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Ausgabe:

1957 Nr. 8

Spalte:

627-628

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Bovet, Theodor

Titel/Untertitel:

Weg und Sinn 1957

Rezensent:

Hupfeld, Renatus

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 8

628

kommt es ferner, daß gar nicht gefragt wird nach dem tatsächlich
in unseren Gemeinden gelebten und vollzogenen Ethos, und wie
sich dies etwa zu dem radikalen Liebesgebot des NT und zur
Bergpredigt verhalte? Sind dies alles keine Grundfragen? Wir
meinen, daß sie wissenschaftlich wie kirchlich-praktisch gesehen
ebenso wichtig sind v/ie die Erschöpfung der ganzen „Variationsbreite
möglicher Lösungen" in der prinzipiell - theologischen
Grundlegung, um H. Thielicke zu zitieren (S. XXIII). In dem
offenkundigen Mißverhältnis dieser beiden Elemente — das nun
freilich nicht durch diesen Band und seine Einleitung behoben
werden konnte — liegt berechtigterweise die Unruhe, das Nicht-
Befriedigtsein sehr vieler Laien begründet, die sich heute mit
ihren Fragen an die theologische Ethik wenden, und so bringt
das vorliegende Sammelwerk gerade in dieser Hinsicht „Größe
und Elend der protestantischen Theologie" klar zum Ausdruck,
von welchen gleichfalls die Einleitung spricht (S. XIX).

Damit macht dieser Quellenband evangelischer Ethik auf
große Aufgaben aufmerksam, vor denen die heutige theologische
Ethik steht, vorzüglich die Aufgabe einer Konkretion, durch die
sie der praktisch-ethischen Verkündigung einen Dienst erweisen
könnte und sollte, welche ihrerseits schon längst nicht mehr mit
den traditionellen Schemata und gewohnten Konventionen auskommt
, wie man in der christlichen Linterweisung, Jugendarbeit
oder auf evangelischen Akademien täglich erfahren kann. —
Ebenso sicher ist es, daß diese dankenswerte Zusammenstellung
noch zu mancherlei anderen, etwa systematischen Erwägungen
'Anlaß bietet. So erweist es sich, daß die große Arbeit, die in diesem
Werke steckt, nicht umsonst geleistet worden ist, gerade
weil es Fragen aufwirft, die über seine Möglichkeiten und Grenzen
hinausführen.

Münster^'W. Heinz-Dietrich Wendland

B o v e t, Theodor: Weg und Sinn. Führung durch die Lebensalter.
Tübingen: Katzmann [1955]. 178 S. 8°. L^v. DM 9.80.

Ein Buch, das dem heutigen Menschen in der Bewältigung
der ihm immer wieder in seinem Leben je nach seinem Alter neugestellten
Probleme helfen will, muß gerade heutzutage, wo festgefügte
Ordnungen der Vergangenheit fragwürdig geworden sind,
als im höchsten Maße aktuell angesehen werden. Daß dabei Dr.
Th. Bovet, der sich schon vor allem durch sein Ehebuch, aber
auch durch manche andere Schriften in gleichem Maße als ein
Arzt, der auf dem Gebiet des körperlich-seelischen Lebens Bescheid
weiß, wie als Seelorger, der tief im christlichen Glauben
verwurzelt ist, erwiesen hat, ein besonderes Recht hat gehört
zu werden, liegt auf der Hand. In der Tat kann denn auch dieses
Buch zu nachdenkender Lektüre nur jedem empfohlen v/erden,
vor allem vielleicht solchen, die in der Mitte des Lebens stehen.
Wer für Kinder und Jugendliche verantwortlich zu sorgen hat,
dem kann es Verständnis für das, was sie durdimachen und wessen
sie bedürfen, und deshalb auch viel guten Rat vermitteln.
Ebenso kann es denen, die in der Ehe oder im Beruf mitten im
Leben stehen, manche Perspektiven auch für ihnen vielleicht
fremde oder unheimliche Erscheinungen z. B. des sexuellen Lebens
, oder auch des Stehens in der Gemeinschaft oder der Arbeitsverhältnisse
eröffnen. Denen, die zugleich einen gewissen
Horror vor dem haben, was ihnen als Alter oder auch als Lebenshemmung
begegnen könnte, eröffnet es in feiner Weise den Weg
zu einer echten Gotteskindschaft, die auch das, was das Leben
schwer macht, aus Gottes Hand hinnimmt, dazu, daß man sich
Christus anvertraut als dem, der den Zugang zu einem Leben,
das selbst durch den Tod nicht in Frage zu stellen ist, aufschließt.

