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1957 Nr. 8

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 8

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1942 mit seiner Frau und Stieftochter in den Tod gegangen, als
er keinen Weg und Ausweg mehr für die Seinen und sich sah.
Ihn hat lange Zeit vorher die Frage beschäftigt, was die Sünde
wider den Heiligen Geist sei und was nicht und ob der Selbstmord
unter diese Sünde falle oder nicht.

Reinhold Schneider urteilt über dieses Ende wohl mit Recht:
„In den letzten Tagen oder Stunden war er allein mit denen, die
er beschützen sollte, seiner Frau und der jüngsten Tochter.
Wahrscheinlich verstand er dieses Verlassensein, das Scheitern
aller seiner ritterlichen Mühen, den totalen Verrat der „Welt"
als Gottes Ruf, das Versagen der Hilfe als Gottes Anwesenheit.

Er war an eine Stelle genötigt worden, von der niemand
zurückkehrt — und also können die Lebenden nicht urteilen über
die Entscheidung, die er dort vollzog. Uns geht nur an, was vor
diesem Geheimnis liegt, dem letzten Ich und Du zwischen dem
Menschen und dem furchtbaren Vater —: diese unsere schlimme
Wirklichkeit, unsere Schuld, die Verhärtung der Herzen."

Zum Schluß darf ich einen Abschnitt aus den Tagebüchern
hierher setzen, um einen Eindruck von ihrem Inhalt zu vermitteln
:

13. 6. 40 — Donnerstag.

Hilf du mein Gott, deinem Knechte, der sich verläßt auf dich.

Psalm 86, 2

Über mich ist eine Müdigkeit gekommen, die von Monat zu Monat
mehr zur inneren Lähmung wird. Alle Hoffnung in mir ist ausgelöscht.
Es bleibt das Leben als Überwindung. Es gibt nichts Dankenswertes, wofür
ich nicht dankte. Aber was hilfts? Die Lähmung besteht für sich und
ist durch keine dankbare Einsicht zu heilen.

Der Kampf ums Buch — liebevolle häusliche Leben: dies sind die
letzten beiden Bezirke, in die ich midi zurückgezogen habe, liegen sieben
doch seelisch zu schwere Jahre hinter mir? Keine Verwundung
aber von außen her ist so schwer, wie die von innen her, die midi jeden
Tag an Paulus denken läßt: „Mir ist gegeben ein Pfahl ins Fleisch,
nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf daß ich
midi nicht überhebe. Dafür ich dreimal zum Herrn gefleht habe, daß er
von mir wiche. Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade
genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig."

. . . Hanni sieht nichts lieber, als daß wir uns auf den kleinsten
Kreis zurückziehen und arbeiten. Aber ich bin nicht mehr schöpferisch.
... Ich sehe mit Schrecken, daß Wirkung und Erfolg kein Ansporn
sind, so hoch ihr Wert und ihre Heilkraft als Bestätigung sind. Mir ist,
als würde ich immer widerstandsloser und gelähmter in etwas Schweres
und Dunkles hinabgezogen, das ich nicht kenne. Aber die verklärte
Welt sehe ich immer im Glanz. Der Glaube kann nicht mehr irre werden
, nun helfe Gott hindurch...

Arbeiten dürfen, Sinnvolles tun dürfen, heraus aus dieser quälenden
Verzettelung und Einschnürung eines politischen Apparates, der
sich gegen die richtet, die zu den zuverlässigsten Bürgern eines Staates
geschaffen sind. Ich lege alles hin, was nicht unmittelbar meine schwere
Sache des Schreibens ist. Auch hier gilt: „Trachtet am ersten nach dem
Reiche Gottes, so wird euch solches alles zufallen." . . .

Die Welt ist nur erträglich, weil der noch einmal wiederkommen
wird, der sie überwand. .. .

Heute sagte Hanni von selbst: „Zwänge man sich nicht, innerlich
ganz primitiv zu leben, eine Stunde des Nachdenkens müßte einen
wahnsinnig machen."

Hanni leidet am schwersten an der Ungerechtigkeit.

Wie viel lastet auf den einzelnen Familien außer dem Krieg! Ein
mir bekannter Staatsanwalt G. hat sich erschossen, weil er den Kriegsdienst
nicht ertrug. ... Ein uns gut bekannter Freund von K. im Irrenhaus
!"

Möchten Kleppers Tagebücher, wie sie uns hier vorliegen,
vielen in unserer Kirche und in unserem Volk den Dienst tun,
daß sie beginnen, das furchtbare Geschehen von 1933—1945
wirklich innerlich zu verarbeiten. Es ist bis heute unsere Not, daß
das weithin noch nicht geschehen ist, ja von vielen schroff abgelehnt
wird.

