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Ausgabe:

1957 Nr. 7

Spalte:

545-547

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

Das Recht des ersten christlichen Jahrtausends von der Urkirche bis zum grossen Schisma 1957

Rezensent:

Weinberger, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 7

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Menschen verschiedenen Geschlechts sich miteinander vereinen,
nehmen sie Verantwortung füreinander auf sich, treten
sie aus dem Bereich des reinen Genusses aneinander, audi des
Glücks miteinander in eine andere Lebenssphäre, in der wir
dann aneinander schuldig werden, wenn der Weg von der
Leidenschaft der Liebe zur Treue der Liebe nicht gefunden
wird. Das macht in der Wirklichkeit des Lebens nicht nur
das Problem der außerehelichen „Verhältnisse", sondern auch das
der Ehescheidung sehr viel belastender, als der Verfasser es darstellt
. Merkwürdig, daß z.B. der Verfassersich die Frage: welches
Erbe bekommt ein Kind, dessen Mutter von einem unverantwortlichen
Vater verlassen wird, eigentlich von diesem Vater
mit, gar nicht stellt. Natürlich sollte man dem unehelichen Kind
keinen Makel anheften. Aber die Wirklichkeit zeigt doch, daß
die unehelichen Mütter meist gezwungen 6ind, ihren Kindern die
„Nestwärme", die sie auch nach des Verfassers sehr richtiger Meinung
brauchen, nicht geben können, weil sie arbeiten müssen. Die
Wirklichkeit zeigt, daß bei Ehescheidungen die Kinder, weil die
Eltern um sie mit allen Mitteln werben, äußeTst gefährdet sind.
Und welche Rückwirkung die Freigabe der Abtreibung oder auch
der Sterilisation, deren jeweilige Berechtigung durchaus nicht zu
verkennen ist, auf den Charakter der Frau, bzw. auch auf die Gestaltung
ehelicher und außerehelicher Verhältnisse hat, davon
wird nicht gesprochen. Über die eigentlichen Lebensprobleme
plätschert das Buch im wesentlichen hin.

Es kann infolgedessen nur bedauert werden, daß der Schweizer
Verlag, der doch bessere Bücher zu dieser Frage herausgebracht
hat, sich zur Herausgabe einer deutschen Übersetzung dieses Buches
hergegeben hat.

Heidelberg R. Hupfeld

Mackay, John A.: The Eternal Imperative in a World of Change.
Theology Today XIV, 1957 S. 89—105.

N e w m a n, Jeremiah: The just wage.
Theology Digest V, 19 57 S. 120—126.

Scharf, Kurt: Die Verantwortung der Evangelischen Kirche im Atomzeitalter
.

Die Zeichen der Zeit 1 1, 1957 S. 201—203.

Schrey, Heinz-Horst: Soziale Verkündigung oder Social Gospel.
Zeitschrift für Evangelische Ethik H. 2, 19 57 S. 24-3 5.

Schweitzer, Wolf gang: Die Beziehungen zwischen Politik und Geschichtsdeutung
in theologischer Sicht.
Zeitschrift für Evangelische Ethik H. 2, 1957 S. 6—24.

T h i e 1 i c k e, Helmut: Der Christ und die Verhütung des Krieges im
Atomzeitalter.

Zeitschrift für Evangelische Ethik H. 2, 1957 S. 1—6.

KIRCHENRECHT

Plöchl, Willibald M.: Geschichte des Kirchenrechts. Bd. I: Das Recht
des ersten christlichen Jahrtausends. Von der Urkirche bis zum großen
Schisma. Bd. II: Das Kirchenrecht der abendländischen Christenheit
1055—1517. Wien-München: Herold 1953/1955. 439 S. u. 499 S.
gr. 8°. ö. S. IIS.— ; Lw. 140.— u. ö. S. 114.— ; Lw. 159.—.

W. M. Plöchl hat sich vorzüglich durch seine in den „Wiener
Staats- und Rechtswissenschaftlichen Studien", Band XXIV,
erschienene Monographie: Das Eherecht des Magisters Gratianus,
Leipzig-Wien 1935, bekannt gemacht, worin er, nebst einer Übersicht
über die Bedeutung des Gratianschen Dekrets, seine Methode
und Rechtslehre, den Inhalt des Ehebegriffes, die Erscheinungsformen
der Ehe (Getaufte und Ungetaufte, heimliche Ehen, Konkubinat
), die Ehehindernisse, die Wirkungen der Eheschließung,
sowie die Auflösung des Ehebandes erörtert. Er kommt bei seinen
Ausführungen zum Schlüsse, daß, wenn auch das Dekret durch
den C. I. C. seine praktische Bedeutung verloren hätte, dadurch
seine geschichtliche Bedeutung nicht gemindert worden sei, und
insbesondere das „Studium der Ehegesetze im Dekrete
Gratians einen Beweis für die unwandelbare Treue der Kirche zu

ihrer Lehre" darstelle (vgl. S. 30). Die zuletzt erwähnte Bemerkung
Plöchls scheint mir doch sehr gewagt zu sein, da gerade
die betreffende Abhandlung an allen Orten die zahlreichen Streitfragen
aufzeigt, die das Eherecht zur Zeit des berühmten Magisters
belastet und erst durch Jahrhunderte später beschlossene
Gesetze ihre Lösung gefunden haben.

