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Ausgabe:

1957 Nr. 7

Spalte:

537

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Ramm, Thilo

Titel/Untertitel:

Die großen Sozialisten als Rechts- und Sozialphilosophen 1957

Rezensent:

Fuchs, Emil

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537 Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 7

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Wie schon erwähnt, enthält der zweite Band Abhandlungen
zur Philosophie-Geschichte. Ich muß mich auf eine Aufzählung
beschränken, es sind Studien über Plato, Aristoteles, Leibniz u. a.

Der Wiederabdruck der verschiedenen, heute z. T. nicht mehr
zugänglichen, Kleinen Schriften H.s kann nur mit größtem Beifall
begrüßt werden. Die einzelnen Arbeiten geben einen Einblick in
die Entwicklung seines Denkens. Überall tritt uns eindrucksvoll
entgegen, daß H. einer der bedeutendsten Denker der letzten
Jahrzehnte gewesen ist. Streng in seinen Forderungen an sich
selbst, folgerichtig vorwärtsschreitend und unbeeinflußt von all
den Abwegen, auf die sich zur Zeit die Philosophie verirrt hat.

Hallo a/S. PaulMcnzcr

Ramm, Thilo, Doz.: Die großen Sozialisten als Rechts- und Sozialphilosophen
. 1: Die Vorläufer. 2. Hälfte: Die Theoretiker des Endstadiums
(von Charles Fourier bis Wilhelm Weitling). Stuttgart:
Fischer 1955. S. XIII—XIX u. 315—520. gr. 8°. DM 18.— ; Einbanddecke
DM 2.—.

Unter denselben Gesichtspunkten wie in der schon angezeigten
1. Hälfte dieses Bandes behandelt der Verfasser nun
Charles Fourier, Robert Owen, Etienne Cabet, Wilhelm Weitling
.

Sie alle drei haben ein Bild dessen, was geschaffen werden
soll und arbeiten an seinem Gestalten. Dabei sind Fourier und
Owen verbunden durch das erschütternd reine und zuversichtliche
Vertrauen auf die menschliche Vernunft, die man durch die
Erkenntnis der unzulänglichen Wirklichkeit dazu führen kann,
eine neue Regelung zu schaffen. Owen ist daneben aber auch der
Wahrhaft große Mann der gestaltenden Tat, der in seinen in im»
mer erneuter Zuversicht gestalteten Versuchen eine mächtige
Wirkung der Kritik am Bestehenden, auf Bewegungen zur Überwindung
bestimmter Schäden und vor allem auch auf die Erziehung
ausübt. Während er als Sozialreformer scheitert, scheitert
er nicht als die starke, Leben ausstrahlende Persönlichkeit.

Cabet ist der erste, der sich an das Volk wendet. So wirkt
er durch die Form eines Romans und sucht die Verbindung nach
der Politik.

Ganz aus dem Geiste und der Leidenschaft des vom Leben
mißhandelten Handwerkergesellen her wirkt und schreibt Wilhelm
Weitling. Seine Gedanken sind aus denen der Vorläufer zusammengesetzt
. Sein Eigenes ist das Bewußtsein, daß man nur
mit Gewalt die Erneuerung schaffen könne. Unter den Kräften,
durch die er die Masse in Bewegung setzen will, sieht er auch
das Christentum, das er in seiner ursprünglichen Form erneuern
möchte. Diese allerdings erscheint ihm als einem Menschen seiner
Zeit in einer seinen Gedanken angepaßten Form. Wichtig ist er
als der erste Deutsche und erste Proletarier, der diese Gedanken
aufgreift und für sie wirkt. Karl Marx, der mit ihm brechen
mußte, weil Weitling seine leidenschaftlichen Hoffnungen nicht
disziplinieren konnte noch wollte, sagt doch von ihm: „Vergleicht
man diese riesenhaften Kinderschuhe des Proletariats mit
der Zwerghaftigkeit der ausgetretenen politischen Schuhe der
deutschen Bourgoisie, so muß man dem deutschen Aschenbrödel
eine Athletengestalt prophezeien."

Auch diese zweite Hälfte ist in großer Gewissenhaftigkeit
gearbeitet, mit einem erstaunlich vollständigen Verzeichnis der
Werke und Literatur über jeden der behandelten Männer ausgestattet
und einem sehr hilfreichen Personenregister.

So zeigt der nun vollendete erste Band des Werkes, daß es
ein ganz ausgezeichnetes Hilfsmittel zu werden verspricht für
alle, die sich mit den Fragen des Werdens und der Probleme des
Sozialismus und seiner Gesellschaftskritik beschäftigen.

Leipzig Emil Fuchs

Nink, Caspar, S. J.: Metaphysik des Sittlich Guten. Freiburg: Herder
1955. IX, 164 S. gr. 8°. Lw. DM 9.60.

