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Ausgabe:

1957 Nr. 7

Spalte:

505-508

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rowley, Harold H.

Titel/Untertitel:

The faith of Israel 1957

Rezensent:

Hesse, F.

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 7

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und die Behandlung des von diesem Punkte bis zur Gründung der
Aelia Capitolina reichenden Zeitraums, werden an Farbe und Lebendigkeit
noch gewinnen, wenn die während des letzten Jahrzehnts
in der Wüste Juda gemachten Funde ganz ausgewertet sind.
Einen Ausblick darauf gibt Vincent selbst in seinem, der im übrigen
seit Jahren abgeschlossenen Darstellung am 23. März 1955
hinzugefügten Schlußwort sowie mit der Mitteilung des auf der
letzten Tafel abgebildeten, mit hebräischen Druckbuchstaben transkribierten
und ins Französische übersetzten Briefes Schim'ons
ben-Koseba, der zu den Neufunden gehört.

Die Anzeige der ersten Hälfte des Vincent-Steveschen großen
Werkes, wie sie in ThLZ 79, 1954, Sp. 671—674 abgedruckt
ist, schloß mit diesen Worten: „Das vorliegende Buch gibt der
um die Archäologie Jerusalems bemühten Forschung starke Antriebe
. So hat die Wissenschaft allen Grund, dem greisen Verfasser
und seinem jugendlichen Helfer für ihre wertvolle Gabe
von Herzen dankbar zu sein und ihnen aufrichtig zu wünschen,
daß es ihnen vergönnt sein möge, ihr großes Werk bald glücklich
zu vollenden." Daß diese Hoffnung so bald und so vollkommen
in Erfüllung gegangen ist, gibt Anlaß zu erneuter und vertiefter
Dankbarkeit.

Halle/Saale OttoEißfeldt

RowIey,'H. H.: The Faith of Israel. Aspccts of Old Testament
Thought. London: SCM Press [1956]. 220 S. 8° = The James Sprunt
Lectures delivered at Union Theological Seminary, Richmond, Virginia
, 1955. 18 s.

Der durch eine Reihe fundierter Veröffentlichungen rühmlich
bekannte Verfasser, Professor of Hebrew Language and Literatur
an der Universität Manchester, hat im Jahre 195 5 am Union
Theological Seminary zu Richmond, Virginia, U. S., eine Reihe
von Vorlesungen gehalten, die er nun einem weiteren Leserkreis
unter dem Titel „The Faith of Israel" zugänglich macht. In ihm
gibt er einen Überblick über die wichtigsten Glaubensgedanken
Israels, wobei er sich als Leser offenbar auch des Hebräischen
Unkundige denkt; jedenfalls ist der durchgehende Text (ohne
die Anmerkungen) so gehalten, daß ihn auch Leser verstehen, die
nur die Revised Standard Version vor sich haben.

Es handelt sich bei diesem Werk also um die großen Linien
einer alttestamentlichen Theologie. Ein Blick auf Einteilung und
Inhalt macht das deutlich:

In der Einleitung (S. 13—22) spricht R. zunächst über die Schwierigkeiten
der von ihm angefaßten Aufgabe, um dann einiges über das Verhältnis
der beiden Testamente und die Beziehung des ATs zu uns zu
sagen. Hierbei betont er kräftig die Einheit der Bibel, die allerdings
als „the unity of growth" (S. 14) verstanden werden muß. Auch innerhalb
des ATs gibt es ein solches Wachsen, wie man besonders am Verhältnis
der späteren israelitisch-jüdischen Religion zu den Wurzeln des
Glaubens sieht. Als solche nennt R. die vormosaische altsemitische Religion
, die Mose-Sinai-Religion und die kanaanäischen Elemente. Dabei
enthält der Mosaismus keimhaft bereits alles, was die Religion der späteren
Zeit, vor allem der Propheten, auszeichnet; diese haben nichts
Neues geschaffen, sondern nur entwickelt, was in der Mosereligion schon
als Samen da ist. Innerhalb der vielfältigen und sehr verschiedenartigen
Glaubensgedanken, die das AT enthält, muß die alttestamentliche
Theologie auswählen; Maßstab ist dabei „the genius of Israel's reli-
gion (S. 17). R. warnt davor, irgendwelche theologischen Begriffe wie
Bund Erwahlung, Heil zur „key idea" zu machen Eine Tatsache gibt
es allerdings, die uns bei aller Vielfalt die Einheit der at.lichen Gedankenwelt
,a die Einheit der ganzen Bibel garantiert: daß wir hier
vor der Offenbarung Gottes stehen.

