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Ausgabe:

1957 Nr. 8

Spalte:

598-600

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Touraine, Anjou

Titel/Untertitel:

Maine und Bretagne 1957

Rezensent:

Werner, Karl Ferdinand

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597

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 8

598

monien" gehorchte und sich von der Zukunft zur Vergangenheit
bewegte, ohne Veränderung und Altern zu bewirken, ist mit dem
Fall die Unordnung in die Zeit eingezogen. Sie hat ihren Gang
beschleunigt, einen aufbrauchenden, auflösenden Charakter „beraubender
Negativität" erhalten. Die Augenblicke der Gegenwart
sind immer bereit, auseinanderzubrechen — ein Hinweis auf
die Zerrissenheit unseres innersten Seins (S. 108 u. 35). Die Zeit,
welche die Hoffnung mit sich führt, führt auch die Verzweiflung
mit. Hier berühren sich die Analysen Augustins mit dem modernen
Existentialismus. Aber Augustin sucht nicht, wie Heidegger,
aus der phänomenologischen Analyse der Existenz das Sein herauszuziehen
. Dieses Sein ist ihm von vornherein in der Ewigkeit
gegeben. Die Angst, die sich bei der Entdeckung der Gefangenschaft
durch die Zeit, bei der Aufmerksamkeit auf das Altern,
meldet, verschwindet in der Erhebung auf die Ewigkeit zu. Das
scheidet Augustin von den atheistischen Existentialisten.

Diese Phänomenologie erstreckt sich auch auf die Geschichte.
Beim Übergang von der psychologischen zur historischen Zeit
zeigt sich, daß, wie die Seele mit sich selbst zerfallen ist, weil sie
sich Gott entfremdete, so auch die Menschheit an derselben Zer-
fallenheit und Entfremdung leidet. Zwei Tendenzen finden sich
in der Geschichte. Die eine, in der sich der Wille zu Macht und
Herrschaft auswirkt, der die Kriege und Bürgerkriege erregt,
stürzt sich dem Abgrund entgegen. Die andere ist positiv zu bewerten
. Die Verbindung zwischen den vernünftigen Kreaturen
bleibt in der Geschichte stets bestehen. Der Besitz der geistigen
Güter erzeugt die concordia, deren Abschattung bis in die Eintracht
innerhalb der Räuberbanden reicht (S. XIV u. 76). Freilich
wird man die Behauptung des Verfassers, daß diese Gemeinschaftlichkeit
, die auch in der civitas terrena besteht, zum Ausgangspunkt
des Wiederaufstiegs werde (S. 61), mit einem Fragezeichen
versehen müssen. So wie die Confessionen die Seele zwischen
Verzweiflung und Lockung der Heiligkeit zeigen, so enthält
der Lauf der Geschichte nach De civitate Dei die ineinander-
verschlungenen Bewegungen von Fall und Wiederaufstieg (S. XV
u. 62;63). Diese Betonung der Parallele zwischen psychologischer
und historischer Zeit ist ein wesentliches Verdienst der Arbeit
von Chaix-Ruy.

Das Ziel der Geschichte ist die Gemeinschaft der Heiligen,
in der die verwandelte Zeit zur Ewigkeit zurückkehrt. Daraus
folgt, daß nicht die politischen, wirtschaftlichen und technischen
Äußerungen des Machtwillens, sondern Leben, Taten und Beispiel
der Heiligen die zentrale Perspektive der Geschichtsschreibung
bilden müssen (S. 90).

Der Verf. möchte die Geschichtsdeutung Augustins weder
als Geschichtsphilosophie, noch als Theologie der Geschichte bezeichnen
. Augustin stelle die Offenbarung nicht wie einen Block
hin, von dem aus er die Geschichte gänzlich apriori deutet. Er analysiert
, ebenso wie in der Existenz des einzelnen, die Widersprüche
und Leidenschaften, das Verlangen nach Gerechtigkeit und
die Begierden, die in der Geschichte wirksam sind, und findet in
der Offenbarung die Lösung der einzelnen Aporien. Die theologische
Deutung ist gleichsam der krönende Abschluß. Philosophie
und Theologie wirken in der Geschiditsdeutung Augustins zusammen
.

Das Buch von Chaix-Ruy ist das Buch eines Philosophen
und nicht eines Historikers. So liegt seine Stärke weniger in der
Zeichnung historischer Verbindungslinien als im selbständigen
Nachdenken der Gedanken Augustins. Diese werden Themen der
modernen Philosophie gegenübergestellt, wobei einiges, wie
etwa der Ausblick auf die deutsche Philosophie der Geschichte
(S. 91), notwendig etwas summarisch ausfällt. Der Rezensent bekennt
, daß er die Schrift, deren Philosophieren vom Geiste Pas-
cals durchweht ist, mit Gewinn gelesen hat.

Naumburg/Saale Rudolf L o r e n z

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KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Ramackers, Johannes: Papsturkunden in Frankreich. N. F.
Bd. 5: Touraine, Anjou, Maine u. Bretagne. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht 1956. 376 S. gr. 8° = Abhandl. d. Akademie d. Wissenschaften
in Göttingen. Philolog.-hist. Klasse 3, Folge Nr. 35.
DM 3 5.-.

In der bedeutsamen Reihe der „Papsturkunden" legt R. hier
vielleicht den bisher reizvollsten und inhaltsreichsten Band vor.
259 Papsturkunden, die noch nicht bei Jaffe-Löwenfeld,
Regesta Pontificum Romanorum (188 5—88) als gedruckt nachgewiesen
waren, konnten von R. ermittelt werden, der sie mit
z- T. exkursartigem Kommentar versehen abdruckt. (S. 62—343,
Nachträge S. 344—368, Empfängerverzeichnis S. 373—75) 1 Stück
gehört dem 9. Jhdt. an (Nr. 1, Fälschung), l dem 10. (Nr. 247,
Fälschung), 2 der 1. Hälfte des 11. (davon 1 verfälscht, Nr. 248
und Nr. 2), 24 der 2. Hälfte des 11. Jhdt. (Nr. 3-26) und 231
dem 12. Jhdt. (alle übrigen Nr.). Es sind die Bestände der alten
Kirchenprovinz Tours, heute zwar arm an originaler Überlieferung
(über 20 000 Urkunden wurden allein 1793 in Tours von den
Revolutionären verbrannt), aber ganz außerordentlich reich an