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Ausgabe:

1957 Nr. 9

Spalte:

667-672

Autor/Hrsg.:

Rost, Leonhard

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1957

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 9

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poetische Stellen finden sich im alten Palästinischen Pentateuch-
Targum'12.

Für welche Zeit haben wir dieses frühe .Targum' anzusetzen?
Wenn wir die allgemeine Schlußfolgerung der Archäologen annehmen
, so muß die Rolle selber vor 70 n. Chr. geschrieben sein.
Die Verwandtschaft mit den Apokryphen und Pseudepigraphen
(besonders dem Buch der Jubiläen) unterstützt diese frühe Datierung
. Vorläufig besitzen wir nicht genügend Material, um die
Epoche der Rolle mit Hilfe linguistischer Kriterien zu identifizieren
. Auch dafür werden wir die Publikation des ganzen Textes
abwarten müssen. Die bisher veröffentlichten Blätter haben
jedoch bereits eine wichtige philologische Tatsache erbracht: die
Rolle macht von dem aramäischen Wort yntX, Gebrauch
(z.B. Col. XXII, Zeile 2, 18, 20), das nicht weniger als 26 mal

") Ed. M. Ginsburger, S. 13.

allein bei Daniel vorkommt, aber niemals im targumischen Aramäisch
. In verschiedenen anderen Fällen treffen wir nicht-tar-
gumischen Sprachgebrauch, z. B. Nnbn (Col. XXII, Zeile 4) im
Sinne von „Tal"; targumisch t*bbn bedeutet eine „Höhle", syrisch
haleta die „Scheide" eines Schwertes. Das Wort DbnnN
(Zeile 5) in der Bedeutung „stark wachsen" ist im Syrischen bezeugt
, aber nicht im targumischen Aramäisch. In sprachlicher Hinsicht
würde die Rolle also in die Zeit des „Alt-Aramäischen"
gehören.

Diese neue Rolle stellt ziemlich sicher unser ältestes niedergeschriebenes
Palästinisches Pentateuch-Targum dar und ist vielleicht
in das 1. Jahrhundert v. Chr. zu datieren. Sowohl in sprachlicher
als auch in literarischer Hinsicht ist es ein unschätzbarer
Zeuge für die aramäische Sprache und Literatur aus der Zeit
Christi.

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

40. Die Anhänge der Ordensregel (1 QSa und 1 QSb)

Von Leonhard Rost, Erlangen

Otto Eißfeldt zum 70. Geburtstag
Otto Eißfeldt, den diese Zeilen zu seinem 70. Geburtstag ■ tung der Heilszeit lebten. Die Ordensregel selbst dagegen ge-
in dankbarer Verehrung grüßen wollen, hat in dieser Zeitschrift j höre der jüngeren Bewegung der Essener an, die den älteren Text
sehr oft zur Feder gegriffen und nicht zuletzt auch zu Fragen um ! aufgenommen und als Anhang zur eigenen Regel weiter tradiert
den Handschriftenfund von Chirbet Qumrän auf diesen Blättern j habe. Das ist ohne Zweifel eine mögliche These. Aber dann ent-
Stellung genommen, und zwar unter der gleichen Sammelüber- ! steht natürlich sofort die Frage: Warum wird der ältere Text,
Schrift als Beiträge Nr. 3—8 und 10, wozu noch einige Buchanzei- ' wenn auch nur anhangsweise, an so bedeutsamer Stelle weiter
gen und Besprechungen treten. So erscheint es nicht nur möglich, 1 überliefert? Und dies um so mehr, als die beiden Herausgeber
sondern gerechtfertigt, wenn im folgenden aus Anlaß seines j betonen: La congregation d'Israel est un grand rassemblement
Ehrentages die Anhänge der Ordensregel (l QSa und 1 QSb) : d'hommes, de femmes, d'enfants (l QSa 14) et l'on prevoit toutes
näher untersucht werden sollen. D. Barthelemy und J. T. Milik j les etapes de l'education de ces derniers (1 QSA I 6—16), y com-
haben die zwei Spalten von 1 QSa auf den Tafeln (XXII), XXIII j pris läge du mariage et les droits de la femme (1 QSa I 9-11).
und XXIV, die Fragmente des zweiten Anhangs (1 QSb) auf den ; Au contraire, la Communaute apparait comme un groupement
Tafeln XXV—XXIX der Discoveries in the Judean Desert L ferme, de structure quasi-monastique, auquel on s'agrege ä l'äge
Qumrän Cave I (Oxford 195 5) wiedergegeben und unter den adulte vraisemblablement, par un postulat suivi de noviciat
Nummern 28a und b von S. 107—130 in Transliteration mit Ein- (1 QSa VI 13—22). So sind es zwei völlig verschiedene Perleitung
und Anmerkungen veröffentlicht. Die Herausgeber dürf- sonenkreise, die in der Ordensregel und im ersten Anhang auf-
ten es bis zur Evidenz erwiesen haben, daß diese beiden Anhänge treten. Warum dann das Nebeneinander der beiden Texte? Ist es
in der von ihnen vorgeschlagenen Folge dem bereits von Miliar etwa die Erinnerung an die frühere Zeit der Erhebung, die man
Burrows unter Mithilfe von John C. Trever und William H. j festhalten möchte, weil man hofft, daß sie wiederkehren könnte
Brownlee unter dem Titel The Dead Sea Scrolls of St. Mark's ! als eine das ganze Volk mit neuem Geist erfüllende und zu
Monastery Volume II, Fascicle 2: Plates and Transcription of i neuen Formen führende Bewegung, während man gleichzeitig
the Manual of Discipline veröffentlichten Corpus der Ordens- ; einsah, daß für die Gegenwart nur ein aus der Gesamtheit
regel angefügt gewesen 6ind. Zwar schließt Columne 11 der Or- heraustretender Kreis entschlossener Männer durch freiwillige
densregel so, daß mehr als ein Drittel des verfügbaren Raumes Selbstbindung in einer Art mönchischer Gemeinschaft nötig und
leer bleibt, ganz abgesehen davon, daß der auf Sp. 10 einsetzende i möglich sei, der durch seine Existenz sozusagen der ständige
Psalm einen deutlichen Abschluß bilden will; aber die Heftspuren ! Gewissensstachel für die Gesamtheit des Volkes wäre? Das ist
am freien Rand der Sp. 11 zeigen, daß noch mindestens ein wei- I eine Arbeitshypothese, die sich m. E. wohl verteidigen ließe,
teres Blatt angeheftet war, die Überschrift abeir deutet trotz 1 Aber es handelt sich ja gar nicht um diesen kurzen Anhang allein,
ihres fragmentarischen Bestandes auf mindestens einen weiteren j Hinter ihm war nach der doch wohl begründeten Meinung der
Text als Inhalt der Rolle. Weitere Gründe möge man bei den < Herausgeber noch ein zweiter Anhang, der mindestens 5 Spalten,
Herausgebern nachlesen. Hier genügt die Feststellung, daß der j vielleicht sogar deren 6 enthalten hat und leider nur in sehr frag-

