Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1957 Nr. 8

Spalte:

591-592

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Sterling, Eleonore

Titel/Untertitel:

Er ist wie du 1957

Rezensent:

Grüber, Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

591

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 8

592

Jeremias, Joachim: Unbekannte Worte Jesu. Aus der Werkstatt

theologischer Forschungsarbeit.

Evangelische Welt 11, 1957 S. 273—275.
Jones, James A.: The Gospel and Life's Ultimates.

The Princeton Seminary Bulletin L, 1957, 4 S. 3—9.
Käsemann, Ernst: Aufbau und Anliegen des johanneischen Prologs.

Libertas Christiana, Delekat-Festschrift 19 57 S. 7 5—99.
Karnetzki, Manfred: Textgeschichte als Überlieferungsgeschichte.

Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 47, 1956 S. 170

bis 180.

Kilpatrick, G. D.: The Transmission of the New Testament and
its Reliability.

945th Ordinary General Meeting of the Victoria Institut at The
Caxton Hall Westminsier, S.W. 1 on Monday, 15th April, 1957
S. 92—101.

K1 o s t e rm a n n, Erich: Zum Verständnis von Mt. 6, 2.

Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 47, 1956 S. 280
bis 281.

Köster, Helmut: Geschichte und Kultus im Johannesevangelium und
bei Ignatius von Antiochien.

Zeitschrift für Theologie und Kirche 54, 1957 S. 56—69.
Kümmel, W.-G.: „L'eschatologie consequente" d'Albert Schweitzer
jugee par ses contemporains.

Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 37, 1957 S. 58—70.
Kuhn, Karl Georg: Die Schriftrollen vom Toten Meer und ihre Bedeutung
.

Universitas 12, 1957 S. 121—130.
Leenhardt, Franz J.: Reflexions sur la mort de Jesus-Christ.

Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 37, 1957 S. 18—23.
Leon-Dufour, X.: Pour approfondir les evangiles synoptiques:

un nouvel instrument de travail.

Nouvelle Revue Theologique 89, 1957 S. 296—302.
Lohse, Eduard: Zu 1. Cor. 10, 26. 31.

Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 47, 1956 S. 277

bis 280.

Lyonnet, Stanislas: Original sin and Romans 5,12—14.

Theology Digest V, 1957 S. 54—57.
M a s s o n, Ch.: Le reniement de Pierre. Quelques aspects de la for-

mation d'une tradition.

Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 37, 1957 S. 24—35.
McCarthy, Dennis J.: Qumrän and Christian beginnings.

Theology Digest V, 1957 S. 39—46.
Meinertz, Max: 2%t'ofia und atgems im Neuen Testament.

Biblische Zeitschrift NF 1, 1957 S. 114—118.
M e n a r d, Jacques E.: Pais Theou as Messianic Title in the Book of

Acts.

Catholic Biblical Quarterly XIX, 1957 S, 83-92.
M e n d n e r, Siegfried: Die Tempelreinigung.

Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 47, 1956 S. 93—112.
M e n o u d, Philippe-H.: Les additions au groupe des douze apötres,

d'apres le livre des Actes.

Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 37, 1957 S. 71—80.
Metzger, B. M.: A Suggestion concerning the Meaning of 1. Cor.
15, 4b.

The Journal of Theological Studies VIII, 1957 S. 118-123.
Molitor, Joseph: Mt. 15, 5 in einer altgeorgischen Fassung.
Biblische Zeitschrift NF 1, 1957 S. 130-132.

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

Sterling, Eleonore: Er ist wie Du. Aus der Frühgeschichte des Antisemitismus
in Deutschland (1815—1850). München: Kaiser 1956,
235 S. 8°. DM 8.50; Lw. DM 9.80.

In einer Zeit, da der Antisemitismus in aller Welt wieder
seine Blüten treibt, ist dieses von großer Sachkenntnis getragene
und auf eingehendem Quellenstudium aufgebaute Buch von besonderer
Bedeutung. Es gehört nicht nur in die Hände der Theologen
, sondern in die jedes Deutschen, der es mit seinem Volk
gut meint, und der die Schuld seines Volkes ernst nimmt. Aber
auch darüber hinaus wünschen wir dem Buch eine Verbreitung
in all den Ländern und bei den Völkern, die mit uns Deutschen
schuldig wurden, und die uns schuldig werden ließen.

Dieses Buch ist besonders wichtig in einer Zeit, die von Vorurteilen
und Anti-Komplexen lebt, und die aus solchen Anti- I

Komplexen eine neue Heilslehre zu machen versucht. Diese Anti-
Komplexe im politischen und kirchlichen Raum sind ja nichts anderes
— und das hat im Vorwort Professor Karl Schmid treffend
aufgezeigt — als ein Wiederaufleben der alten Irrlehre der Mani-
chäer, die an den steten Kampf von Licht und Finsternis glaubt,
und die in unserer Zeit die Schwarz/Weiß-Malerei auf alle Lebensgebiete
ausdehnt.

