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Ausgabe:

1957

Spalte:

530-531

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Sacris Erudiri, VIII 1957

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 7 530

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des Menschen wie des Kosmos behielt er einer nachfolgenden
Publikation vor. Da Meditationsbilder die Spitzengruppe der
Andachtsbilder sind, also aufs strengste subjektbezogen sind,
bedarf es zu ihrer Deutung der Psychologie ihrer Zeit, die eben
in der neuplatonisch-augustinisch-mittelalterlich mystischen Psychologie
vorliegt. Weil der Verf. sie virtuos beherrscht, gelingen
ihm faszinierende Deutungen, aus denen wir das Kreuzesbild
eines elfenbeinernen byzantinischen Triptychons (10. Jhdt.,
Abb. 4), eine Miniatur aus dem Zwiefaltener Codex (Abb. 6)
und die Tafel des Klaus von Flue besonders hervorheben. Das
Material zur Herzmeditation (Herz-Jesu-Bilder) führt zum Barock
hinüber. Obgleich der Verf. hier scharfe Auslese getroffen
hat, um auf der bisherigen Höhe zu bleiben, haben wir Abstieg,
Verflachung und Verniedlichung stark empfunden, obwohl ein
beachtlicher positiver Sinngehalt noch verbleibt.

Der Reformation wird gelegentlich eine unwirsche Bemerkung
gewidmet. So ist man nicht überrascht, über die Meditationsbilder
aus der Mystik des Protestantismus nur ein dürftiges
Kapitel zu finden. Näher wird auf Weigel und Böhme eingegangen
. Hier wäre erheblich mehr zu bieten gewesen; die Hochflut
allegorischer Andachtsbilder in der asketischen Literatur und an
Beichtstühlen und Emporenbrüstungen aus dem protestantischen
Barock scheint dem Verf. unbekannt zu sein. Allerdings versagen
vor ihnen die neuplatonisch-augustinischen Kategorien, womit
die Grenzen des Buches sichtbar werden. Nachdenklich stimmt in
diesem Zusammenhang das Eingeständnis, daß die Erneuerung
der Meditation im deutschsprachigen christlichen Bereich nicht
von Katholiken — ausgenommen Guardini —, sondern von Protestanten
ausgegangen sei (W. Stählin, K.B.Ritter, C. Happich).
Da der Verf. kaum der Ansicht sein wird, die Berneuchener und
ihre Freunde folgten der analogia entis und würden die mittelalterliche
Mystik erneuern, hätte er theologisch tiefer graben
müssen, um zu einem Verständnis protestantischen Symboldenkens
in der Gegenwart zu gelangen. Wohin seine endgültige
Fahrt gehen wird, fragt man sich zum Schluß mit einiger Beklemmung
. Die Abstraktionen der Mandala und Labyrinthe wie der
Böhmeschen und Weigelschen Meditationsbilder könnten den
Weg in die abstrakte Kunst eröffnen. Doch wäre eine Voraussage
aufgrund des vorliegenden Buches wohl verfrüht. So dankbar
man die Deutung schwieriger mittelalterlicher Meditationsbilder
hinnimmt, so unbefriedigt ist man über die ausgebliebene Neuorientierung
in den Fragen der Gegenwart.

Rostode G. Holtz

Rothe, Edith: Das Kirchenjahr. Wort und Bild im Dienst des Glaubens
(hrsg.). Berlin: Union Verlag [1956]. 159 S. mit Abb. gr. 8°.
DM 18.50.

Die Herausgeberin hat es sich zur Aufgabe gemacht, die
altkirchlichen Perikopen (meistens Evangelien, hier und da auch
Episteltexte oder Psalmen, wenn das um der Bebilderung willen
zweckmäßig erschien) durch Illustrationen aus der deutschen
Buchmalerei (vor allem des Mittelalters und da wieder bevorzugt
des früheren Mittelalters) zu veranschaulichen. Gelegentlich
stehen Text und Illustration in keinem unmittelbaren Verhältnis
zueinander. „Ftfr abstrakte Bibelworte, die nicht bildlich wiederzugeben
sind, wurden Schmudc- und Textseiten oder Evangelistenbilder
herangezogen."

Das drucktechnisch schön ausgestattete Buch (mit einer ganzen
Reihe farbiger Abbildungen, einem Nachwort der Herausgeberin
über die Entwicklung mittelalterlicher Buchmalerei und
sachdienlichen bibliographischen Hinweisen) legt keine neuen
Forschungsergebnisse vor, ist aber aus einer guten Kenntnis der
kunstwissenschaftlichen Situation erwachsen. Der Betraditer erhält
einen nachhaltigen Eindruck von dem Einfallsreichtum
mittelalterlicher Buchkünstler und der Fülle und der Vielseitigkeit
der möglichen Motive. Für die Benutzung in der kirchlichen
Praxis — etwa auch für Zwecke des kirchlichen Unterrichts oder
in der Bibelstunde — sind die Erläuterungen zu den einzelnen
Bildseiten wertvoll.

