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Ausgabe:

1957 Nr. 1

Spalte:

37-39

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Asen, Johannes

Titel/Untertitel:

Gesamtverzeichnis des Lehrkörpers der Universität Berlin 1957

Rezensent:

Elliger, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 1

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geistesgeschichtlichen Themen erschienen, die sich sämtlich durch
eine geschmackvolle und lesbare Darstellungsweise auszeichnen,
wie sie innerhalb der akademischen Zunftliteratur nicht allzuhäufig
anzutreffen ist. Die beiden vorliegenden neuen Bände
sind durch die gleichen Vorzüge gekennzeichnet, und der Hinweis
des Rezensenten, daß auch sie „für weitere Kreise" gedacht
sind, enthält kein verkapptes Werturteil über die wissenschaftliche
Rangordnung, sondern ist durchaus empfehlend gemeint. —
Im „ewigen Reich" wird in einer Reihe glänzend gelungener Einzelbilder
die Geschichte der Erwartung auf das kommende Reich
innerhalb der Menschheit aufgezeigt. Von der spätjüdischen
Apokalyptik, Jesu Reichsbotschaft, dem Zeugnis der Apostel und
den Stimmungen der frühkirchlichen Zeit mit ihren bekannten
Abwandlungen spannt sich ein Bogen 2000jähriger Apokalyptik
bis zu den modernen „säkularen" Vorstellungen im Sozialismus.
Natürlich hat auch der Kirchenhistoriker Nigg sein theologisches
Koordinatensystem, und der am Eingang des Buches stehende
und an sich auch richtige Satz: „Eine Geschichte des Gottesreiches
zu schreiben, ist um seines überirdischen Charakters willen eine
Unmöglichkeit", besitzt eben auch seine theologische Relevanz,
die sich besonders in den ersten drei Abschnitten, besonders in
dem von Jesu Botschaft vom Reich und dem von der paulinisch-
johanneischen Erfüllung handelnden, stark bemerkbar macht. Zu
den anderen, die späteren Zeiten darstellenden Abschnitten wären
eine Reihe von Sachbemerkungen zu machen, obwohl ich
nicht verkenne, daß die notwendigen Verkürzungen und Zusammenfassungen
der künstlerischen Einheit jedes Abschnittes zugute
gekommen sind. Immerhin möchte ich meinen, daß etwa
der Abschnitt Sacerdotium und Imperium durch eine konkretere
Nuancierung gewonnen hätte; die Ansicht, daß die Völkerwanderung
vom frühmittelalterlichen Menschen als ein apokalyptisches
Ereignis empfunden wurde, scheint mir mehr der dichterischen
Nachempfindung anzugehören; die freilich oft wiederholte
Behauptung, daß die Menschen um das Jahr 1000 von einer
tiefen eschatologischen Angst gepackt worden seien, ist seit langem
von der Geschichtsforschung als Legende enthüllt worden.
Ein Blick auf den Literaturnachweis für diesen Abschnitt zeigt
auch, daß eine Reihe bedeutender neuer Schriften und Forschungsergebnisse
nicht berücksichtigt worden sind. In dem Abschnitt
über das philosophische Idealreich fehlt mir neben der Behandlung
Schleiermachers vor allem die immanente Geschichtstheologie
Hegels, dessen „Eschatologie" doch geradezu epochemachend
für das Bildungsbürgertum geworden ist und von der soviel
Fäden zu den sozialistischen Enderwartungen hinüberführen,
die von Nigg auch recht unvollkommen behandelt werden. Es
fehlt ein Eingehen auf den jungen Karl Marx, wie man überhaupt
die Nähe zu Primärquellen vermißt. — Als Ganzes bleibt
der Eindruck einer sprachlich und in der Gesamtanlage künstlerisch
vollendeten Leistung und als solche soll sie wohl auch der
Leser, an den der Verfasser sich wendet, hinnehmen. — Das
zweite Buch greift ein heute wieder aktuell gewordenes Thema
auf. Heutige Not hat uns wieder die Augen für das Pilgerleben
geöffnet, obwohl die alte christliche peregrinatio nicht damit
zu vergleichen ist. Wieder sind es Einzelbilder, in denen uns
Nigg diese aus der Gottesunruhe kommende Pilgerschaft vorführt
: John Bunyan, Benedikt Labre und die anonyme Welt der
russischen Starzen. Auch hier wieder künstlerische Gestaltungskraft
. Am besten scheint mir Bunyan gelungen zu sein.

B«lin Karl Kupisch

A s e n, Johannes: Gesamtverzeichnis des Lehrkörpers der Universität
Berlin. Bd. I. 1810-1945. Die Friedrich-Wilhelms-Universität, Die
Tierärztliche Hochschule, Die Landwirtschaftliche Hochschule, Die
Forstliche Hochschule. Leipzig: Harrassowitz 1955. VI, 279 S. gr. 8°.
DM 21.60.

