Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1957 Nr. 8

Spalte:

584-585

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bauer, Walter

Titel/Untertitel:

A Greek-English lexicon of the New Testament and other early Christian literature 1957

Rezensent:

Michaelis, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

583

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 8

584

isoliert gefaßt, sondern in einen sehr weiten Rahmen gestellt
wird. Der Leser kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren,
daß der Verfasser seine These in allzu summarischer Weise auf
Epochen und Erscheinungen der altorientalischen Geschichte anwendet
, deren historische Klärung noch nicht abgeschlossen erscheint
: die Thinitenzeit, die erste Zwischenzeit (zwischen dem
Alten und dem Mittleren Reich) mit den „Protohyksos" (S. 100),
die Periode der Hyksos selbst, Amarna und schließlich die Habiru.
Gerade solche Erscheinungen reizen natürlich zur Thesenbildung
und erfordern deshalb für den Historiker besondere Vorsicht und
höchste Akribie der Forschung. Auch dürfen eventuelle Teilaspekte
nicht zum Generalnenner erhoben werden. Zudem ist es
höchst problematisch, die Provenienz von Erscheinungen, die
möglicherweise Bestandteile des nomadischen Lebens in Steppe
oder Wüste darstellen, einseitig in den eurasischen Ebenen zu
lokalisieren.

Vor allem bedarf der Ausgangspunkt, die Charakterisierung
der Kultur der Steppe, sorgfältiger Prüfung. Wissenschaftsgeschichtlich
ist zunächst zu fragen, ob wirklich mit dem Begriff
der Steppe ein neuer, förderlicher Gedanke in die Hyksosdiskus-
sion hineingetragen ist oder nur unter anderem Vorzeichen die
These der Indogermanisten, die ja durchaus im Gefolge der
Indoiranier andere Völkerschaften annahmen, wiederholt wird.
Wichtiger aber ist, nach der sicheren Fundierung bei der Zeichnung
der Kultur der Steppennomaden zu fragen. Obwohl der
Verfasser teilweise mit sehr spätem Material arbeiten muß, sieht
er vornehmlich im Kult des Feuers, der Sonne und des Pferdes
drei konstitutive Elemente der Religion der eurasischen Steppe,
deren Existenz für dieses Gebiet seit je kennzeichnend gewesen
sei: „Ainsi cet art de la Steppe, tout comme son culte du feu,
du cheval et du soleil, comme ses coutumes funeraires, ses con-
ceptions d'ouvrages de defense et sa ceramique, est vieux comme
la Steppe elle-meme" (S. 30). Ein wirklich sicherer Erweis dieser
Behauptung müßte auf einer generellen Klärung des Verhältnisses
von Landschaft und Kultur aufbauen. Auf dem religiösen Sektor,
für den eine solche Untersuchung bis heute bedauerlicherweise
fehlt, könnte dabei vom interreligiösen Charakter heiliger Stätten
ausgegangen werden; das Material hierzu ist bei Hans Rust,
Heilige Stätten (Leipzig 193 3) zusammengestellt.

Vom Ausgangspunkt der recht vagen Steppenhypothese erscheinen
audi die historischen Einzelergebnisse der vorliegenden Arbeit vielfach
den Widerspruch der Fachleute hervorzurufen. Daß das älteste Ägypten
bereits Invasionen aus der eurasischen Steppe erlitten habe (S. 36 f.) und
die thinitischen Paletten skytische Züge aufwiesen, ist reine Hypothese.
Die Hyksosepoche selbst wird nur kurz behandelt (S. 107—118), um so
ausführlicher ihre Auswirkungen. Bei deren Schilderung ist zu wenig
berücksichtigt, daß die Ägypter dem Andenken jener Epoche feindlich
gegenüberstanden. Die Darstellung des Seth der Hyksos hätte an Klarheit
gewonnen, wenn die wohl zuerst von Eduard Meyer (vgl. Ge-
schidite des Altertums II, 1, 3. Aufl., S. 42) gesicherte Identifikation
mit dem Gotte Tesub berücksichtigt wäre, über den wir aus hethitischen
(Giuseppe Furlani, La religione degli Hittiti, Bologna 1936, S. 3 5) und
ugaritischen Belegen (Rene Dussaud, Les religions des Hittites, des Hou-
rites, des Pheniciens et des Syriens, Paris 1949, S. 340 f.) Bescheid wissen
. Auch die Gleichung von Sutech und Seth ist längst kein Problem
mehr; vgl. G. Roeder, Der Name und das Tier des Gottes Seth, ÄZ 50
(1912), S. 84 ff. ( Bei der Frage nach dem Alter der Seth-Verehrung in
Auaris durfte die Untersuchung von Hermann Junker (ÄZ 75, 77 ff.)
nicht unberücksichtigt bleiben.

