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1957 Nr. 7

Kategorie:

Kirchenrecht

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 7

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müllcr erschienen —; auch stellt das Zeitschriftenverzeichnis, a. a. O.,
S. 28—29, lediglich einen Katalog dar, ohne die Bedeutung der wichtigsten
unter ihnen besonders hervorzuheben. Man kann doch nicht Zeitschriften
, wie jene der „Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte" oder
die „Deutsche Zeitschrift für Kirchenrecht" unterschiedslos auf dieselbe
Liste mit den Wiener „Juristischen Blättern" oder der „Österreichischen
Juristenzeitung" setzen, welch letztere nur gelegentlich Aufsätze über
das besondere österreichische Kirchenverwaltungsrecht enthalten und als
kirchenrechtliche Zeitschriften überhaupt nicht zu betrachten sind.

Audi gegen die Form der Behandlung des Stoffes selbst kann
ich Bedenken nicht unterdrücken. Der Verfasser hat nämlich die
Gepflogenheit, die benutzte Literatur am Schlüsse der einzelnen
Kapitel ganz einfach global zusammenzustellen, ohne im Texte
selbst bei allen wichtigen Behauptungen die betreffende originale
Rechtsquelle oder ihre Kommentatoren selbst zu zitieren. Auf
diese Weise wird es dem Leser überlassen, aus der am Schlüsse
der einzelnen Kapitel zusammengestellten Literatur jene Autoren
herauszusuchen, auf welche sich die textlichen Behauptungen in
Wirklichkeit stützen (vorausgesetzt, daß ihm der ganze, im Texte
verarbeitete Apparat überhaupt zur Hand ist). Ich möchte, um die
Richtigkeit dessen, was ich hiermit gesagt habe, zu erhärten, nur
auf das berühmte „Kirchenrecht" Rudolf Sohms verweisen, das
den Text durchlaufend mit eingehenden Fußnoten begleitet und
dem Leser sofort die Möglichkeit gibt, das im Texte Gesagte auf
seine geschichtlichen Grundlagen zu überprüfen. Eine Darstellung
hingegen, die auf alle diese Belege verzichtet, kann beim Leser
leicht den Eindruck erwecken, daß sich der Verfasser seine Meinung
über die geschichtliche Entwicklung nicht selbst auf Grund
der Quellen gebildet, sondern lediglich auf Grund geschichtlicher
Darstellungen von anderer Seite zusammengestellt, kompiliert
hat. Auf Einzelheiten einzugehen, ist in diesem Rahmen nicht
möglich. Ich möchte nur, um lediglich zu zeigen, daß sich manches
bei näherer Untersuchung nicht als so einfach erweist, wie
es der Verfasser hinstellt, seine Behauptung (I. Band, S. 98) erwähnen
, worin er die heilige Schrift als die „zweifellos älteste
Quelle des Kirchenrechts" bezeichnet. Das ist nach katholischer
Auffassung keineswegs unbestritten, vielmehr wird, und m. E.
mit Recht behauptet, daß für den katholischen Juristen „einzig
und allein der formelle Ausspruch der kirchlichen Lehrautorität
maßgebend ist" (so Heinrich Singer in seiner Besprechung von
W. Kahls „Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchenpolitik",
in den „Göttinger gelehrten Anzeigen", 1897, No. 9, S. 684
—68 5). Auch ist es unzutreffend zu behaupten, daß den Rechtssätzen
des Alten Testaments gegenüber jenen des Neuen „nur
subsidiäre Bedeutung zukommt" (I. Band, S. 98), weil die Rechtsvorschriften
des Alten Testaments, die sog. legalia, nach der
Lehre der katholischen Kirche als aufgehoben zu betrachten sind
(vgl. das Decretum pro Jacobitis vom 4. Februar 1441, bei
Denzinger-Umberg, Enchiridion Symbolorum, 16. Aufl., Freiburg
i. B., 1928, No. 712, S. 247: „legalia Veteris Testamenti,
seu Mosaicae legis, .. . significato per illa domino nostro Jesu
Christo adveniente cessasse"). Bei der Erörterung der Dekre-
tistenliteratur im II. Bde., S. 436—440, ist mir aufgefallen, daß
der Verfasser die berühmten Kanonisten Schulte, Thaner, Gietl
und Singer als Herausgeber der Summae des Paucapalea, des ma-
gister Rolandus, der Sentenzen Rolands und der Summa magistri
Rufini in dem Literaturanhang, S. 440, nicht einmal genannt hat
(vgl. hingegen Stutz, a. a. O., S. 321). Die Register zu beiden
Bänden sind mit großer Sorgfalt ausgearbeitet, desgleichen soll
die schöne Ausstattung und der fehlerfreie Druck der Verlagsbuchhandlung
besonders anerkannt werden.

Wien Otto Weinberger

Klein, Joseph: Von der Tragweite des. kanonischen Rechts.

Evangelische Theologie 17, 1957 S. 97—116.
Marsch, Wolf-Dieter: Christologische Begründung des Rechts?

K. Barths Theologie des Rechts und die Theorie der Institutionen.

Evangelische Theologie 17, 1957 S. 145—170, 193—218.

