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1957 Nr. 7

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 7

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rade die6e Kapitel bilden aber auch einen wertvollen Beitrag zur
hermeneutischen Diskussion ums AT (v. Rad — Baumgärtel).
G. ist mit Hirsch der Ansicht, daß Luther in seiner Auffassung
vom Gesetz den Grund für eine menschlich-autonome Gestaltung
der gesamten Weltwirklichkeit legt. ,.Keimhaft ist darin
der ganze neuzeitliche Säkularismus schon enthalten, und jeder
Versuch, ihn rückgängig zu machen, muß jedenfalls auch hinter
Luther zurückgehen" (S. 72). Von hier ergeben sich viele Fragen
(vgl. die Besprechung von Steeles Untersuchung!). Es wird wieder
einmal deutlich, wie tief die theologischen Gegensätze sind und
wie sie sich in Arbeiten ähnlicher Thematik (Gerdes — Steck) ausprägen
. Kap. IV bezieht Müntzer in die Darstellung ein. Während
bei Karlstadt die unverbrüchliche Schriftautorität das Grunddatum
seines Systems ist und die Geistlehre (G. nennt sie einmal
ein „Mäntelchen") ein wenig durchdachtes Mittel zu dessen
Durchführung, findet Müntzer allein in der unmittelbaren Verbindung
mit Gott die Sicherheit seines Glaubens. Während nach
Luther die lex naturae den Menschen ins Herz geschrieben ist,
bezeugt sich nach Müntzer auch das unmittelbare Gotteswort im
Herzen des Menschen, der wahre Christenglaube selber. Der unmittelbare
Verkehr mit Gott ist Müntzer das Natürliche. Wer
aber die Voraussetzung für die Gliedschaft im Bund Gottes erfüllen
will, der muß eine gesetzliche Gerechtigkeit leben. Das
Evangelium ist nicht „Lust und Gaudium" wie bei Luther, Freude
über die Vergebung der Sünde. Dort drücke man sich ja vor der
Aufgabe, die Welt in Ordnung zu bringen. Für Müntzer ist nicht
der Gottesfriede das Entscheidende und Primäre, sondern der
Glaube, das Gewissen. Sie werden neu ans Gesetz gebunden!
Nicht die menschliche Vernunft hat mit der Welt und ihren Aufgaben
fertig zu werden, sondern der Glaube, der identisch ist mit
dem nur den Auserwählten erschlossenen Gotteswillen, der im
Grunde eine knechtende, gesetzliche äußere Ordnung theokra-
tisch-politischen Charakters ist, deren Folie doch das AT bildet
. Den Reichtum des Kapitels an scharfsinnigen Beobachtungen
kann man nur andeuten. Kap. V weist dadurch einen Mangel auf,
daß Gerdes bei der Behandlung von „Luthers Lehre vom duplex
usus legis als letzte Frucht seiner Auseinandersetzung mit den
Schwärmern" auf eine Berücksichtigung der Diskussionsergebnisse
um den tertius usus legis (vor allem: Joest: Gesetz und Freiheit)
verzichtet. So erfreulich die aus den Quellen gearbeitete Untersuchung
wirken muß, so bedauerlich ist doch ihre monologische
Verfahrensweise, die sich gerade in der gänzlichen Vernachlässigung
der reichhaltigen Literatur zum Thema zeigt. Dennoch handelt
es sich um eine sehr wertvolle Arbeit, um eine Arbeit mit
Profil!

Neucndcttelsau F.W. Kantzenboch

Weerda, Jan: Holbein und Calvin. Ein Bildfund. Neukirchen Krs.
Moers: Verlag der Buchhandl. des Erziehungsvereins [1955]. 40 S..
8 Taf. 4°. Pp. DM 12.50.

Im Besitz des Freihenn v. Pölnitz auf Schloß Aschbach bei
Bamberg befindet sich das Bildnis eines Mannes in mittleren Jahren
, das auf der Rückseite die Inschrift trägt: „Calvin peint par
Holbein", außerdem den Namen eines, wie W. annimmt, früheren
Besitzers zeigt, „den man als C. Host lesen kann".

