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1957 Nr. 7

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 7

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B.s Persönlichkeit und bisher weniger bekannte Strecken seines
Lebens sind nun voll erhellt, seine Gesamtschau der Kultur- und
der Kunstgeschichte und viele Einzelauffassungen viel deutlicher
gemacht als es bisher der Fall war. Durch Ausbeutung des handschriftlichen
Nachlasses an Vorlesungen und Vorträgen erhalten
wir ein zusammenhängendes Bild von B.s wissenschaftlicher Entwicklung
und ein bedeutend vertieftes Verständnis seiner großen
Werke, deren Vorstufen in seinen Vorlesungen und Vorträgen
nun sichtbar sind. B.s erstaunliche Vielseitigkeit (er war auch ein
talentierter Zeichner und Dichter, er sprach fließend italienisch,
er verfügte über treffsicheren politischen Blick und auch Vorausblick
) steht nun in hellem Licht.

Die Hauptkorrektur, die das bisherige B.-Verständnis empfängt
, betrifft B.s Verhältnis zum Mittelalter. Der Gotik (der
Architektur) steht er voll Bewunderung gegenüber. Gotik und
Renaissance sind nicht Gegensätze, die Renaissance wächst vielmehr
aus der Gotik heraus. Das Zeitalter Konstantins, der Cicerone
, die Kultur der Renaissance sind nicht zusammenhanglos
nebeneinander liegende erratische Blöcke, sondern die allein ausgeführten
Felder eines im übrigen nicht ausgeführten Planes, der
nichts Geringeres als eine ganze Reihe kulturgeschichtlicher Monographien
umfaßte. Die Bedeutung des hl. Franz für die Kunstgeschichte
hat nicht Thode entdeckt, sie ist schon von B. betont
worden (S. 88). Und Grünewald kann wirklich nicht erst nach
1890 entdeckt worden sein, sondern B. hat Grünewald in den
Kuglerschen Text eingefügt und als erster den großen Isenheimer
Altar Grünewald zugeschrieben (S. 101). Schon früh sah B. das
Problem des Verhältnisses des armenisch-kleinasiatischen Kirchenbaus
zur abendländischen Romanik (S. 119). Die Renaissance
ist nach B. nicht eine Wiedergeburt der Antike (S. 498); B. ist
nicht so sehr weit davon entfernt gewesen, die Renaissance als
e'nen „Herbst des Mittelalters" aufzufassen (S. 499), usw. Eine
Menge von glücklichen Einzelcharakteristiken aus B.s Werkstatt
teilt uns Kaegi mit. Ich verweise nur auf die glänzende Charakteristik
des Justinian und der Theodora in S. Vitale in Ravenna
(S- 72). Geschichtliche Studien sind nach B. „die wichtigste Beschäftigung
des Gebildeten" (S. 371).

Die Leistung Kaegis kann nur aufs höchste gerühmt werden.
Er hat mit großer Hingabe, erstaunlichem Fleiß, vollendeter Sachkenntnis
und feinem Empfinden für jede Nuance ein sehr bedeutendes
Werk geschaffen. Wir haben in diesem Bande ein faszinierendes
Buch vor uns. Hoffentlich tut es seine Wirkung. Niemand
sollte künftig wagen, über B. und die Renaissance sich zu
äußern, der nicht Kaegi Bd. III gründlich studiert hat.

Jena Karl He u ss i

Delattre, P.: Un martyr de 6eptembre 1792: Le Bienheureux Nicolas
-Marie Verron.

Nouvelle Revue Theologique 89, 1957 S. 516—518.
Galt ton, G.: Le reveü du jansenisme, Pasquier Quesnel et le Pere
de la Chaize (1696-1708).

Nouvelle Revue Theologique 89, 1957 S. 388—401,
M a a ß, Ferdinand: Maria Theresia und der Josephinismus,

Zeitschrift für katholische Theologie 79, 1957 S. 201—213.
Müller, Günter: Hat Papst Clemens XIV. die Kastration von Sängerknaben
verboten?

Zeitschrift für Kirchengeschichte LXV1II, 1957 S. 129—138.
Prvulovich, Z. R.: Prince-Bishop NjegiS's Dialectical Idealism.

The Journal of Theological Studies VII, 1956 S, 56—68.
Rideau, E.: Le positivisme est-il depasse?

Nouvelle Revue Theologique 89, 1957 S. 494—515,
R i j p e r, C. P. T.: Natura in het Vaticanum.

Gereformeerd theologisch Tijdsdirift 57, 1957 S. 48—59.
Rüsch, Ernst Gerhard: Bemerkungen zum theologischen Studiengang

Joh. Chr. Blumhardts.

Theologische Zeitschrift 13, 1957 S. 102-108.
V i n a y, Valdo: Ernesto Buonaiuti und die römisch-katholische Kirche,

Nederlands Theologisch Tijdsdirift 11, 1957 S. 249—266.
W a 1 t y, J. N.: Bulletin d'histoire des institutions chretiennes. L'£glise

et le monde moderne.

Revue des Sciences philosophiques et theologiques XLI, 1957 S, 353
bis 369.