erste Anhang — und über diesen ist zuerst zu handeln — zwar
an den größeren Text angefügt worden ist, aber nicht von Anfang
an in einem inneren Zusammenhang mit diesem gestanden
hat. Undenkbar wäre sonst der feierliche Abschluß in Sp. 11, unwahrscheinlich
das Freibleiben des Restes der Spalte und der

mentarischen Resten auf uns gekommen ist. Er enthält Gebetsformulare
, die stärker die Situation des ersten Anhangs als die
der Ordensregel voraussetzen. Das vereinte Gewicht dieser beiden
Anhänge muß berücksichtigt werden. Sind damit, daß Anhänge
, die mehr als die Hälfte des Grundtextes umfassen, nicht

Neuanfang einer Columne. Das ist freilich nur die eine Seite der I der Pietät allzu große Opfer an Raum zugemutet? Oder soll man
gegenseitigen Beziehungen. Denn nun steht doch auch wiederum j annehmen, der Schreiber habe so wenig Übersicht über den Umfest
, daß die beiden Spalten als ein erster Anhang angefügt worden
sind, daß also zum mindesten der Schreiber eine gewisse
Affinität der beiden Texte, die er kopierte, feststellte, so daß
er sie in eine Rolle zusammenordnete. Diese Verwandtschaft
läßt sich sehr leicht auf sprachlichem Gebiet feststellen, aber auch
auf inhaltlichem. Hier wie dort ist von der Einung (irr die
Rede, wenngleich Barthelemy und Milik sehr recht haben, wenn
sie darauf hinweisen, daß 1 QSa von der fiTS redet und das Wort
"irr seltener auftritt. Dazu sei dieser Anhang viel stärker eschato-
logisch bestimmt als die Ordensregel. Aus diesen und anderen
Gründen schließen sie, daß der erste Anhang älter sei als die
Ordensregel und noch in die makkabäische Kampfzeit gehöre,
als sich Gruppen von Chasidim bildeten, die in der Naherwar-

fang des von ihm zu schreibenden oder zu kopierenden Textes
gehabt, daß er eine viel zu große Rolle wählte und nun aus
einem horror vacui heraus den älteren Text lediglich als Füllmaterial
verwendet hat? Das ist wenig wahrscheinlich. Dazu war
das Material zu kostbar. Dann muß aber doch ein innerer Zusammenhang
zwischen den Texten bestehen, der über das weithin
gleiche Vokabular hinausreicht. Läßt sich dieser Zusammenhang
eruieren? Man wird es versuchen müssen.

Die Texte S und Sa werden zusammengeknüpft durch die
1 QS Vi (VI 8) und 1 QSa I 1. 6. auftretende Formel -pon fTTV
Nur mit dem Unterschied, daß in 1 QS V 1 die Fortsetzung lautet
-irrn "«ansA und 1 QSa I 1 fortfährt btOttr rraVob- Das heißt
aber, wie schon Barthelemy und Milik gesehen haben, die beiden