Über die Offenbarung und „its media" spricht R dann im 1. Kapitel
(S. 23-47). Dabei ist neben einer Reihe anderer Offenbarungs-
mittcl die Erfahrung (experience of men) besonders wichtig. Selbstver-

l-A E£ 'St nidU ^Cde Erfanrung von Gott' aber Gott benutzt menschliche
Erfahrung, auch solche ganz „profaner" Art, etwa im politischen
Oesdiehen, um sich zu offenbaren. Früh hat sich Gott auch schon im
'S" ™eWort offenbart- wie uns das Sinai-Ereignis zeigt. Stärker
ais aie Uttenbarungsmittel stehen aber die Offenbarungsmittler im Vordergrund
: Könige, Priester, vor allem die Propheten, bei denen es nicht
au die rorm ihres Auftretens, vielmehr auf den Inhalt ihrer Botschaft
ankommt Das Besondere des at.lichen. ja des biblischen Kerygmas ist
in der Verbindung von bestimmten geschichtlichen Fakten mit einzigartigen
Persönlichkeiten (the combination of historical and personal
tactors, S. 40) zu sehen.

Kap. 2 (S. 48—73) beschäftigt sich mit dem Wesen Gottes (The
Nature of God). Die „moral attributes of God": seine Liebe, sein Erbarmen
, sein Zorn u. a. m. sind dem AT besonders wichtig. Man kann
auch nicht von den Eigenschaften Gottes sprechen, ohne auf sein Verhalten
zu Israel zu achten; hier steht die Tatsache der Erwählung im
Vordergrund. Der Monotheismus ist bei Mose schon im Keime da, bei
Deuterojesaja voll entfaltet. Dieser absolute Monotheismus, bei dem
kleinen, unbedeutenden Israel eigentlich ein Wunder, ist nicht anders
zu verstehen als „the gift of revelation".

Kap. 3 (S. 74—98) wendet sich dann der Sicht des ATs vom Menschen
zu (The Nature and Need of Man). Wenn der Mensch Gottes
Ebenbild heißt, so ist das nicht physisch gemeint, sondern geht auf
seine Sittlichkeit (moral nature). Eingehend wird in diesem Zusammenhang
das Israel von seiner Umwelt so stark trennende Bilderverbot behandelt
. Mit Gott teilt der Mensch seine Geistigkeit; sie befähigt ihn
zur Gemeinschaft mit Gott. Diese darf nicht naturhaft-physisch verstanden
werden; sie ist vielmehr von geistig-sittlichen Faktoren bestimmt
. Es gibt Gemeinschaft einmaliger Art mit Gott, etwa bei den
Propheten, aber audi dem einfachen Israeliten ist die Gcmeinsdiaft mit
Gott offen. Gefährdet wird diese Gemeinschaft durch die Sünde. Sünde
ist in erster Linie Abfall von Gott, Ungehorsam; auch die Sünde gegen
den anderen, gegen die Gemeinschaft, ist Sünde gegen Gott. Da Gott
aber letztlich das Heil des Menschen will, ist er nicht verloren. Israel
kennt viele Wege zum Heil (etwa das Opfer); das Entscheidende ist
aber nicht der Weg, auf dem der Mensch das Heil Gottes zu erlangen
sucht, sondern die Tatsache, daß Gott bereit ist, sein Volk wie auch
den einzelnen in diesem Volke zu retten. Das tiefste Wort des ATs
in dieser Hinsicht sieht R. in Jes. 53 ausgesprochen.

