es, daß den Reifefeiern jeder
orgiastische Zug fehlt und die Ngada darauf besonders stolz sind.
Das mag mit dem vorwiegenden Mutterrecht zusammenhängen.

Sehr zu begrüßen ist die außerordentlich vorsichtige Ausdeutung
der einzelnen Elemente der Feiern und ebenso sehr das
Heranziehen von Vergleichsmaterial von Nachbarstämmen auf
Flores und von anderen indonesischen Völkern gleicher Kulturstufen
. Manches ist absichtlich nicht ausgedeutet worden wie die
besondere Bedeutung, die bei den Ngada im Gegensatz zum übrigen
Indonesien die Zahl sechs hat, aber dafür ist immer wieder
darauf eingegangen, welche Rolle der Kult des höchsten Gottes,
der Erdgöttin und von Mond und Sonne bei den Riten spielen,
wie sie vom Ahnenkult und dem Verlangen nach Fruchtbarkeit
erfüllt sind und wie ihre soziologischen und psychologischen Wirkungen
sind. Besonders erfreulich ist auch die Anordnung des
Textes, die eine leichte Übersicht über das Material und die angebotenen
und sehr einleuchtenden Lösungen ermöglicht.

Berlin H. Nevermann

SCHRIFT UND THEOLOGIE

Hübner, Eberhard, Pfr. Dr. theol.: Schrift und Theologie. Eine Untersuchung
zur Theologie Joh. Chr. K. von Hofmanns. München: Kaiser
1956. 139 S. gr. 8° = Forsdiungen z. Geschichte u. Lehre des Protestantismus
, hrsg. v. E.Wolf, 10. Reihe, Bd. VIII. Kart. DM 8.50.

Die aufschlußreiche und anregende Untersuchung, die im
Jahre 1955 der Theologischen Fakultät zu Basel als Dissertation
vorgelegen hat, ist in dem „weithin zu kurzsichtig" geführten
Streit um die Problematik der Heilsgeschichte für eine tief-strukturierte
und gründliche Erörterung der Fragen von fundamentaler
Bedeutung. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis: „Wer Hofmann
gerecht werden will, muß den Schriftausleger und Methodiker der
Schriftauslegung vor Augen haben. Erst von hier aus wird deutlich
, daß sich sein theologisches Anliegen nicht in der heilsgeschichtlichen
Konzeption erschöpft" (11). Hofmann kann für
das Problem des Verhältnisses von Schrift und Theologie, das H.
in seiner Untersuchung darlegt, wohl prototypische Bedeutung
beanspruchen. Deshalb ist die sorgsame Interpretation der Hof-
mannschen Intention (bzw. deren Umklammerung und Vereitelung
) von besonderer Wichtigkeit. Hofmann, der „in gespanntem
Hinhorchen auf das Zeugnis der Schrift nichts anderes wollte, als
(um es mit seinen eigenen Worten zu sagen) .gegenüber der Höhe
der Zeitbildung ... die demütige aber ewige Wahrheit von Christo
zu stellen' " (139), hat von einer christozentrisch-pneumatologi-
schen Intention her das Problem zu lösen versucht, wie die faktische
Bedeutung der Schrift für die Kirche und den Glauben in
der veränderten Situation theologisch dargestellt und behauptet
werden könne (136).

Der Verfasser kommt u.a. zu folgenden Ergebnissen: Ausgehend
von dem Zentrum der Theologie Hofmanns, der exegetischen
Arbeit, gelangt er zu dem Schluß: „Wir haben bei
Hofmann das interessante Phänomen einer offenbarungsmäßig-
christozentrischen, dabei ausdrücklich kirchlich bestimmten, aber
faktisch anthropologisch-reduzierten, die Entfaltung seiner eigenen
Intention blockierenden Theologie vor uns" (136). Es gelingt
dem Verf., auch den Subjektivismus im allgemeinen intentional
vom Ganzen der Theologie Hofmanns her zu verstehen. Hofmanns
Gebanntsein von dem Thema der Heiligung ist „wahrscheinlich
der tiefste Grund seines von der pietistischen Frömmigkeit und
später vom Idealismus formierten, seinen eigenen Intentionen
widersprechenden Subjektivismus" (137). Der Untersuchung dieser
Bezüge ist das I. Kapitel gewidmet: Schrift und Theologie
. Grundintentionen der Hofmannschen Theologie.

Besonders aufschlußreich dürften in diesem Zusammenhang die
Hinweise auf den Personalismus in der Födertheologie sein (23).
Wie stark Hofmanns Intention der Externität des „Tatbestandes" Raum
zu geben vermag, zeigt etwa eine Briefstelle (32/3 3). Als bedeutsame
Intentionen werden hervorgehoben: „Die christozentrische Substantiierung
in der Frage der Geltung des geschichtlichen Gehaltes der
Schrift und in dem damit implicite gestellten Problem der Überwindung
der zeitlichen Distanz, die diristozentrischc Autorisierung des den Glauben
und die aus ihm herauswachsende Heiligung wirkenden heiligen
Geistes, die ihn grundsätzlich abschirmen will gegen jede Art von Ver-
anthropologisierung" (32). Es gelinge Hofmann immer wieder, aufgrund
seiner Intentionen wichtige theologische Erkenntnisse vorzutragen, aber
immer wieder könne gezeigt werden, wie sein Subjektivismus es verhindere
, solche Erkenntnisse durchzuhalten. Das treffe etwa zu für die
faktisch anthropozentrische Orientierung der Heilsgeschichte (34).

Der Verf. versteht Hofmann als Schrifttheologen im reformatorischen
Sinne. „Die Schrift und die konkrete Kirche in ihrer
Relation zum Glauben sind durchaus der Mutterboden seiner
theologischen Existenz. Der Christ ist notwendig Glied der
Kirche, die sich ihm gegenüber auf die Schrift beruft. Dabei
weist die Reihenfolge Christ, Kirche, Schrift ausdrücklich auf
die kausative Stellung der letzteren hin, die ihren normativen
Rang begründet" (14). In Auseinandersetzung mit Schleiermacher
und der supranaturalistischen Orthodoxie wird dieser Ansatz
Hofmanns profiliert. Gegenüber der Orthodoxie will seine Methode
„dem Wirken des testimonium Spiritus saneti internum
ernsthafter Rechnung tragen"; „der kausative und normative
Rang der Schrift kann nicht in einem supranaturalen, letzten Endes
philosophisch-metaphysischen Axiom gesichert werden" (15).