Auch der Aton-Kult der Ketzerzeit wird mit der eurasischen Steppe
in Verbindung gebracht: „ .. . il fait penser... ä l'adoration directe et
spontanee du feu sacre par les nomades de la Steppe" (S. 129). Nun
haftet zweifellos der Epoche von Amarna etwas Unägyptisches an (vgl.
Kees, Götterglaube, 2. Aufl., Berlin 1956, S. 375); die despotische Ich-
Bezogenheit Echnatons ist auch von den Ägyptern selbst gesehen worden
(Eberhard Otto, Ägypten. Der Weg des Pharaonenreiches, Stuttgart
1953, S. 165 f.). Und in der neueren Ägyptologie ist eine einst einseitig
positive Wertung (A. Weigall, Echnaton, Basel 1923) wachsender Skepsis
gewichen (Joachim Spiegel, Soziale und weltanschauliche Reformbewegungen
im Alten Ägypten, Heidelberg 19 50, S. 57 ff.). Neuerdings hat
Rudolf Anthes (Die Maat des Echnaton von Amarna, Supplement to the
JAOS, Nr. 14, 1952) mit der Untersuchung eines zentralen Begriffes der
Weltanschauung jener Zeit unsere Erkenntnisse wesentlich bereichert.
Vom Ausgangspunkt dieser sicheren Basis her hätte die zweifellos noch
in Fluß befindliche Diskussion über Amarna entscheidender gefördert
werden können als mit Spekulationen, die auf asiatischen Einflüssen der
Heiratspolitik der 18. Dynastie aufbauen.

Auf anderen Voraussetzungen freilich, als sie der Verfasser annimmt
, könnte ein Vergleich zwischen Hyksos und Amarna fruchtbar
werden; er müßte ausgehen von der elementaren Beobachtung der inneren
und äußeren Abwehr des Ägyptertums gegen beide Epochen, die
somit als „Grenzsituationen der ägyptischen Kultur" begriffen werden
können.

Audi die Habiru werden als Welle aus der eurasischen Steppe aufgefaßt
. Gegenüber diesem, für den Verfasser entscheidenden Faktor
wird behauptet: „ .. . la condition sociale ne peut jouer qu'un röle ac-
cessoire" (S. 13 8). Hier wird also mit einer unbeweisbaren Hypothese
dem widersprochen, was wir bisher aus sorgfältiger Quellenanalyse gerade
als gesicherten Faktor erkennen konnten; vgl. Martin Noth, Erwägungen
zur Hebräerfrage (Prodcsch-Festschrift, Leipzig 1934, S. 99 ff.)
und neuerdings: Albrecht Alt, Bemerkungen zu den Verwaltungs- und
Rechtsurkunden aus Ugarit und Alalach (Die Welt des Orients II, 3,
1956, S. 234 ff.). Die Behauptung, daß die Habiru aus den eurasischen
Steppen „avec leurs maryannu" (S. 146) gekommen seien, bleibt unverständlich
. Natürlich erscheint dann in solchen Zusammenhängen auch
das Passah-Fest aus den Gebräuchen der eurasißchen Steppe ableitbar.
Von Mose wird behauptet, daß er durch die Ideen Echnatons beeinflußt
war; seine Kenntnis der Atonsreligion wird aus Apg. 7,22 abgeleitet.
Dabei bleibt die gründliche Zerstörung des Andenkens an Amarna durch
die Ägypter unberücksichtigt. Auch eine inhaltliche Zuordnung des Jah-
wismus zu der einst allzu überschwenglich als früher Monotheismus begrüßten
Reform Echnatons erscheint nach neueren Forschungen hierüber
ausgeschlossen.

