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Ausgabe:

1957 Nr. 8

Spalte:

573-574

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schneider, Karl

Titel/Untertitel:

Die germanischen Runennamen 1957

Rezensent:

Ratschow, Carl Heinz

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 8

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die Herausgabe des stattlichen Bandes verdanken. Er enthält in
seinem ersten Teil, der ein bleibendes Dokument zur Geschichte
unserer Wissenschaft darstellt, die Berichte über Vorbereitung,
Einrichtung und Ablauf des Kongresses. Der zweite Teil bringt
die von den einzelnen Autoren gegebenen Zusammenfassungen
sowohl ihrer allgemeinen Vorträge wie der Referate in den zehn
verschiedenen Sektionen. Damit liegt eine einzigartige und wertvolle
Zusammenstellung der neuesten Forschungsergebnisse auf
den verschiedensten Gebieten der Religionsgeschichte vor. Es ist
geplant, speziell die Beiträge zum Zentralthema des Kongresses,
dem sakralen Königtum, noch in ausführlicher Fassung in einem
gesonderten Buche über ,,La regalitä sacra" herauszubringen, das
als Supplement-Band zu der internationalen religionswissenschaftlichen
Zeitschrift „Numen" erscheinen soll. Es wäre zu begrüßen,
Wenn die Herausgabe bald erfolgen könnte.

Der allgemeine Teil der Kcngreßakten ist in italienischer
Sprache gegeben, die Kurzfassungen der Vorträge und Referate
verteilen sich auf die vier offiziellen Kongreßsprachen Deutsch,
Italienisch, Französisch und Englisch.

Wabern, Bez. Kassel Günter Lanczkowski

Schneider, Karl: Die germanischen Runennamen. Versuch einer
Gesamtdeutung. Ein Beitrag zur idg.'germ. Kultur- und Religions-
gesdiichte. Meisenheim am Glan: Hain 1956. XII, 635 S. mit Abb.,
7 Taf. gr. 8°. DM 59.—.

Die vorliegende Runendeutung, eine Marburger Habilitationsschrift
, erfüllt das Versprechen ihres Titels, ein Beitrag zur
idg.'germ. Kultur- und Religionsgeschichte zu sein, in ebenso
überraschender wie umfassender Weise. Die Runendeutung
Schneiders stellt ein Kompendium germanischer Religionsgeschichte
dar, das die Frage des indogermanischen Hintergrundes
der germanischen Religion stets im Auge hat. Aber die Arbeit
stellt nicht nur zusammen und bestätigt nicht nur Vorannahmen
idg. Forschung, sondern sie vermittelt neue und überzeugende
Einsichten in die Zusammenhänge asischer Religiosität.

Das Ziel der Untersuchung ist die Deutung des Runen- „Alphabetes
". Die Methode der Untersuchung stützt sich auf eine
Interpictation der vier germ. Runengedichte: des altengl. Runengedichtes
des Cod. Cotton, des altnorweg. Runengedichtes aus
der „Danica Lit. Antiqu", des altisländ. Runengedichtes des Cod.
AM 413 Fol. und des Abecedarium Normannicum des Cod.
Sangall. 878. Die Interpretation verfährt philologisch-kritisch-
vergleichend (S. 45), geht aber von der Annahme aus, daß der
Charakter der Runen nicht nur in Lautwerten bestehe. ,,Sie konnten
gleichzeitig Symbole für Begriffe sein, und waren dies, wenn
immer sie im Kult und in der Magie verwandt wurden" (S. 44).
Die Arbeitshypothese, die Runen gehörten in den Bereich der
Magie, wird auf die Aussagen der Runengedichte erweitert, daß
ihre Sprüche nämlich diesem Sitz der Runen im Leben auch durchgehend
Ausdruck gäben. Dabei wird vom Verfasser eine etymologisch
arbeitende Wortfeld-Forschung in Anwendung gebracht
, denn viele Runensprüche geben den alten religiösen Sinngehalt
nicht mehr ohne weiteres her. Sie sehen zunächst wie
Sinnsprüche aus der Havam. z. B. aus, die man mehr zufällig und
spielerisch an die Runennamen anschloß. Aber der Vergleich der
Runensprüche lehrt, und das ist eine wichtige Beobachtung, daß
analoge Topoi bei den einzelnen Runen auftauchen, die den spezifisch
religiösen Bereich (wie Tod und Bestattung oder Fruchtbarkeit
und Leben) im ganzen zunächst erkennen lassen. Die Grundthese
, daß die Runen Zeichen kultischer Bedeutsamkeit sind,
scheint uns durch die Arbeit voll erwiesen zu sein.