Zum 150-jährigen Jubiläum der Universität Berlin ist wieder
, wie schon zur 50. und 75. Jahrfeier ihrer Gründung, die Aufstellung
eines Gesamtverzeichnisses ihres Lehrkörpers vorgesehen
, dessen erster Band bereits erschienen ist. Er umfaßt mit über
4100 Namen die Zeit von 1810 bis 1945, bietet jedoch in doppelter
Hinsicht mehr als nur eine einfach ergänzende Fortführung
der entsprechenden früheren Arbeiten. 1) sind auch die Namen
der Professoren und Dozenten derjenigen Hochschulen mit aufgenommen
worden, die früher in irgendeiner Form als selbständige
Institutionen existierten, dann aber als Fakultäten der Universität
inkorporiert wurden; so die Tierärztliche Hochschule
(1790; Fak. 1934), die Landwirtschaftliche Hochschule (1806;
Fak. 1934) und die Forstliche Hochschule (1821; Fak. 1945); dazu
treten noch der Lehrkörper des 1887 eröffneten und der Universität
angegliederten Orientalischen Seminars, die wissenschaftlichen
Beamten der Universitätsbibliothek und die höheren Verwaltungsbeamten
der Universität. Dadurch verliert freilich das
ursprüngliche Bild der Berliner Universität seine Prägnanz und
gehen die scharfen Konturen seiner geschichtlichen Entwicklung
zum Teil verloren; eine gesonderte Aufstellung für die drei zuerst
genannten Institutionen bis zu ihrer Eingliederung in die
Universität wäre m. E. sachentsprechender gewesen. Doch mag
das bei der alphabetischen Anordnung der Namen schließlich nicht
allzu schwer ins Gewicht fallen. Wünschenswert wäre es aus
mancherlei Gründen noch gewesen, auch die über einen längeren
Zeitraum sich erstreckenden Vertretungen eines vakanten Lehrstuhles
, die zumal in Kriegszeiten erforderlich wurden, zu berücksichtigen
. 2) ist der Versuch gemacht worden, zu den im
Verzeichnis Genannten jeweils außer kurzen Personalangaben
und der Notiz über ihre Berliner Lehrtätigkeit auch noch Hinweise
auf biographische Quellen, auf das literarische Schaffen und
ein Bild des Betreffenden zu geben. Obschon gerade hier unvermeidlich
Lücken bleiben mußten, erscheint diese mühevolle Arbeit
besonders dankenswert und als wertvolle Hilfe für weitere
Nachforschungen sehr verdienstlich. Das „Gesamtverzeichnis des
Lehrkörpers" als das eigentliche Corpus wird durch eine Liste der
Rektoren (der Universität wie der drei Hochschulen) und eine
solche der Universitätsrichter ergänzt; vor allem ist noch ein
überaus aufschlußreiches „Register nach Disziplinen" angefügt.

Die scheinbar so trockene Datenzusammenstellung eröffnet
dem, der sich etwas näher mit ihr befaßt, einen höchst lebendigen
Einblick in ein bedeutsames Kapitel deutscher Geistes- und
Wissenschaftsgeschichte in den letzten beiden anderthalb Jahrhunderten
. In der Fülle repräsentativer Namen, obschon nicht
nur solcher, tritt uns die Berliner Universität als eine Verkörperung
der Totalität der Wissenschaften im freien Zusammenwirken
selbständiger, in Forschung und Lehre unabhängiger Geister
von ihrer Gründung an entgegen. Die ständig sich weitende
Folge gelehrter Männer zeigt eindrücklich die fortschreitende
Ausweitung, Intensivierung und Spezialisierung des Wissenschaftsbetriebes
im Ganzen der Universität wie in den einzelnen
Disziplinen, läßt die allmähliche Verlagerung des Schwergewichtes
von den Geistes- auf die Naturwissenschaften deutlich erkennen
und doch innerhalb dieses weitschichtigen Entwicklungsprozesses
gerade auch die hervorragenden Spezialisten als bewußte Vertreter
des Gedankens der Universität als der universitas litera-
rum hervortreten. Nicht minder dokumentieren die Namen die
mancherlei geistigen Gegensätze und weltanschaulichen Spannungen
, sind sie weiter ein beredtes Zeugnis preußischer Kulturpolitik
, die nicht nur in den ersten Jahrzehnten der neuen Hochschule
durch die Berufungen deutlich markiert wurde, sondern in positiven
wie negativen Entscheidungen immer wieder mehr oder
minder akzentuiert sich geltend machte und im allgemeinen eine
den echten Bedürfnissen der Wissenschaft aufgeschlossene Großzügigkeit
eindrucksvoll bekundet, bis das totalitäre System des
Nationalsozialismus durch eine tief in das Eigenleben der Universität
eingreifende Kontrolle und Bevormundung den Grundsatz
der freien durch den der gelenkten Wissenschaft ersetzte und
auch sonst wissenschaftsfremde Gesichtspunkte bei der Gestaltung
des Lehrkörpers maßgeblich sein ließ. Ich verweise beispielhaft
nur auf die Notiz: „Lehrbefugnis entzogen...", auf bestimmte
Erscheinungen im „Register nach Disziplinen" oder auf
die Tatsache, daß Deißmann 1930;31 der bisher letzte der Theologischen
Fakultät angehörende Rektor der Universität gewesen
ist.

Die Theologische Fakultät nimmt in all dem keine Sonderstellung
ein, sondern ist als ein integrierender Bestandteil der
Universität an deren Geschick im Guten wie im Bösen mit voller
Bewußtheit beteiligt. Das hindert nicht, daß die Liste der theologischen
Lehrer (nahezu 170 Namen) ihr eigenes Gepräge hat
und in sich ein inhaltsreiches Kapitel der deutschen Theologie-