Halle/S. S. Scharfe

LITVRGIEWISSEN SCHAFT

Sacris Erudiri. Jaarboek voor Godsdienstwetenschappen VIII, 1
(1956). Uitgave van de Sint Pietersabdij, Steenbrugge. Brügge:
Beyaert; 's-Gravenhage: Nijhoff 1956. 247 S. gr. 8°. bfr. 320.

H. V o g e 1 s (Bonn) eröffnet den Halb-Band mit einem tröstlichen
Aufsatz: Die mittelalterlichen Bücherabschreiber waren
viel getreuere Kopisten, als einerseits diejenigen ihrer Kritiker
annehmen, welche den Wirrwarr der Varianten als Schläfrigkeits-
produkte ansehen — aber auch andererseits als diejenigen Kritiker,
welche speziell biblische Varianten als theologischen Dilettantismus
den Abschreibern ankreiden möchten. Vogels führt einen
Nachweis aus der Überlieferung des Ambrosiaster. Er überschreibt
seinen Aufsatz: Librarii dormitantes, und kommt zu dem
Resultat: Non dormitaverunt. —

Leo Eizenhöfer (Abtei Neuburg) stellt unter dem Titel
>»Te igitur und Communicantes im römischen Meßkanon" eine
Jungmann überbietende philologisch-patristisch gut begründete
Theorie auf, für welche er sich auf Kardinal Schuster berufen
kann. „Te igitur" betet um günstige Aufnahme des Opfers zu
Gott, und führt für diese erbetene günstige Aufnahme den Grund
bei: Dieses Opfer ist ja „erstens" (in primis) das Opfer der heiligen
katholischen Kirche („pro" = in Stellvertretung); und die-
fies „erstens" tut sich kund (la) in der Tatsache, daß es im
Kommunionzusammenhang mit dem Papste steht („communicantes
' = durch die Eucharistie begründete Gemeinschaft),
(lb) daß es in Einheit mit dem Festkalender der römischen Kirche
geschieht, (lc) daß es in Einheit mit der Urkirche (die jetzt
himmlische Kirche ist) steht, la: una cum famulo tuo papa
nostro N. [et omnibus orthodoxis atque catholicae et apostolicae
fidei cultoribus, womit die in Kommunioneinheit mit dem
Papste stehenden Bischöfe gemeint sind], lb: diem sacratissimum
celebrantes (an bestimmten Festen), lc: sed et memoriam vene-
rantes (folgt die Heiligenliste). Damit geht das „communicantes"
eindeutig auf la (und lb), aber nicht auf lc. Jetzt steht zwischen
la und „communicantes" dort Memento. Wie kam es „zwischenein
"? Eizenhöfer deutet: Als man „pro" im „Te igitur" als Fürbitte
verstand, konnte auch die Fürbitte für die Laien-Offerentes
hinzugetan werden. Aber so wurde das „communicantes" isoliert
— und zum Nachfolgenden gezogen. Man kann aber gerade
bei Eizenhöfers Theorie einwenden: Auch als „pro" „in Stellvertretung
" hieß, waren nicht bloß die Stellvertreter der Ecclesia
(Papst und Bischöfe) offerentes, sondern auch die Laien des Memento
(qui offerunt pro se suisque) — auch für sie galt das „Communicantes
" — und darum geschah der Einschub vor „communicantes
"! Jedenfalls: Jungmann und Eizenhöfer zusammen zeigen,
daß der römische Kanon eines der interessantesten liturgischen
Stücke des Abendlandes ist, und daß auf philologischer Basis
noch viel zu eruieren sein wird. Vor allem wird der „Bedeutungswandel
" eine Rolle spielen (nicht bloß „pro", auch „offerre") und
die Möglichkeit (siehe Hippolyt), daß der Oblationsblock von
»Te igitur" bis „Quam oblationem" einschließlich an die Stelle
des Jesus-Christus-Lobpreises getreten ist — denn „Qui pridie"
bezieht sich auf die Jesus-Christus-Geschichte (wie ja „Unde et
memores" diese Geschichte zusammenfaßt). Wo kam dann der
Oblationsblock her? Warum wurde er eingeschaltet? Hippolyt
hat den Oblationsblock nicht in der Bischofs-Messe, aber in seiner
„Apostolischen Überlieferung" spielt die Oblation eine große
Rolle.

S. J. P. van D i j k (Oxford) hält den Cod. Ottob. lat. 356
und den Cod. bibl. munic. von Avignon no. 100 gegen M. Andrieu
nicht für Zeugen der Liturgie der päpstlichen Kurie. Vielmehr
sieht van Dijk in diesen beiden Sakramentarien Zeugen
der Liturgie der Stadt Rom des 13./14. Jh., wie sie der Kardinal
Orsini 1255 einrichtete und derselbe als Papst Nikolaus III.
durchführte. Eben diese „Liturgia Urbis" wurde in zwei Formen
geübt, als Usus Curiae und als Usus der römischen Stadtkirchen.
Auf keinen Fall waren aber die beiden genannten Sakramentare
für die päpstliche Kapelle verfaßt worden. Dem Radulph von
Tongern weist van Dijk Widersprüche und historische Irrtümer
I in der Beurteilung der franziskanischen „Kurien-Liturgie" nach. —