Die Erhebung der einzelnen Runen-Inhalte geschieht auf dem
Wege, daß religionsvergleichende Erwägungen zum Sachbereiche
angestellt werden, den eine Runenstrophe anzeigt. So z. B. zu
der Götterdrciheit: Himmclsgott, Erdgott, Sturmgott Aus germ.,
vcdischen und griechischen Quellen wird der Aufbau dieser
Gotterdreiheit erhoben und charakterisiert. Das Ergebnis solcher
religionsvcrgleicbenden Exkurse gibt das heuristische Prinzip für
die Strophen, die in diesen Bereich gehören. Erstaunlich weitgehend
erweisen sich die Angaben der Germania des Tao'tus als
zutreffend! Eine philologisch-etymologische Wortforschung gibt
die Beweisgänge. Diese Erörterungen, die es oft mit Wörtern zu
tun bekommen, die in der postulierten Bedeutung sonst nicht

bekannt sind (z.B. S. 295,401), sind mit ebenso großer Umsicht
wie Schluß-Freudigkeit geführt. Idg. Wortstämme werden
postuliert und gesetzt. Aber das Ergebnis gibt dieser Methode
im allgemeinen recht. Es kommt dabei auch zu dem Postulat
,,neuer" Kultmittelpunkte, wie die Erstellung der Hagal-Gestalt.
Gerade diese Ableitung, die zunächst besonders gewagt zu sein
scheint, gewinnt hohe Wahrscheinlichkeit durch die Deutung der
Niesdrowitzer Urne, durch die Bezugnahme auf die Wessobrunner
Schöpfung und die Heranziehung volkskundlicher Materialien.
Ein kultischer Bereich wird in den Blick gerückt, der für das Gesamtdenken
germ. Religion von größter Bedeutung ist.

Man wird bei der Fülle wertvoller Ergebnisse (die Runengedichte
fast ohne vanischen und fast ohne christl. Einfluß) und
dankenswerter Zusammenstellungen (z. B. Stammbaum der idg.
Theogonie) nur anmerken, daß teilweise rationale Gedanken hervortreten
, die dem Gesamtgehalt der erschlossenen Religiosität
unangemessen sind (so z.B. die Begründung der Sonnenverehrung,
S. 91, oder die Annahme einer Prädißposition der Germanen für
das Christentum, S. 223). Man wird auch anmerken, daß die
Verwendung eines ungeklärten „Symbol"-Begriffes (S. 44, 83,
184,404,423) sowie des Begriffes „Wert-Begriff" (S. 441) das
erschlossene Material nicht angemessen zu beschreiben in der
J-age ist. Man wird auch fragen, ob die Charakterisierung der Urheber
-Vorstellung als „monotheistischer" Verehrung (S. 213,
35 8) angängig ist. Aber diese drei Bemerkungen betreffen ja schon
den Rahmen der Arbeit überschreitende, religionswissenschaftliche
Erwägungen. —

Eine besondere Erwähnung verdient der starke systematische
Zug der Arbeit. Das Buch könnte auch heißen: Ansätze zu einer
jdg. Religionsgeschichte. Dies liegt im Zuge der Wortstamm-Diskussion
. Dies liegt aber zumal im Duktus der religionsgeschichtlichen
Exkurse. Daß dabei an Hand der Wortstämme besonders
fest und weit in den unbekannten Raum von Postulaten zur idg.
Kehgion vorgestoßen wird, ist ein Vorzug der Arbeit. Aber dieser
Zug zur Systematik zeigt die Arbeit auch in bezug auf die
Kunen-Reihe selbst. Es ist keine Frage, daß es gelungen ist, eine
^esamtordnung der Runen-Reihe zu erweisen. Es kann aber gerragt
werden, ob man diese Ordnung so weit vortreiben kann
und ob man die Störungen derselben alle so weit einebnen soll,
Wle es geschieht. Jedoch ohne die starke Schluß-Freudigkeit, die
dle ganze Arbeit zeigt, wären die Ergebnisse auch kaum so aufschlußreich
.

Der letzte Teil der Arbeit, der die begriffsruni6chen Inschriften
und die Begriffsrunen in der altcnglischen Überlieferung nach
gewonnenen Einsichten erklärt, bestätigt die Ergebnisse voll,
ffenbar ist die Grundthese dieser Deutung richtig, daß die Runen
den kultisch gebundenen Lebensaspekt in ganzer Breite
wiedergeben. Offenbar sind die einzelnen Bereiche religiöser
"Veltansicht, 'n denen die einzelnen Runen stehen, zutreffend erkannt
. So ist eine „literarische" Grundlage erschlossen, auf die
sich die germanische Religionsgeschichte in vieler Hinsicht verlassen
kann (z. B. das Absterben des Ing.-Kultes in Jütland,
S. 366 f.).

Münster/Wcstf. Carl Heinz Ratschow

[R a m a k r i s h n a :] Sri Ramakrishnas Ewige Botschaft. Die Worte
Ramakrishnas, berichtet in bengalisdicr Sprache von seinem Schüler
M ... mit einem Vorwort von X. Huxley. Nach der englischen Übersetzung
Sri Ramakrishna, Prophet of New India von Swami Nikha-
lananda, ins Deutsche übersetzt von F. Dispeker. Züridi: Rasdier
1955. 410 S., 1 Bild. kl. S°. Lw. DM 15.30.

Das Buch gehört zu der Reihe „Das Erbe des Ostens" und
ist auch dem Kenner der Sache willkommen, denn es bringt Aufzeichnungen
, die sich in den anderen Büchern über Ramakrishna,
den größten Hindu-Heiligen des 19. Jahrhunderts, so nicht finden
. Bekannt geworden ist die Darstellung Romain Rollands
„Das Leben des Ramakrishna" im Rotapfelverlag (1929); gern
gebraucht der Band „Worte des Ramakrishna" im selben Verlag
(1930); dazu stelle man noch den umfassenden Band S a y i n g s
ofSri Ramakrishna (The Ramakrishna Math, Mylapore,
Madras, •11925), der auf 339 Seiten 1003 Worte des großen
Hindu bietet.