Der seit Ulrich Stutz allgemein üblichen Scheidung des Kirchenrechts
in Geschichte und System folgend hat Plöchl jetzt
zwei Bände einer „Geschichte des Kirchenrechts" erscheinen lassen
, deren erster Band die kirchliche Rechtsgeschichte von der
Urkirche bis zur Trennung der Ost- von der Westkirche (1054),
der zweite aber die Schilderung der geschichtlichen Rechtsverhältnisse
bis zur Reformation (1517) fortsetzt. Der dritte Band soll
den Zeitraum von 1517—1917 als „einheitliches Ganzes" behandeln
(vgl. Einleitung zu Band I, S. 22). An eine Darstellung der
Geschichte des evangelischen Kirchenrechts, wie sie Stutz
in 6einem unübertrefflichen Artikel: „Kirchenrecht" in der
„Enzyklopädie der Rechtswissenschaft" (7. Aufl., 5. Band, S. 368
—390) eingeschlossen hat, ist überhaupt nicht gedacht, da es in
der Dispositionsaufstellung in der Einleitung zum I. Bande (S. 22)
heißt, daß der dritte Band das katholische Kirchenrecht
bis 1917 umfassen soll. Ob es möglich sein wird, in einem einzigen
Bande von ungefähr gleichem Umfange das Kirchenrecht
im Reformationszeitalter, insbesondere jenes des Konzils von
Trient, das Kirchenrecht im Zeitalter der Aufklärung und der
französischen Revolution und die vielfachen Schicksale, die es
im 19. Jahrhunderte betroffen haben, mit der dazu erforderlichen
Genauigkeit zu beschreiben, muß abgewartet werden, wie überhaupt
das abschließende Urteil über das Buch bis zu seiner Vollendung
zurückgestellt bleiben soll.

Der erste Band enthält nebst einer Literaturübersicht die
Kirchenrechtsgeschichte von der Stiftung bis zur konstantinischen
Befreiung (324), ferner das Kirchenrecht im römischen Rechtsund
Kulturkreise (vom Konzil zu Nicaea, 325, bis zum Trulla-
num, 692), endlich das Kirchenrecht im Zeitalter der „Ausprägung
des morgen- und abendländischen Denkens", 692, bis zur
Trennung der Ost- von der Westkirche, 1054. Der zweite Band
reicht ohne Teilabschnitte vom Pontifikate Viktors II, 1055—1057,
his zur Reformation. In beiden Bänden werden dann, mehr oder
weniger übereinstimmend, die Primatialgewalt, die Kirchenversammlungen
, die kirchliche Hierarchie, das Personenrecht, das
Ordensrecht, das Prozeßrecht und das Strafrecht, das Vermögensrecht
, sowie die kirchlichen Rcchtsquellen und die Kirchenrechtswissenschaft
abgehandelt. Bevor ich nun einige Einwendungen
Segen die Form und den Inhalt der Danstellung vorbringe,
möchte ich ausdrücklich betonen, daß mir nichts ferner liegt, als
die große Mühewaltung und die beträchtlichen Schwierigkeiten,
die der Verfasser und seine in den Vorreden erwähnten Mitarbeiter
zu bewältigen hatten, irgendwie zu unterschätzen. Doch
hängt letzten Endes der Wert derartiger Darstellungen von dem
Fortschritte ab, den die Wissenschaft des Kirchenrechts
durch sie erfahren hat, und nur dieser LImstand wird m. E. bei
dem abschließenden Urteile über das Buch als entscheidend anzusehen
sein. Auch der Zweck, den ein Buch bei seiner Abfassung
verfolgt, ist zu beachten. Nun ist das Buch laut den ausdrücklichen
Bemerkungen in der Einleitung zum Bande I „als Ergänzung
zu den rechtsgeschichtlichen Vorlesungen gedacht, in
denen das Schwergewicht auf die Institutionengeschichte gelegt
wird" (I.Band, S. 19). Es können aber m. E. den Studierenden
der katholischen Kirchenrechtswissenschaft neben dem Studium
des umfangreichen, kasuistisch äußerst schwierigen C. I. C, dessen
einigermaßen erschöpfende Kenntnis doch heutzutage zunächst
in Betracht kommt, noch solch eingehende geschichtliche
Studien über die Entwicklung der einzelnen kirchenrechtlichen
Institutionen, wie des Primats, des Bischofsamts, des Sakramentenrechts
, des Prozeßrechts usf., nicht zugemutet werden. Für diesen
Zweck wäre eine weitaus kürzere Darstellung in Grundrißform
vorzuziehen gewesen.

Die Literaturangaben sind nicht immer verläßlich, — das im
I.Bande, S. 24, erwähnte Werk von Jos. Zhishmann: „Das Eherecht der
orientalischen Kirche", ist 1864 zu Wien im Verlage von Wilhelm Brau-