Frankfurt/Main Wilhelm Fresenius

F 1 ei s c h h a c k, Marianne (Hrsg.): Christliche Lyrik. Eine Sammlung
von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin: Union-Verlag 1954.
307 S. 8° = Die Perlenkette Bd. X.

Der schön ausgestattete Band, dem die Herausgeberin, Marianne
Fleischhack, eine angenehm zu lesende und der Sache angemessene
Einleitung vorausschickt, ist ein Erbauungsbuch im
besten Sinne. Die reichhaltige Sammlung deutscher Lyrik aus
11 Jahrhunderten spiegelt lebendige Tradition, die den Wechsel
der Zeiten in Formen und Bildern, in Sprache und Stil enthält,
ihrem Gehalt nach aber sich gleich blieb und in der Gegenwart so
frisch wie nur je sich entfaltet. — Der Tageskreis; die christlichen
Feste: Weihnachten, Ostern, Pfingsten; Gottvater und Jesus
Christus; Lob und Dank; Tod, Ewigkeit und Gebet; In Anfechtung
, Geborgenheit, Verheißung und Heiliges Abendmahl sind
die Themen, unter die sich die Gedichte aus den verschiedenen
Epochen christlich deutscher Entwicklung, zyklisch geordnet, zusammenfügen
. Ein Autorenverzeichnis am Ende des Buches gibt
Aufschluß über die Lebensdaten der 132 vertretenen Dichter und
enthält knapp charakterisierende Hinweise über Beruf, Verfasserschaften
oder sonst Erwähnenswertes; gelegentlich wird die Ausgabe
genannt, der die angeführten Gedichte entnommen sind.
Das Buch kann in der praktischen Arbeit des Theologen sehr
gute Dienste tun und ermöglicht dem Kenner unerwartete Entdeckungen
.

Greifswald Hildegard E m m e 1

Baker, Carlos: William Blake — Soldier of Christ.

Theology Today XIV, 1957 S. 80—88.
Blieffert, Hans-Jürgen: Humanismus und Christentum bei Thomas

Mann.

Die Zeichen der Zeit 11, 1957 S. 53—60.

Ostarhild, Friedrich: Der Einbruch des Journalismus in die biblische
Archäologie.
Freies Christentum 9, 1957 S. 7 f.

Prager, Gerhard: Poetische Existenz im Hörspiel.
Eckart 26, 1957 S. 160—165.

Rüsch, Ernst Gerhard: Über ein Liebesgedicht von Ricarda Huch.
Theologische Zeitschrift 13, 19 57 S. 42—60.

Schröder, Werner: Bemerkungen zu einem neuen Wolfram-Buch.
Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-
Wittenberg. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe V, 1956
S. 1207—1214.

Seebaß, Friedrich: Hölderlins Christushymne „Friedensfeier". Zur

Geschichte ihrer Deutung.

Eckart 26, 1957 S. 138—146.
Vahanian, Gabriel: The Empty Cradle.

Theology Today XIII, 1957 S. 521—526.

PHILOSOPHIE UND RELIGI0NSPH1L0S0PHIE

Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft.

— Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. Wiesbaden: Insel-
Verlag o. J. 724 S. u. 896 S. kl. 8° = Immanuel Kant Werke in
6 Bänden, hrsg. v. W. Weisdiedel Bd. II u. IV. Lw. DM 22.— u.
DM 2 5.-.

Von vielen Seiten ist in letzter Zeit der Wunsch geäußert
worden nach einer neuen Ausgabe von Kants Werken, die für
bescheidene Mittel, zumal der studierenden Jugend erschwinglich
ist. Die älteren Ausgaben sind selten und nur noch im Antiquariat
aufzufinden, die Ausgabe der Akademie der Wissenschaften
übersteigt die Mittel bei weitem. Zur Zeit fehlen auch wichtige
Bände.

Der Insel-Verlag hat es nun übernommen, diesem Bedürfnis
zu entsprechen. Sechs Bände sind vorgesehen, die durch einen
Subskriptionspreis zu erhalten sind. Ihr Herausgeber ist Wilhelm
Weischedel.

Wie schon früher geschehen, so erkennt auch W. die Notwendigkeit
an, den Text der Werke einheitlich zu gestalten, da
die verschiedenen Schriften zeitlich auseinander liegen, in verschiedenen
Zeitschriften herausgegeben sind und z. T. im Auftrage
von Schülern. Das gilt für Sprache und Interpunktion.
W. will sich so eng wie möglich an die Originalausgaben anschließen
, aber doch dem Leser die Aufgabe erleichtern. Er modernisiert
vorsichtig. Stichproben haben mir gezeigt, daß der Neudruck
z. T. konservativer, z. T. moderner ist als der der Akademie
-Ausgabe.

Sehr umstritten ist die Frage der Einteilung der Kant-Schriften
. Ich glaube, daß sich Dilthey die größten Verdienste um eine