Der ursprünglich von Husserl kommende Religionsphilosoph
Nink (geb. 1885) ergänzt das von ihm angestrebte System ka-
tholisch-thomistischen Denkens (vgl. Sein und Erkennen 1938,
1952L'; Ontologie, Versuch einer Grundlegung 1952, dazu ThLZ
79, 1954,250—254) durch den Entwurf einer Metaphysik des

Sittlich Guten. Es kommt ihm dabei weniger auf den Ausbau
einer konkreten Ethik an als darauf, die systematischen
, in seinem Fall die ontologischen Grundlagen deutlicher
herauszuarbeiten als dies nach seiner Auffassung in der Ethik
dem im übrigen „sachlich und methodisch bestausgebildeten
Teil" der Philosophie (S. V des Vorworts), bisher der Fall
ist. So ist ihm gewiß unter den drei Teilen seines Werkes der
erste über ,das Wesen des sittlich Guten' (S. 10—63) der wichtigste
, wenn er . ihm auch einen zweiten über ,das Gesetz des sittlich
Guten' (S. 64—95) und über dessen .Verwirklichung' (S. 96
—158) folgen läßt. Aufschlußreiche Register runden den Entwurf
ab, der in einer nicht gerade leicht lesbaren Sprache geschrieben
ist.

Verf. glaubt „das sittlich Gute im Zusammenhang der Seinsvollkommenheiten
und ihrer innneren Gründe" (Teil I Kap. 1)
nachweisen zu können. Denn ihm ist „das Seiende kraft seines
Wesens wert- und zielbestimmt" und die Fundamente der Ethik
smd ihm ontologisch (S. 8). „In der einheitlich-sinnvoll-finalen
Struktur des Seins, nämlich im Verhältnis von Sinnerfülltheit und
Zielbestimmtheit, letztlich von Grund und Ziel gründet ein dem
Sein entsprechendes Sollen" (S. 9). So gibt es für ihn apriorische
«mzipien des sittlich Guten (Kap. 3), die aus der Struktur des
j>eins abgelesen werden können, und auch das Gewissen wird so
begründet. „Das Gewissen ist mithin .Stimme Gottes'; nicht aber
M ^'nn' a'S würde Gott seibst unmittelbar im Innern des
Menschen sprechen, oder in sein Inneres das Richtige hineinsprechen
; nicht in dem Sinne, als würde Gott unmittelbar die Gewissensregungen
hervorrufen, sondern in dem Sinn als der
Mensch kraft seines Seins, seines inneren Wesens und gottgegebenen
Maßes sinnvoll-final-aktiv, richtig wissend und gerecht entscheidend
der gottgesetzten Ordnung entsprechend reagiert"

Diese dem Menschen von Natur zugeschriebene ethische Erkenntnis
als Gesamtvermögen ist zwar nicht spannungslos und
ungefährdet. Aber „in dieser inneren Gegensätzlichkeit und
Spannung ist das Wissen um das Gute und das sittlich Gute wesensmäßig
größer als das Nichtwissen, sind Wertschätzung und
Liebe des Guten und sittlich Guten notwendig stärker und'tiefer
als Gleichgültigkeit und Abneigung dagegen, ist die Kraft zum
sittlich Guten größer als das Unvermögen; deshalb innerlich und
letztlich, weil die Akthaftigkeit... im Sein des Menschen — und
jedes ens contingens — notwendig höher sind als die Potentiali-
Jat und die mit ihr gegebene Begrenzung im Sein . . ." (S. 45).
yenn „auch die Unordnung, die Verdunklung und der Zwiespalt,
die (nach der übernatürlichen Offenbarung) durch die Erbsünde
in den Menschen gekommen sind, können die mit der inneren,
jnetaphysischen, gottebenbildlichen Natur und Bestimmung gege-
£e"e Gutheit im Sein und Fähigsein des Menschen nicht aufneben
" (S. 34 Anm. 28). Der dem Katholizismus eigentümliche
itarmonistische Grundzug in der Aussage über Wesen und Bestimmung
des Menschen wird also auch in diesem Entwurf durchgehalten
, ohne daß der Verf. sich mehr als am äußersten Rande
(in Gestalt einer Anmerkung, die auf M. Redings Philos. Grundlegung
der katholischen Moraltheologie 1953 und auf deren Abgrenzungen
hinweist) mit der reformatorischen Position beschäftigte
.

Da das Sein die Normen für das Sollen hergibt, kann der
Abschnitt über das Gesetz wesentlich kürzer sein. Wichtig ist
dabei dem Verf. u. a., daß es eine Gesetzeslücke nicht geben
kann, „d. h. einen Fall moralischen Verhaltens, der nicht unter
das Naturgesetz, seine autoritative Führung, sein Erlauben, Gebieten
oder Verbieten fiele" —, aber auch keine Gesetzesumgehung
, „d. h. keinen Weg moralischen Verhaltens, der am Naturgesetz
vorbeiginge" (S. 72). Das ist wohl eine imponierende
These zugunsten der umfassenden Geltung des Gesetzes; aber da
sie mehr vom Sein als von Gott, dem Gesetzgeber, her begründet
und verstanden wird, entbehrt sie doch der überzeugenden Kraft
und wird zum Ausdruck einer bloßen ontologischen Spekulation,
oder zum Denkmal einer ideologischen Kirchen- und Menschenherrschaft
.

Die vom Verf. vorgetragene Begründung der ethischen
Norm läuft aber nicht auf Autonomie des individuellen (kon-