Es ist selbstverständlich, daß man bei einem so umfassenden
Buch bei manchen Abschnitten auch Bedenken haben kann, die
vielleicht sogar auch der Gesamtkonzeption gegenüber skeptisch
machen. Es hängt zweifellos damit, daß Bovet sehr verschiedene
Ansätze miteinander verbinden möchte, zusammen, daß sich gelegentlich
innere Unausgeglichenheiten einstellen, die die Freude
an seinen Ausführungen etwas dämpfen. Christlicher Glaube
daran, daß Lebensbewältigung nur aus dem Überwältigtwerden
von Gottes Liebe her möglich ist, „Moralische Aufrüstung" und
Psychoanalyse, diese drei Bereiche sind nicht leicht auf einen
Nenner zu bringen. Es wird im ganzen doch der menschlichen

Fähigkeit, Gottes Reich bauen zu können, Gottes Willen radikal
verwirklichen zu können, reichlich viel zugetraut. „Wenn wir
jeden Augenblick unseres Lebens als von Gott gegeben betrachten
und genau das tun, was seinem Willen entspricht, dann werden
wir erleben, daß sich alle Türen vor uns öffnen, als besäßen
wir jeweils den richtigen Schlüssel" (S. 123) — dieser Satz und
all das, was darauf folgt und im wesentlichen dem Gedankenkreis
der MRA entnommen ist, lassen uns das Fertigwerden mit dem
Willen Gottes leichter erscheinen, als es der biblischen Wahrheit
und der Erfahrung entspricht. Der Verfasser würde vielleicht auf
diesen Einwand antworten, daß doch die letzten Kapitel über
Anfechtung, Versuchung etc. nicht überlesen werden dürfen.
Ganz gewiß, wer das Buch als Ganzes auf sich wirken läßt,
wird so viel Tiefes und Feines ihm entnehmen können, daß es
ihn schon nicht in die Irre führen wird. Vielleicht ist es sogar
gut, daß es solche von Nichttheologen geschriebene Bücher gibt,
die manches, was uns Theologen Not bereitet, unproblematischer
nehmen. Jedenfalls möchte man dies Buch in den Händen vieler
wissen, die es nicht etwa nur kurz durchfliegen, sondern die sich,
aber in kritischer Besonnenheit, immer wieder einmal für bestimmte
Fragen aus ihm Rat und Weisung holen.

Heidelberg R. Hupfeld

Leenhardt, H.: Chronique: Evangile, vie conjugale et eclibat.

ßtudes Theologiques et Religieuses 32, 1957 S. 50—59.
O'Sulllvan, Donal: Towards a spirituality of marriage.

Theology Digest IV, 1956 S. 140—144.
P 1 e, A.: The virtue of chastity.

Theology Digest V, 1957 S. 13—17.

RELIGIONSPÄDAGOGIK

Niemeier, Gottfried, Oberkirchenrat Dr. theol. Dr. phil., und
Uhsadel, Walter, Dr.phil.: Kirche und Schule. Heidelberg: Quelle
& Meyer [1956]. 119 S. 8°. Kart. DM 4.60.

Das Verhältnis von Kirche und Schule im Vorkriegsdeutschland
ist durch die Vergangenheit stark belastet und dadurch auch heute
vielfach noch ein schwieriges Problem. Man braucht nur an die
immer noch heiß umstrittene Frage der kirchlichen Einsichtnahme
in den Religionsunterricht oder an den Komplex der „geistlichen
Schulaufsicht" zu denken, um immer wieder zu erleben, wie
schwer die Mißverständnisse und Spannungen zwischen Kirche und
Schule, Geistlichen und Lehrern, Theologie und Pädagogik zu beseitigen
sind. Überblickt man den langen Weg in der Geschichte
des deutschen Bildungswesens, den Kirche und Schule miteinander
gegangen sind, dann muß man in der Tat feststellen, daß sich
beide immer weiter auseinander entwickelt haben. F. Paulsen
hatte schon recht, wenn er als die beherrschende Richtung in der
Geschichte der Schule ihre fortschreitende Verstaatlichung und
Verweltlichung bezeichnet hat. Wie F. A. Diesterweg es als geistiger
Führer der Volksschullehrerschaft vor hundert Jahren gefordert
hat, haben sich Schule und Pädagogik immer mehr von der
Kirche und Theologie „emaneipiert", und umgekehrt haben
Kirche, Pfarrer und Theologie den Kontakt mit einer vom „Humanismus
" geprägten Schule, einer mündig gewordenen Lehrerschaft
und einer „autonomen" Pädagogik immer mehr verloren.

Nun ist es erfreulicherweise in den letzten Jahrzehnten zu
einem Gespräch zwischen Theologie und Pädagogik gekommen,
durch das in Westdeutschland das Verhältnis zwischen Kirche und
Schule nach 1945 stark entspannt worden ist und Pfarrer und
Lehrer 6ich wieder näher gekommen sind. Als Ausdruck und als
Förderung dieser Begegnung ist die kleine Schrift „Kirche und
Schule" zu werten, die von dem Schulreferenten in der Kirchenkanzlei
der EKiD in Hannover G. Niemeier und von dem bisherigen
religionspädagogischen Dozenten an der Universität Hamburg
, jetzt Prof. für praktische Theologie in Tübingen, W.
Uhsadel herausgegeben und verfaßt ist. Beide Mitarbeiter
bringen durch ihre Stellung und bisherige Arbeit die Voraussetzungen
mit, durch ihre Beiträge einsichtig zu machen, „daß Theologie
und Kirche heute an einem Neueinsatz interessiert sind..