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Ausgabe:

1957 Nr. 1

Spalte:

44-45

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Bernards, Matthäus

Titel/Untertitel:

Speculum virginum 1957

Rezensent:

Kleineidam, Erich

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 1

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Lämmer" und spricht dann von der einen Kathedra und von dem Primat
des Petrus. Fassung B dagegen erwähnt diese beiden Stichworte nicht,
sondern erweist nach dem Zitat Joh. 20, 21—23 die Einheit der Kirche
aus Hohemlied 6, 8 und Eph. 4, 4—6. Man hat diesen Befund verschieden
beurteilt. Seit dem Erscheinen der Wiener Ausgabe galt die Fassung
A lange als interpoliert, so neuerdings wieder bei Le Moyne (Revue
Benedictine 63, 1953, 70—115). Andere Forscher wie J. Chapman und
kürzlich M. Bevenot (Journal of Theological Studies N. S. V, 1954,
19—3 5) erklärten beide Fassungen für echt, und mit beachtenswerten
Gründen wurde die von der Kathedra und dem Primat sprechende Textform
A als die ältere aufgefaßt, die Cyprian während des Ketzertaufstreites
selbst überarbeitet habe zur Fassung B. Ludwig wandelt aus
formalen und inhaltlichen Gründen die letztgenannte Auffassung dahin
ab, daß er die Überarbeitung nicht mehr auf Cyprian selber zurückführt.
Er deutet den Text A so, daß Cyprian mit dem Primat nur einen zeitlichen
Vorrang (und damit einen Ehrenvorrang) meinte, durch den Petrus
zum Sinnbild des einen Bischofsamtes und der gesamtkirchlichen,
von allen Bischöfen in gleicher Weise verbürgten Einheit wird. So verstanden
unterscheiden sich die beiden Textfassungen nicht mehr wesentlich
und beide könnten echt sein; denn das kirchengeschichtliche Problem
ist gelöst: Cyprian bezeugt keinen römischen Jurisdiktionsprimat.
Es bleibt aber das philologische Problem, ob Cyprian das Wort „Primat"
wirklich symbolisch gebraucht hat. Nach Ludwig tat er es, bis Stephan
von Rom ihm die rechtlich-amtliche Deutung von Mt. 16, 18 f. entgegenhielt
. Da sei Cyprian an seiner Deutung irre geworden, habe sich
aber in der Melancholie des Schweigens davor bewahrt, zum Schismatiker
zu werden. So wäre denn in Ludwigs Deutung Cyprian durch sein
Schweigen doch zum Zeugen für das Recht des römischen Primatsanspruches
geworden — und das philologische Problem indirekt doch wieder
zum kirchengeschichtlichen! Aber der philologische Beweis ist nicht
überzeugend. Da Cyprian in Brief 71,3 das Wort „Primat" wahrscheinlich
rechtlich gemeint hat (anders freilich Bevenot S. 27), wird es auch
in De eccl. unitate 4 denselben Sinn haben und daher gegen die Echtheit
dieser Fassung sprechen. — Beachtenswert ist noch Ludwigs
Vorschlag, in Brief 59, 14 die schwierigen Worte „ad Petri cathedram
adque ad ecclesiam principalem, unde unitas sacerdotalis exorta est"
als von Cyprian zitierte Meinung karthagischer Gegner anzusehen.
Bad Godesberg Heinrich Karpp

K o e p p e r, Gustav: Kyrie Eleison. Roman einer Zeitwende. Berlin:
Union Verlag 1955. 366 S. 8°.

Das vorliegende Buch erhebt als historischer Roman — der Untertitel
„Roman einer Zeitwende" führt ja auf dasselbe literarische Genos
hin — keinen Anspruch auf wissenschaftliche Geltung und Gültigkeit.
Er ist infolgedessen relativ frei in seinen Möglichkeiten, die Begegnung
des frühen Christentums mit dem Heidentum der flavischen Zeit auf
immerhin quellenmäßiger Grundlage anschaulich und aktuell zu schildern
, wobei als besonderes Anliegen des Verf. die Bindung und Wechselwirkung
der religiös-moralischen und der sozialen Probleme der Zeit
hervortritt. In teilweise allerdings etwas modernisierender Sicht, wie
sie aus den zeitgenössischen Zeugnissen heraus nicht berechtigt ist, verfolgt
er an der „Geschichte" des Meisters Fuscus und seiner Umgebung
das Schicksal des Christentums und der Christenheit unter den Kaisern
Titus und Domitian in sehr spannender und teilweise dramatisch-mitreißender
Darstellung. Die geschickte Führung der Fabel ermöglicht es,
eine große Zahl unterschiedlichster Personen und Personengruppen, wie
verschiedenster Berufe, Erwerbszweige und Lebenssituationen vor Augen
zu führen, wobei der zügige Ablauf der Handlung häufig durch Reflexionen
über die Zeitsituation und über die Situation des Menschen
überhaupt unterbrochen wird, die meist in Dialogform gegeben werden.
Auf diese Weise ist es auch möglich, geistig führende Männer wie
Quintilian oder Martial auftreten zu lassen, die neben dem Staat und
seinen Beamten gewissermaßen den Gegenpol zu den auftretenden
Christen darstellen.

Einige Bemerkungen nur zu Einzelheiten: die geographischen Beziehungen
sind nicht immer klar (S. 82 ff.: Sardinien-Korsika-Nordafrika
), Verwechslungen von Begriffen wie Consul-Consular (89 ff.)
für den Durchschnittsleser verwirrend. Die geschickt eingeschobene
Schilderung der Cäsaren von Tiberius bis auf Vespasian (S. 50 ff.) zeigt
zahlreiche Ungenauigkeiten.