Für die Untersuchungsmethode des Verfassers, der stark mit Etymologien
arbeitet, seien einige Beispiele angeführt. Hebr. "na wird zu
Skr. go „Rind" (etym. = dtsch. „Kuh") gestellt und als Beweis für die
Bezeichnung von Steppennomaden gewertet. Für mariannu ist erstmals
von Hugo Windeier (OLZ 13, 1910, Sp. 289 ff.) auf vedisdh marya
(„Mann", „Held") verwiesen worden; diese Deutung ist bis heute unbestritten
anerkannt. Verfasser will es mit mong. mon'(n) („Pferd"),
das er in der dialektischen Aussprache mörin zitiert, in Verbindung
bringen. Das Ideogramm SA.GAZ (für Habiru) wird mit den Sakas in
Verbindung gebracht; daß SA.GAZ in einer Vokabularnotiz mit dem
Worte habbatu („Räuber") erklärt wird, bleibt undiskutiert.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Verfasser viele
seiner erstaunlichen Behauptungen in Form von Fragen vorbringt.
Da er aber auf diesen Fragen seine Thesen aufbaut, eignet ihnen
der Charakter positiver Aussagen. Somit kann zusammenfassend
gesagt werden, daß das Buch, wenn es auch in Einzelerörterungen
oft anregend ist, doch nicht den Dienst leistet, den wir von einer
neuen Diskussion des Hyksosproblems erwarten müssen: nicht
ungesicherte Hypothesen zu geben, sondern eine sachlich unanfechtbare
, sicher fundierte Antwort auf diejenigen Fragen, die
der Historiker gegenüber jener Epoche noch immer stellen muß.

Wabern, Bez. Kassel Günter La n cz k ows Ic i

NEUES TESTAMENT

Arndt, William F., and G1 n g r i c h, F. Wilbur: A Greek-English
Lexicon of the New Testament and Other Early Christian Literature.

A translation and adaption of Walter Bav.er's Griechisch-Deutsches
Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen
urchristlichen Literatur. 4th rev. & augmented ed., 1952. Cambridge:
University Press; Chicago/111.: The University of Chicago Press
1957. XXXVII, 909 S. gr. 8°. Lw. $ 5.5.-,

Es ist sehr erfreulich und ein deutliches Zeichen der großen
Anerkennung, die sich das Wörterbuch von Walter Bauer schon
bisher im englischen Sprachgebiet erworben hat, daß es nunmehr
auch in einer englischen Ausgabe vorliegt, und es ehrt zugleich
die Leitung der Missouri-Synode, daß sie 1947 bei ihrer Hundertjahrfeier
beschlossen hat, einen Teil der aus diesem Anlaß gesammelten
Dankspende zur Errichtung eines Fonds zur Förderung
der wissenschaftlichen Forschung zu verwenden und mit Hilfe
dieses Fonds die Übersetzung des „Bauer" zu ermöglichen. Es kam
zu einer Vereinbarung mit der University of Chicago Press, die
ihrerseits einer englischen Ausgabe wegen bereits in Verhandlungen
mit Prof. Bauer gestanden hatte, und aus gemeinsamer
Arbeit erwuchs das bedeutsame Werk. Prof. Gingrich vom Albright
College in Reading (Pa.) konnte ganz für das Unternehmen
beurlaubt werden, und Prof. Arndt vom Concordia
Seminary in St. Louis (Mo.), einer Anstalt der Lutheran Church-
Missouri Synod, erhielt die Leitung. Ein beratendes Komite
(H. J. Cadbury, C. H. Dodd, F. J. Goodspeed, B. M. Metzger u.a.)