Eleonore Sterling zeigt, daß in der Frühgeschichte der Antisemitismus
seine Wurzeln einmal in einem von reaktionären
kirchlichen Kreisen geförderten Antijudaismus, zum anderen
aber noch mehr in der Aufklärung hat. In einer eingehenden
Analyse wird die Entwicklung der sozialen, wirtschaftlichen
und politischen Bindungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts dargelegt
und der Einfluß dieser Bindungen auf das Judentum
herausgestellt. Es zeigt sich, daß gerade das, was man die „deutsche
Seele" nennt, zu einer Verzerrung des theologischen und
säkularen „Imago" des Judentums führte. Auch damals machte
sich schon die große Neigung der Deutschen zu Anti-Ideologien
bemerkbar.

Da liegt nun die besondere Bedeutung des Buches für unsere
Tage und gerade auch für manche Gutwillige, die meinen, mit
einer Überkleistarung und Bagatellisierung der Gegensätze, die
aus einem oberflächlichen Optimismus und Humanismus kommen
, das Problem lösen zu können.

Schon das Vorwort sagt, viele Verbrechen hätten ihren
Ursprung darin, daß Menschen, die es gut meinen, sich oft
für die Vollstrecker des Willens des Herrn der Geschichte halten
und damit doch nur neuen Verbrechen Vorschub leisten. Wir müssen
uns aus dem Buch erneut sagen lassen, daß mit einer verwaschenen
Humanität nichts getan ist.

Vor 100 Jahren waren die „Volkstümler" eine Quelle
der antisemitischen Emotion. Wie damals die Volkstümler,
können es heute die „Europaler" werden. Zu Manichäismus
und Pharisäismus gehört auch das biologische oder politische Sendungsbewußtsein
, das auf die Dauer auch zu Haß und Feindschaft
führt. Die Verfasserin hat diese Gefahr nicht immer bis in die
letzte Konsequenz verfolgt, was ja auch schon in dem Titel zum
Ausdruck kommt. Der Titel ist dem Leitwort des Buches entnommen
, 3. Mose, 19/18 (aus der Übersetzung von Naphtali Herz
Wessely): „Liebe deinen Nächsten, er ist wie du. Ich bin
der Ewige." Die Verfasserin hat nicht nur theologisches Schrifttum
studiert, sondern sich auch von namhaften Theologen beraten
lassen. Aber sie kann als Jüdin doch nicht das ganz verstehen,
was einigen Theologen Römer 9—11 besagt. Wir haben es allerdings
in Evanston erleben müssen, daß auch ein großer Teil der
Theologen aus der Ökumene dieses Problem anscheinend noch
nicht erkannte. (Ich denke an die Abstimmung in der Vollversammlung
über das Israel-Problem, die eine der dunkelsten Punkte
der Kirchengeschichte unserer Generation bleibt, und die mich
veranlaßte, einen schwedischen Professor zu fragen, ob Rom. 9—11
nicht in der schwedischen Bibel stehe.)

Es kommt, das muß man einmal in aller Klarheit sagen, auch
bei der Behandlung dieses Problems nicht zuerst auf den Nächsten
an, sondern es geht zuerst einmal um Gott. Darauf müßte auch
bei der Thematik der Ton liegen, nicht: „Er ist wie Du", —
sondern: „Gott liebt ihn wie Dich", „Gott schuf ihn wie Dich".
Aber dennoch: für das Buch als ganzes kann man nicht dankbar
genug sein. Es atmet etwas von dem Geist des großen Weisen,
unseres nunmehr verstorbenen Freundes, Oben-abbiner Leo Baeck,
der der Verfasserin beratend zur Seite gestanden hat. Das Schwere,
was sie selbst, an ihrem Volk und mit ihrem Volk erlebt hat,
führt die Verfasserin nicht zu Haß und Anti-Komplexen, sondern
zu verstehendem und verzeihendem Weiterhelfen. Wir verspüren
etwas von der echten AGAPE, die in Gottes AGAPE begründet
ist. Was das Tagebuch der Anne Frank für die breite Masse werden
muß, das sollte dieses Buch für alle Verantwortlichen sein.
Beide haben sie in der Blüte der Jugend den Haß totaler Mächte
erlebt; die eine wirkt durch ihren Tod, die andere ist gesegnet in
ihrer Arbeit. Beide stehen unter der Verheißung, die wir für die
erbitten, die ein leiderfülltes Leben hatten: „Gott hat mich
wachsen lassen im Lande meines Elendes." (1. Mos. 42, Vers 57.)

Berlin Heinrich G r ü bc r