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Ausgabe:

1957 Nr. 7

Spalte:

514-516

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Bruck, Eberhard Friedrich

Titel/Untertitel:

Kirchenvaeter und soziales Erbrecht 1957

Rezensent:

Altaner, Berthold

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 7

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2. Abschnitt: „Innenpolitische Wandlungen als Voraussetzung
der katholischen Bündnispolitik", betont V., nach der für die
Evangelischen erfolgreichen Berner Disputation von 1528 seien
die Protestanten zur Offensive übergegangen, besonders habe das
christliche Burgrecht der Städte, zuerst Zürich mit Konstanz, dann
diese mit Bern, offensiven Charakter gehabt, da es eine Neuverteilung
der Herrschaftsverhältnisse im Thurgau und den Schutz
der evangelischen Predigt in den Gemeinen Vogteien vorgesehen
habe, also damit gegen das historische Recht verstoßen habe, wonach
der herrschenden Mehrheit der Orte auch die Entscheidung
in Glaubensfragen zugekommen war. Der 3. Abschnitt: „Der Anschluß
der katholischen Orte an Österreich", zeigt nun, wie die
katholischen Orte „den Gefahren eines vernichtenden Krieges
begegnen", „die immer drohendere Einkreisung durch die protestantischen
Städte durchbrechen und deswegen einen ebenso
festen Ring von Bundesgenossen um die protestantischen Städte
schlagen mußten" (S. 70). Die Initiative ging aber von Österreich
aus. Besonders wichtig für die Erkenntnis der Entschlüsse
auf österreichischer Seite erweist sich der Bericht über die Beratungen
der Räte in Innsbruck im Januar 1529, veröffentlicht von
Leo Weisz, „Unbekannte ausländische Quellen zur Geschichte der
Kappelerkriege" (Geschichtsfreund 86, Stans 1931). Die schließlich
zu Waldshut verbriefte „Christliche Vereinigung" vom
22. April 1529 bezeichnet V. im Gegensatz zu Escher als strikt
defensiv. Österreich habe keinen Krieg in der Schweiz beginnen
wollen. Die von V. dafür vorgelegten Zeugnisse aus österreichischen
Quellen erscheinen als zwingend. Aus dem Passus des Bündnisses
über die Verteilung von Eroberungen darf nicht auf offensive
Absichten geschlossen werden. Das gilt dann aber m. E. auch
für das „Christliche Burgrecht", das sich ebensosehr als defensiv
, zum Schutze des Glaubens geschlossen, bezeichnet.

Der Referent möchte gegenüber beiden Seiten geltend machen
, daß eine Polemik über offensive und defensive Politik kaum
zu einem Ergebnis führen kann. Wie hätte die Reformation je
anheben können, ohne den Bestand der bisherigen kirchlichen
Ordnung anzugreifen? Wie hätte sie sich ohne Offensive je ausbreiten
können? Es waren ihr ja nirgends Grenzen gesteckt, sowenig
wie dem bisher geltenden katholischen Bekenntnis. V. sagt
selbst: „Daß dadurch (durch die Auslieferung der aufrührerischen
Rädelsführer 1524) der Fortgang der protestantischen Glaubensbewegung
unterbunden werden sollte, ist klar, kann aber in keiner
Weise überraschen . . ." (S. 40). Innerhalb der Eidgenossenschaft
war das schwierigste Problem das Condominium katholischer
und protestantischer Orte in den sogenannten Gemeinen
Vogteien, wie der Grafschaft Baden und den Freien Amtern im
Aargau, wie dem Thurgau, Sargans, Rheintal usf. Hier galt bisher
, daß in wichtigen Regierungsfragen die Mehrheit der am Regiment
beteiligten Orte entschied. Sie hätte jede Reformation
verhindern können, die 5 katholischen Orte hatten die Mehrheit,
oder die 7 katholischen Orte in den ennetbirgischen Vogteien.
Demgegenüber machten Zwingli und die reformierten Orte geltend
, der Entscheid für oder gegen die Reformation sollenden einzelnen
Gemeinden überlassen werden, in denen dann die Mehrheit
ausschlaggebend sein sollte. V. sieht darin einen Widerspruch
: Auf eidgenössischem Boden träten die Reformierten für
das Recht der Minderheit, innerhalb der Gemeinden für die Mehrheit
ein. War aber nicht der Entscheid innerhalb einer Gemeinde
ein wesentlich höherer Grad von Freiheit, als ein Befehl von
Seiten der außenstehenden regierenden Herren? Der Gemeindeentscheid
entsprach auch Zwingiis Kirchenbegriff, da die Gemeinde
der konkrete Ort ist, da das Evangelium wirklich gepredigt
und gehört werden kann. Besonders interessant zeigt V.,
wie das katholische Obwalden für die Freiheit der Berner Oberländischen
Untertanen eintrat und so wie Zürich erklärte, der
Glaube betreffe die Bünde nicht. Man erkennt, wie es V. selbst
an vielen Punkten tut, daß eben Religion und Politik nicht zu
trennen waren. Die Berufung auf das alte, historische Recht bedeutete
im Augenblick, da sich die Glaubensfrage stellte, Bindung
des Rechts an die römisch-katholische Kirche. Historisch-
Paritätisch muß also den Protestanten die Möglichkeit offen gelassen
werden, ihrem Glauben auch Recht zu verschaffen. Von
diesem Gesichtspunkt aus müßte der Referent im einzelnen zur
Auffassung des Verfassers Stellung nehmen.