In Kap. 4 (S. 99—123) behandelt R. dann den Problemkreis „Individuum
und Gemeinschaft". Man darf die Entwicklung in der Religionsgeschichte
Israels nicht so sehen, als löse zu Zeiten des Jeremia und
Ezechiel der Individualismus den primitiveren Kollektivismus ab Individualismus
gibt es schon in den frühesten, Kollektivismus noch in
den spätesten Zeiten. Der Kollektivgedanke spielt allerdings eine ganz
andere Rolle wie in der Moderne: die Gemeinschaft haftet für die
Sünde des einzelnen, wobei auf Vergehen führender Persönlichkeiten
ein ganz besonderes Gewicht liegt. Denn in diesen herausgehobenen
Einzelnen ist gleichsam das Ganze da (corporate personality). Von hier
aus ist der heilige Rest, vor allem aber auch der Ebed lahwe zu verstehen
: Sie verkörpern das auf wenige Personen oder einen Einzelnen
konzentrierte Israel. Weil die Nation nicht eine Summe von Individuen,
sondern eine organische Gemeinschaft ist, ist jeder für den anderen verantwortlich
. Parallel dazu hat Israel eine Verantwortung für die Völkerwelt
.

Kap. 5 (S. 124—149) kreist um „The Good Life". Der Mensch
hat von Gott sittliche Freiheit: er kann gehorchen oder den Gehorsam
verweigern. Durdi diesen Grundzug ist Israel Glaube eine „ethical
•eligion", und zwar von den Zeiten des Mose an. Aber auch der Kult
gehört zum good life mit hinzu; die Propheten sind durchaus nicht
grundsätzlich gegen den Kult eingestellt. Infolge der verschiedenen
Maßnahmen judäischer Könige konzentriert sich der Kult allmählich im
Tempelgottesdienst. Vom Exil ab haben wir aber auch mit dem Synagogengottesdienst
zu rechnen, über dessen Ursprung wir freilich kaum
etwas wissen. Gebet und Sündenbekenntnis haben im Gottesdienst der
späteren Zeit einen hervorragenden Platz.

In den beiden letzten Kapiteln kommt R. auf eschatologisdie Themen
zu sprechen. Kap. 6 (S. 150—176) behandelt „Tod und Jenseits".
Das AT bezeugt eine Auferstehungshoffnung nur in spätesten Partien.
Daran, daß von einer solchen Hoffnung weithin nichts zu merken ist,
ist der Unterschied der beiden Testamente besonders greifbar. R. fügt
aber gleich hinzu, man dürfe diese Differenz nicht übertreiben, da Ansätze
zu einer solchen Hoffnung im AT durchaus da sind. Der Scheot-
glaube — wohl babylonischen Ursprungs — ist doch keineswegs das
einzige, was das AT über den Zustand nach dem Tode zu sagen hat.
So jung, wie die Zeugnisse vom Vorhandensein einer Auferstehungshoffnung
im AT sind, ist diese Hoffnung selbst gewiß nicht,
zumal wir annehmen müssen, daß sie ägyptischen Ursprungs ist. Eine
Wiedercrstehungshoffnung für das Volk ist früher bezeugt als der individuelle
Auferstehungsglaube; so kann es sein, daß dieser sich an der
Hoffnung für das Volk entzündet hat. Im Anschluß an diese allgemeinen
Erwägungen geht R. dann die einzelnen Stellen durch, die eine
Auferstehungs- oder sonstwie geartete individuelle Jenseitshoffnung zu
zeigen scheinen. Dabei werden Dan. 12 und die Psalmen 49, 73 und 16
positiv als Belege für eine solche Hoffnung gewertet.

Das letzte Kapitel (S. 177—201) befaßt sich mit dem Tag Jahwes
(The Day of the Lord). Daß es in Israel von jeher eine Zukunftshoffnung
für das Volk gegeben hat, steht außer Frage. Die Gedanken darüber
, was der Tag Jahwes im einzelnen bringen wird, sind sehr verschiedenartig
und versdiiedenwertig. Die Hoffnung selbst ist dessenungeachtet
auf alle Fälle theozentrisch zu verstehen. Auch die Universalität
der Heilshoffnung ist schon bezeugt; bei Deuterojesaja verbindet
sie sich mit dem absoluten Monotheismus, und daraus wird der Missions-