Im ganzen kann aber gesagt werden, daß das Buch bestimmt einen
wichtigen Platz in der christlichen Romanliteratur behaupten wird.

Halle/Saale__H.-J Diesner

Camelot, P. Th.: Bulletin d'histoire des doctrines diretiennes.
Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques XL, 1956 S. 566
bis 596.

Scheidweiler, Felix: Marceil von Ancyra.

ZNW 46, 1955 S. 202—214.
— Eine arianische Predigt über den Teufel.

ZKG LXVII, 1955/56 S. 132-140.

S m o t h e r s, Edgar R.: The Excavations under Saint Peter's.
Theological Studies 17, 1956 S. 293—321.

Solignac, A.: La condition de l'homme pecheur d'apres Saint Augustin
.

Nouvelle Revue Theologique 88, 1956 S. 359—387.
Strecker, Georg: Christentum und Judentum in den ersten beiden
Jahrhunderten.

Evangelische Theologie 16, 1956 S. 458—477.
Suggs, Jack M.: Eusebius' Text of John in the „Writings against
Marcellus".

Journal of Biblical Literature LXXV, 1956 S. 137—142.
Tetz, Martin: Zur Edition der dogmatischen Schriften des Athanasius

von Alexandrien. Ein kritischer Beitrag.

ZKG LXVII, 1955/56 S. 1-28.
Trooster, S.: De Heilige Geest en de menswording bij de Griekse

Vaders.

Bijdragen. Tijdschrift voor Philosophie en Theologie 17, 1956 S. 117
bis 151.

KIRCH EN GESCHICHTE: MITTELALTER

B e rn a r ds, Matthäus: Speculum Virginum. Geistigkeit und Seelenleben
der Frau im Hochmittelalter. Köln/Graz: Böhlau 1955. XVI,
262 S., 8Taf. gr. 8° = Forschungen zur Volkskunde Bd. 36/38. Kart.
DM 18.-.

Bei der Stellung, die die Frau in den letzten Jahrzehnten
sich errungen hat, ist es erstaunlich, daß wir über die Geschichte
der Frau immer noch sehr wenig wissen. Das gilt vor allem für
das Mittelalter. Der Satz Albert Haucks: „Wir wissen wenig von
den religiösen Anschauungen und Stimmungen, in denen die
weibliche Welt in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters
lebte" (Kirchengeschichte Deutschlands IV 416), gilt eigentlich
auch heute noch. Die letzte Darstellung gab Heinrich Finke in
seinem Büchlein „Die Frau im Mittelalter" (Kösel-Pustet 1913),
das auch heut noch in seiner anregenden, geistreichen Art durchaus
lesenswert ist. Es sind Vorträge aus dem Jahre 1908/09;
Finke schreibt selbst von ihnen: „Es ist eine lose Zusammenlese
aus recht vielen Büchern, aus oft zerstreutem Material, untermischt
mit einzelnem Neuem, das ich auf Spezialgebieten zusammengetragen
habe." (Vorwort XII). Das Büchlein gab einen ersten
Überblick über die Zeit von 500 bis 1500; aber wer wollte
erwarten, daß man auf 130 Seiten einen so langen, innerlich so
differenzierten Zeitraum einigermaßen ausreichend charakterisieren
könnte? Besonders das hohe Mittelalter kam zu kurz, zumal
hier die Quellen sehr spärlich fließen. Wenn wir sachlich in
der Forschung weiter kommen wollen, wird nur ein Weg möglich
sein: durch entsagungsvolle Kleinarbeit für einen bestimmten
, umgrenzten Zeitraum Klarheit über die Stellung der Frau zu
schaffen, indem in mühsamer und geduldiger Einzelforschung die
wenigen vorhandenen Quellenschriften eindringlich interpretiert
und aus umfassender Kenntnis der geistigen Umwelt gewürdigt
werden. Einer solchen Arbeit hat sich M. Bernards unterzogen;
er wählte sich das weitverbreitete Speculum virginum, das in 35
lateinischen, in 19 mittelniederdeutschen und einer altschwedischen
Handschrift erhalten ist, aber bisher nie gedruckt wurde,
um diese für Frauen geschriebene Anweisung zum Ausgangspunkt
für die Erforschung der geistigen Lage der damaligen Klosterfrauen
zu nehmen. Der Verfasser dieser stilistisch gewandten, in
einem herzlichen Ton als Zwiegespräch geschriebenen Schrift ist
unbekannt; sie dürfte um 1100 entstanden sein; anscheinend benutzte
sie schon Bernhard von Clairvaux in einem um 1127 geschriebenen
Briefe (ep. 42); ein Auszug aus dem Speculum findet
sich bereits in einer datierten Handschrift aus dem Jahre 1133.
Die Schrift stammt sicher nicht aus der geistigen Sphäre von
Cluny, noch weniger aus der religiös viel intensiveren Welt der
Zisterzienserinnen. Die bernhardinische Glut fehlt ihr noch, sie
ist viel nüchterner und objektiver. Jegliche übersteigerte, sensationelle
, ekstatische Frömmigkeit, wie wir sie aus den Frauenklöstern
des späten Mittelalters kennen, ist ihr unbekannt; sie
trägt noch durchaus die Züge der romanischen, objektiv ausgerichteten
religiösen Geistigkeit. Sie spricht wenig vom Sündenbewußtsein
, von Beichte und Selbsterkenntnis; eine eucharistische
Frömmigkeit fehlt noch; ja nicht einmal das Privatgebet ist erwähnt
. Die Demut gilt als Grundtugend. Auffällig ist, daß das