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Ausgabe:

1957 Nr. 1

Spalte:

33-35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dupont, Jacques

Titel/Untertitel:

Essais sur la christologie de Saint Jean 1957

Rezensent:

Bultmann, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 1

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her: die Beschreibung des lileial Abiaham schließt sich an
Schilderungen historisch eingeordneter Vorgänge an, die des
allegorischen an einzelne Vokabeln und Wendungen (187);
de Abiahamo deutet in den allegorischen Schriften breit Ausgeführtes
an (188 f.; vgl. die Darstellung 141 ff.). Der literal
Abraham ist für Philon geradezu als historische Gestalt wichtig,
insofern seine geschichtliche Gestalt erweist, daß der durch Philon
gewiesene Heilsweg gangbar ist (187). Die Entfernung Phi-
lons vom normativen Judentum meint S. besonders an seiner
Stellung zur Tora zeigen zu können (190—192. 197 f.). Der Gegensatz
der Auffassung Abrahams zu der der Rabbinen ist so
grundlegend wie der in der Religiosität beider vorliegende (199),
sowohl in der Deutung der Texte (Philon: LXX!) wie in Sprache
und Gedanken (202). Gelegentliche formale Übereinstimmungen,
so führt S. in Auseinandersetzung vor allem mit L. Ginzberg,
Legends of the Jews V, aus, lassen sich vom Rückgang beider auf
das Alte Testament her verstehen (203—209).

Das Verdienst der Arbeit S.s liegt m. E. in der Ordnung des
außerphilonischen Materials (Kap. 2) und besonders in den inhaltreichen
Analysen der Texte und ihrer Erörterung im Apparat
(Kap. 3); erfreulich ist es, daß auch die Quaest. Gen. weitgehend
herangezogen werden. Die Darstellung des philosophischen
Heilsweges bei Philon ist durch ihre Geschlossenheit eindrücklich
. Aber die Frage erhebt sich, ob die weitgehenden Folgerungen
, die S. aus diesem Ausschnitt der philonischen Gedankenwelt
ziehen will, sachlich den ganzen Philon erfassen.
Nicht nur H. A. Wolfson (Philo I. II 1948), dessen Ausführungen
gelegentlich als mental gymnastics, geeignet zu belustigen,
nicht zu überzeugen (108 A. 19, vgl. 178 A. 347), abgetan werden
, sondern auch W. Völker, dessen Forschungsbericht (in Fortschritt
und Vollendung bei Philo von Alexandrien 193 8) trotz
seiner kräftigen Kritik an den Philon hellenisierenden Gelehrten
durch S. (8 A. 9) gerühmt wird, u. a. haben auf die sachlichen
Nachwirkungen der biblischen Frömmigkeit bei Philon hingewiesen
. Seine komplexe Erscheinung bedarf erst noch der Betrachtung
von verschiedenen Seiten und besonders in ihren Einzelzügen
, ehe Gesamturteile möglich sind (welche Rolle spielt z. B.
das aus der Geschichte seines Volkes Berichtete für die Frömmigkeit
Philons?); ob sie ihn literarisch auf einen Nenner bringen
können, läßt sich noch gar nicht absehen.

Ein Sach- (oder genaueres Inhalts-) und ein Literaturverzeichnis
(mit bibliographischen Angaben) erleichterten die Auswertung
des Buches. Ein Philon-Index ist beigegeben.

Halle/Saale Oerhard Delling

D u p o n t, Dom Jacques: Essais sur la christologie de Saint Jean. Le

Christ, Parole, Lumiere et Vie. La Gloire du Christ. Bruges: fiditions
de l'Abbaye de Saint-Andre 1951. 319 S. 8°. Kart. bfr. 100.—.

Das vorliegende Buch enthält vier Essais, die zwar nicht genau
aufeinander abgestimmt sind, aber doch eine Einheit bilden.
Es sind vier Abhandlungen, die die Begriffe des Logos, des Lichtes,
des Lebens und der Herrlichkeit in ihrer Anwendung auf Jesus
im Joh.-Evg. betreffen. Ihr Charakter ist dadurch bestimmt, daß
Vorlesungen zugrunde liegen, die ursprünglich für Studenten der
Theologie gehalten worden waren. Sic wollen eine „positive und
konstruktive" Darstellung bieten und nicht eigentliche Forschung
samt der zu einer solchen gehörigen Diskussion. Aber natürlich
gibt der Verf. seine Darstellung nicht ohne Begründung und gelegentliche
Bezugnahme auf die Meinungen anderer Autoren. Angesichts
dieses Charakters des Buches wäre es unangemessen, in
der Besprechung in eine ausführliche Diskussion mit dem Verf.
einzutreten; ich muß mich mit einer kurzen Charakteristik und der
Hervorhebung des Wesentlichen begnügen.