KIRCHENKUNDE

Guggisberg, Kurt: Der Jesuitenartikel. Warum erhielt Art. 51 in
der heute noch geltenden 74er Verfassung eine verschärfte Form?
Zollikon-Zürich: Evangelischer Verlag 1956. 104 S. 8° = Konfes-
sionskundliche Schriftenreihe, hrsg. vom Schweizerischen Protestantischen
Volksbund, H. 2, Kart. DM 2.90.

Die schweizerische Bundesverfassung enthält zwei konfessionelle
Ausnahmeartikel. Artikel 51 bestimmt: „Der Orden der
Jesuiten und die ihm affiliierten Gesellschaften dürfen in keinem
Teile der Schweiz Aufnahme finden, und es ist ihren Gliedern
jede Wirksamkeit in Kirche und Schule untersagt..."; Artikel
52 erklärt im weiteren: „Die Errichtung neuer und die Wiederherstellung
aufgehobener Klöster oder religiöser Orden ist unzulässig
." Nun wurde im Auftrag der katholisch-konservativen
Fraktion der Bundesversammlung durch Ständerat Ludwig von
Moos am 24. Juni 1954 eine Motion eingereicht, welche die Aufhebung
dieser konfessionellen Bestimmungen in der Bundesverfassung
bezweckt. Diese Bestrebungen, die freilich keine Aussicht
auf Erfolg haben, lösten nun in der Schweiz eine teilweise
6ehr erregte Diskussion über das Problem „Römisch-katholische
Kirche und demokratischer Staat" wie über den Jesuitenorden
aus.

Nachdem der Basler Ernst Staehelin sich in der Schrift „Die
Jesuitenfrage" (Helbing und Lichtenhahn, Basel, 1955, 60 S.) zur
Sache vernehmen ließ, veröffentlichte jetzt der Berner Kurt
Guggisberg, wie Staehelin Kirchenhistoriker, die Studie über den
Jesuitenartikel in der Bundesverfassung. Er befaßt sich ausdrücklich
nicht mit dem Wortlaut von 1848, sondern mit dem seit 1874
gültigen. Denn dieser brachte gegenüber der ersten Fassung eine
Verschärfung, indem 1874 bei Art. 51 neu Alinea 2 (Dieses Verbot
kann durch Bundesbeschluß auch auf andere geistliche Orden
ausgedehnt werden, deren Wirksamkeit staatsgefährlich ist oder
den Frieden der Konfessionen stört.) eingefügt wurde. Guggisberg
untersucht die Gründe, die zu dieser Ergänzung führten und
legt das Ergebnis seiner Forschungen in der vorliegenden Schrift
vor.

Der Verfasser geht davon aus, daß sich im 19. Jahrhundert
die konfessionellen Gegensätze erneut verschärften, die römischkatholische
Kirche in der Restauration „zu neuer und zum Teil
glanzvoller Machtentfaltung" erstand. Der römische Katholizismus
wurde „kämpferisch und exklusiv gegenüber dem aufklärerischen
und idealistischen Gedankengut, das zum Teil auch in ihm
heimisch geworden war" (S. 5). Die Enzyklika „Quanta cura"
tnit dem beigefügten Syllabus und die dogmatische Erklärung der
lnfallibilität des Papstes anläßlich des Vatikanums wirkten sich
ln der Schweiz auf die Beziehungen zwischen Bundesstaat und
romisch-katholischer Kirche negativ aus. Als Träger der neuen
Entwicklung innerhalb des römischen Katholizismus sah man
ausschließlich die societas Jesu. Die Jesuiten wurden erneut, wie
bereits vor 1848 als dem Jahr des Inkrafttretens der neuen, noch
nicht revidierten Bundesverfassung, Gegenstand heftiger Angriffe.
Im Mittelpunkt des Kampfes stand als ihr Gegner Regierungsund
Ständerat Augustin Keller. Er war Katholik, nach
Guggisberg „weder irreligiös noch antikirchlich", sondern Vertreter
„einer Mischung von politischem Radikalismus und religiösem
, von rationalistischen Ideen beeinflußten Katholizismus
der Aufklärungszeit". „Er fühlte sich. . . auch dem Idealismus
verbunden und trat kraftvoll für Humanität ein" (S. 43 f.). Die
oberste Exekutivbehörde des Landes, der Bundesrat, richtete am
17. Juni 1870 eine Botschaft an die Bundesversammlung, in der
scharf die neue Situation umrissen war, die sich seit dem Vatika-
num ergeben hatte. Das vermutlich von Bundespräsident Dubs
abgefaßte Schriftstück zeigte, daß der Bundesrat bereit sei, „Übergriffe
der katholischen Kirche abzuwehren".

Die Revisionsdebatten zogen sich nun ziemlich lange hin.
Sie werden vom Verfasser ausführlich dargestellt. Ereignisse enthüllten
die bestehenden Spannungen: Bischof Lachat von Basel
ließ trotz Verbot der Diözesanstände die Konzilsbeschlüsse in
seiner Diözese verkündigen. Darauf wurde er von den Diözes-
anständen — nicht von der Kurie — am 29. Januar 1873 abge-