PSYCHOLOGIE UND RELIGIONSPSYCHOLOGIE

Metzger, Wolfgang, Prof. Dr.: Psychologie. Die Entwicklung ihrer
Grundannahmen seit der Einführung des Experiments. 2., neubcarb.
Aufl. Darmstadt: Steinkopff 1954. XIX, 407 S. 42 Abb. gr. 8° =
Wiss. Forschungsberichte. Naturwiss. Reihe, Bd. 52. DM 32.— ; geb.
DM 3 5.-.

Das Werk ist aus vier Voraussetzungen zu verstehen:
1. „In der Psychologie hat sich im Verlauf eines halben Jahrhunderts
eine Umwälzung vollzogen, die sich in ihrer Tragweite mit
den größten wissenschaftlichen Umwälzungen der Vergangenheit
vergleichen läßt." In diesem das Werk einleitenden Satz ist das
Bekenntnis zur Ganzheitspsychologie ausgesprochen, deren Diskussion
und Begründung die Gesamtausführungen gelten. Nicht wird
eine systematische Darstellung der Ganzheitspsychologie gegeben,
also kein Lehrbuch für Anfänger oder Examenskandidaten dargereicht
, sondern die Entwicklung und Begründung der Grundannahmen
vorgeführt. Elementare Sachkenntnis wird nicht erst vermittelt
, sondern bereits verausgesetzt. Das Buch stellt damit die
höchsten Ansprüche. - 2. Indem es in der Reihe der „Wissenschaftlichen
Forschungsberichte" erscheint, ist es der Aufgabe der wissenschaftsgeschichtlichen
Orientierung verpflichtet." Wir begegnen
darum in jedem Absatz dem Forscherheer aus dem letzten
halben Jahrhundert. Wiederum wird nicht historisch oder systematisch
die Leistung der Mitforschenden dargestellt vielmehr
wieder das Wissen darüber vorausgesetzt, damit alle Energie der
wissenschaftlichen Diskussion verbleibe. Aufs neue muß gesagt
werden, daß das Buch die höchsten Ansprüche stellt. — 3. In den
„Wissenschaftlichen Forschungsberichten" ist das Werk der „Naturwissenschaftlichen
Reihe" zugeordnet, womit ein neues gewichtiges
Charakteristikum hervortritt. Es wird die Entwicklung
der psychologischen Grundannahmen „seit der Einführung des
Experiments" gezeigt. Die „Klärungsarbeit", die wir vorgeführt
bekommen, überwindet falsche philosophische Lehren des 18-
und 19. Jahrhunderts, distanziert sich überhaupt von der Philosophie
und gewinnt ihre Erkenntnisse auf naturwissenschaftlichem
Wege durch die „Waffe des Experiments". Da die Theologie der
Gegenwart mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen haben
dürfte, daß namhafte Forscher eine „geisteswissenschaftliche"
Psychologie erarbeiteten und die Psychologie der Philosophie-,
speziell der Ontologie und der Anthropologie, zurückführen
wollen, muß berichtet werden, daß Metzger den „Schnitt zwischen
einem naturwissenschaftlich erforschbaren und einem ganz:
andersartigen, den Geisteswissenschaften vorbehaltenen Bereich
des Seelischen sachlich unbegründet und überflüssig" bezeichnet
. — 4. Das Buch ist bewußt auf den Kampf der Meinungen zugeschnitten
, was dem Verfasser zu bekennen gebietet, daß er
„in einem sehr bestimmten Sinne einseitig sei". „Er ist bestrebt
, keine wichtige Grundannahme zu verschweigen. Aber er
bevorzugt unumwunden diejenige, die er für richtig hält, vor
denjenigen, die ihm falsch und unzutreffend erscheinen."

Der Rez. wagt in dieser Anzeige kaum mehr als diese allgemeine
Charakteristik zu geben. Denn ein Referat über den
Inhalt, das die Grenzen einer Literaturzeitung innehielte, läßt
sich schlechterdings nicht geben, weil die Einzelthematik fast unbegrenzt
ist, weil die Architektonik des Ganzen höchst originelle
Eigenleistung ist und weil alle Einzelausführungen von einer
kaum zu überbietenden Dichte und Prägnanz sind, was alles zusammenwirkt
, hier der Versuchung zu einer summarischen Zusammenfassung
zu widerstehen. Selbst eine gekürzte freie Wiedergabe
des 10 Seiten langen Inhaltsverzeichnisses würde m. E.
niemandem nützen, weil seine Berechtigung und sein Verständnis
sich erst dem das Gesamtwerk Durcharbeitenden erschließt. Aber
das sei gesagt: zur intensiven Lektüre raten wir solchen Theologen
, denen es am Respekt vor der naturwissenschaftlich arbeitenden
Psychologie fehlen sollte, und denjenigen, die in
geisteswissenschaftlicher Arbeitsweise zu ihrer Selbstkontrolle
nach dem Korrektiv der naturwissenschaftlichen Richtung verlangen
. Allerdings — als billiges Nachschlagewerk ist unser Buch
nicht oder nur in Ausnahmefällen zu gebrauchen; aber im Dienst
einer kritischen Gesamtrevision wird es nichts geben, das ihm
den Rang streitig machen könnte.

Rostock G. Holtz