Nur zwei Fragen seien noch berührt: V. unterscheidet bei
den katholischen Orten den zuerst nur theologisch geführten
Kampf gegen die Reformation, der sich durch den Anschluß an
die Beschlüsse des Regensburger Konventes von 1524 im Glaubenskonkordat
von 1525 und in den Beschlüssen nach der Disputation
von Baden 1526 vollzog, den V. hier allerdings nicht
näher behandelt, von dem späteren politischen Bündnis von 1529.
Es darf aber gefragt werden, ob ein Beschluß zur Vernichtung der
Ketzerei im Sinne des „Regensburger Ediktes" von 1524 nicht
doch auch schon rechtlich-politische Konsequenzen habe.

Am Schluß S. 120 schreibt V: „Daß sie sich (die katholischen
Orte) als Minderheit behaupten konnten, verdankten sie
nicht zuletzt auch Österreich. Sie stützten sich auf das historische
Recht: auf die Ständern e h r h e i t" (von mir gesperrt). V. will
sagen, daß die katholischen Orte hinsichtlich Gebiet und Bevölkerung
der kleinere Teil der Eidgenossenschaft waren, nachdem
Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen mit ihren Territorien reformiert
geworden waren. Nun fährt V. S. 121 fort und schließt:
„Die katholischen Orte kämpften für ihr Selbstbestimmungsrecht,
das sie noch Jahrhunderte später stets verteidigten. Nur insoweit
sie sich als Minderheit behaupteten, konnten 6ie schließlich das
Ihre zum Wesen des eidgenössischen Bundes beitragen: eine staatliche
Gemeinschaft auf ethischen Grundlagen zu sein, in der niemals
reine Mehrheit und Macht entschieden." Von diesem von
uns voll und ganz unterstützten Gesichtspunkt aus dürften wir
doch auch den Kampf Zwingiis um das Recht evangelischer Minderheiten
innerhalb der Regierung der Gemeinen Vogteien bejahen
.

ZUr'* Leonhard von Muralt

Kraft, Wilhelm: Die Eichstätter Bischof sdironik des Grafen Wilhelm
Werner von Zimmern eingeleitet und hrsg. Würzburg: Sdiöningh in
Komm. 1956. VI, 91 S. 4° = Veröffentl. der Geselle*, f. Fränkische
Geschichte, l. Reihe: Fränkische Chroniken, Bd. 3. DM 4.80.

Der Würzburger Chronik des Grafen von Zimmern folgt
hier nach den gleichen Ausgabegrundsätzen die Chronik der Eichstätter
Bischöfe. Vorausgeschickt wird eine kurze Darstellung der
kulturellen Stellung Eichstätts im Mittelalter und eine ausführlichere
Darlegung der wichtigsten Grundlagen für eine eichstättische
Bischofsgeschichte im 16. Jahrhundert. Die Ausgabe gibt
lediglich den Text ohne weitere Bemerkungen wieder. Das ist
verständlich. Man bedauert es aber um so mehr, als man von
dem Herausgeber in dieser Hinsicht Besonderes erwarten dürfte.

Nürnberg Matthias Simon

E » g e 1, Wilhelm: Die Burgen Frankenberg über Uffenheim. Mit einem
burgenkundlidien Nachwort von Hellmut Kunstmann. Würzburg
: Schöningh in Komm. 1956. 92 S., 12Taf. gr. 8° = Veröffentlichungen
der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX. Reihe,
11. Band. DM 3.50.

Der bekannte fränkische Historiker zeigt hier, wie die so
selbstverständlich auf beherrschender Höhe stehende Burg eine
recht verwickelte, sehr interessante Geschichte als sich zeitweise
feindlich gegenüberstehende Burgenzweiheit durchlebt hat. Dabei
werden mancherlei Ereignisse und Fragen der örtlichen Kirchengeschichte
berührt. Ein hervorragender Burgenkenner deutet
sodann die heute nur noch im Gelände vorhandenen Reste der
einst beherrschenden Burg Hinterfrankenberg.

Nürnberg Matthias S i mon

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Bruck, Eberhard F.: Kirchenväter und soziales Erbrecht. Wanderungen
religiöser Ideen durdi die Redtte der östlichen und westlichen Welt.
Berlin-Göttingen-Heidelberg: Springer-Verlag 1956. XI, 286 S. gr. 8°.
DM 36.-.

Seit 1926 erforscht der international bekannte frühere Brcs-
lauer Professor Bruck, der vor dem Nazi-Terror nach den LISA
flüchten mußte und an der Harvard-University einen neuen Wirkungskreis
fand, vor allem die Beziehungen, die zwischen Kultur
, Religion und Politik und der Rechtsentwicklung bestehen.
So erschien 1954 in demselben Verlag wie das hier zur Bespre-