Dem mit diesem Tatbestand gegebenen Problem geht W.
nach, indem er die Doppelfrage: Calvin? — Holbein? prüft. Die
Antwort auf die erste Frage ist zustimmend, und zwar auf Grund
von Vergleichen mit den authentischen bisher bekannten Calvinbildern
, deren wichtigste abgebildet werden. Unter ihnen wird
für Deutschland erstmalig das angebliche Porträt eines jugendlichen
Calvin, das 1929 in den Besitz des Genfer Reformationsmuseums
kam und dem Holzschnitt von 1559 merkwürdig nahesteht
, reproduziert. Wichtig und einleuchtend sind die Zweifel,
die in diesem Zusammenhang gegenüber der Authentizität des Hanauer
Bildes laut werden, dem jüngstens ja die Opera selecta
große Verbreitung gewährt haben.

Nicht ganz so zustimmend lautet die Antwort auf die Frage:
Holbein? Die junge Zuweisung (vermutlich Wende des 18. Jhdt.s)
wird insofern Richtiges gesehen haben, als das Bild tatsächlich aus
den 40er Jahren des 16. Jhdt.s herrühren muß und keine Kopie
sein wird, überdies dem Einflußbereich Holbeins entstammen kann.

Überlegungen über die Möglichkeiten der Begegnung Calvins mit
Hans Holbein d. J. schließen sogar diese nicht aus. — Bei der
Prüfung der Holbein-Tradition anderer Calvin-Bilder fallen aufschlußreiche
„Enthüllungen" zu diesem Thema ab; nicht eine dieser
Traditionen ist stichhaltig.

Es bleiben freilich Fragen. Das neue Bild zeigt ein verhältnismäßig
fleischiges Gesicht, viel voller als alle anderen Typen von
Calvindarstellungen, die wir bisher kennen. Erst recht ist die
Kinnpartie weitaus kräftiger als auf anderen Bildern. Leider ist
ein Vergleich der Farben des Barthaares nicht durchgeführt. Auf
dem Aschbacher Bild „schimmert sie ins Kastanienbraun". — Die
Handhaltung des Aschbacher Bildes ist überdies deutlich anders
als die der übrigen Darstellungen; es wendet die Handfläche nach
außen statt nach innen. Umgekehrt ist der hochgestreckte Zeigefinger
dieser Hand Anlaß genug, einem Späteren neben allem Anderen
die Behauptung, es sei Calvin, nahezulegen. — Die relativ
späte Zuschreibung und Namengebung des bis zum Ausgang des
18. Jhdt.s angeblich in jeder Beziehung namenlos gewesenen Bildes
erregt natürlich auch Bedenken. Leider läßt sich offenbar in
Aschbach nicht mehr feststellen, woher das Bild dorthin kam
(S. 17). Ob nun vielleicht jemand auf Grund dieser Publikation
zu sagen vermag, wer mit der Notiz „C. Host" gemeint sein
könnte?

Eine weitere Frage drängt sich auf, die W. (jedenfalls in seiner
Untersuchung) sich nicht gestellt hat. Die genannte Inschrift
scheint nicht eindeutig lesbar zu sein (S. 7). Könnten Zusammenhänge
zwischen beiden Inschriften bestehen? Ist es denkbar, daß
aus dem C. Ho(st) ein C(alvin) Ho(lbein) herausgesponnen worden
ist? Das würde freilich voraussetzen, daß ersteres älter wäre
als letzteres, worüber W. glaubt umgekehrt urteilen zu müssen.
Immerhin ist die Parallele der entscheidenden Buchstaben so auffallend
, daß sie beachtet werden muß. Die damit gestellte Frage
erhält erhöhtes Gewicht dadurch, daß es einen Monogrammisten
C H aus der Holbeinschule gegeben hat, der im 2. Viertel des
16. Jhdt.6, vermutlich sogar in Basel, tätig gewesen ist (vgl.
Thieme-Becker). Kann hinter dem „ost" ein „pxt" 6tecken? Wie
und wo hat der Monogrammist in den zuweisbaren Bildern signiert
? Alles dies kann natürlich nur an den Objekten 6elbst geklärt
werden.

Greifswald Ernst Kahler

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Green, Lowell C: Die exegetischen Vorlesungen des jungen Melan-

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Jensen, Wilhelm: Doktor Johannes Bugenhagen Pomeranus und der

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Als Manuskript gedruckt (Gesellschaft für pommereche Geschichte und

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Kerygma und Dogma 3, 1957 S. 109-139,
S t u p p e r i c h, Robert: Melanchthon und die Täufer.

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Wendorf, Hermann: Joachim Camerarius (1500—1574).

Herbergen der Christenheit. Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte

1957 S. 34—87.