Die Darstellung ist durchweg von der Auffassung geleitet,
daß die entscheidenden christologischen Begriffe des Joh.-Evg. aus
der alttestamentlichen-jüdischen Tradition stammen, die von der
ältesten christlichen Gemeinde aufgenommen und vom Joh.-Evg.
und dem 1. Joh.-Brief fortgebildet wurde. Speziell für den Logos-
Begriff ist die jüdische Weisheits- und Thora-Theologie die Voraussetzung
, für den Begriff des Lichtes die messianischen Propheten
des AT, besonders des Jesaja, für den Begriff des Lebens
die Apokalyptik. Entscheidender Einfluß der hellenistisch-gnosti-

schen Sprache und Begrifflichkeit wird vom Verf. nicht zugestanden
. Für jeden der von ihm besprochenen Begriffe stellt er die
Vorgeschichte in der genannten Tradition dar. Daß diese für die
Interpretation des Joh.-Evgs. ihre Bedeutung hat, ist gewiß nicht
zu bestreiten; auch bin ich mit dem Verf. darin einig, daß ein
Einfluß der griechischen Philosophie nicht in Frage kommt. Ich
halte jedoch die Betrachtungsweise des Verf. für einseitig und be-
daure, daß er sich nicht mit der religionsgeschichtlichen Interpretation
auseinandergesetzt hat, auch wenn diese Auseinandersetzung
negativ ausgefallen wäre wie in seinem großen Buch über
den Begriff der Gnosis. Auch die jüdische Tradition, auf die er
Bezug nimmt, ist nicht ohne den Einfluß der vorderorientalischen
Religionsgeschichte zu verstehen, was z. B. die Weisheits-Spekulation
und die Apokalyptik betrifft.

Mit diesem Bedenken hängt ein zweites zusammen: wie der
Verf. die biblische Begrifflichkeit gegen die Religionsgeschichte
isoliert, so isoliert er auch die von ihm untersuchten Begriffe gegen
die Begrifflichkeit des Joh.-Evgs. als ganze und geht nicht auf
den eigentümlichen Dualismus des Evgs. ein, wie er auch seinen
eigentümlichen, durch diesen Dualismus geprägten Stil nicht würdigt
. Das macht sich z. B. bei der Behandlung des Begriffes
<ifo)$iv6g geltend. — Ich bemerke nur kurz, daß wie das Evg. und
der 1. Brief, so auch die Apok. als „johanneisch" gilt; ebenso daß
der Verf. das literarkritische Problem, speziell die Frage nach der
ursprünglichen Ordnung des Textes des Evgs., ignoriert und die
Quellenfrage nur ganz gelegentlich einmal streift (S. 280, A. 14).

Trotz meiner kritischen Bedenken schätze ich das Buch als
einen wertvollen Beitrag zum Verständnis des Joh.-Evgs. Ich freue
mich, in zwei wesentlichen Punkten mit ihm einig zu sein. Zunächst
darin, daß er die joh. Theologie bzw. Christologie als eine
funktionelle" versteht; d. h. er sieht m. E. völlig richtig, daß
aas Evg. nicht an einer metaphysischen Lehre über Gott und Christus
interessiert ist. ,,En donnant au Christ les noms de Logos,
de lumiere et de vie, Jean le considere en ce qu'il est p a r r a p-
P ort ä nous (von mir gesperrt); en parlant de sa gloire, c'est
1 envoye de Dieu, le messager divin du salut, qu'il voit encore en
lui. Sa theologie definit le Christ dans la fonetion qu'il exerce ä
l'egard des hommes; c'est une theologie „fonctionelle", comme
celle de Paul et Celle de l'Eglise primitive" (S. 7 f.) — so heißt
es im Vorwort; entsprechend am Schluß: „Ces denominations
(sc. Logos, Licht, Leben) ne nous renseignent donc pas directe-
nient sur la nature propre du Christ, sur son etre intrinseque, sur
sa clivinite; elles expriment la signification de sa venue pour les
hommes . ." (S. 296 f.). Diese Interpretation führt der Verf.
fortlaufend durch.

Vgl. in Bezug auf den Logosbegriff: „II faut eviter de don-
ner ä l'expression johannique une portee metaphysique ... II considere
simplement Jesus comme la manifestation de la vie divine"
(S- 28). „Ce n'est pas ä ce que le Christ est en lui-meme que
s'applique le nom de Logos, mais ä ce qu'il est par rapport au
mondc" (S. 56). ,,Le Logos dont il s'agit est une expression a d
extra de la pensee et de la volonte de Dieu" (S. 57; vgl. weiter
S. 34. 48 f. 58). — In Bezug auf das Licht: „Comme la christologie
de la „parole" celle de la „lumiere" est une christologie
..fonctionelle", exprimant, non ce que Jesus est en lui-meme, mais
le röle qu'il exerce ä notre egard" (S. 103). In Bezug auf das
Leben (in der Interpretation von Joh. 5, 26; 6, 57): „II n'y a pas
transmission d'influx vital, mais erdation de vie" (S. 197). Das
Leben, das der Sohn vom Vater hat und das durch ihn den Glaubenden
vermittelt wird, muß verstanden werden „d'une depen-
dance ä l'egard de la volonte et de la puissance du Pere plutöt
qu'ä l'egard de sa substance et de son etre" (S. 198, vgl. S. 200).
Sehr richtig versteht der Verf. die scheinbaren Definitions-Sätze
des lyd, elfu; z.B. „L'affirmation de Jesus: „Je suis la vie" ex-
Prime donc ici la signification du Christ pour les hommes dans
l'ordre de leur salut. Ce n'est pas une definition abstraite de
l'essence du Verbe; pas davantage la revindication d'un attribut
divin considere comme tel..." (S. 215; vgl. noch S. 225. 230 f.)
— In Bezug auf Jesu<Wfa: „Saint Jean n'a pas en vue la person-
nalite transcendante du Verbe, mais l'humanite assumee par lui.
Sous cet aspect, tout empirique, Jesus ne detient pas sa gloire par