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Ausgabe:

1957 Nr. 6

Spalte:

463-464

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Mariologie 1957

Rezensent:

Schultz, Werner

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Seite 1

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463

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 6

464

Christentum. Dantes Inferno-Schilderung ist das klassische Dokument
der vulgärkatholischen Vorstellung. Luther wie die Orthodoxie
suchen gegenüber dem lokalen Verständnis der Hölle
ein geistliches, indem die Hölle gleichgesetzt wird mit der Erfahrung
der Anfechtung im Gewissen. Leiv Aalen sieht in der Stellungnahme
der Osloer Fakultät im Grunde einen auf den Bahnen
Bultmanns wandelnden Entmythologisierungsversuch, den er als
bekenntniswidrig ablehnt. In der Tat ist der ganze Streit ein interessanter
Beitrag zur Durchführung dieses Programms an einem
bestimmten Punkt der christlichen Lehre. Dabei sehen die Männer
der Gemeindefakultät richtig, daß unter der Hand sich mit der
Polemik gegen die vulgären Höllenvorstellungen eine Verharmlosung
des Gottesbildes verbindet, indem die Spannung von Zorn
und Liebe in Gott aufgelöst wird. Aber doch scheint das biblische
Bild differenzierter zu sein, als Leiv Aalen es will, denn einmal
redet schon Luk. 16,23 vom Hades als dem Ort der Qual, in den
der Reiche gleich nach seinem Tode eingeht, sodann finden sich
die Vorstellungen vom Läuterungscharakter des endzeitlichen
Gerichtsfeuers auch im NT (Mt. 9,49 f.; 1. Kor. 3,13-15;
2. Petr. 3, 10, vgl. J. Jeremias, Art. yssvva im ThWNT I, 655 f.).
Auch die Kritik an Bultmann erscheint nicht ganz stichhaltig,
besonders, wenn man Bultmanns Anliegen mit den Aussagen Luthers
vergleicht, wie sie in einer Beilage angefügt sind. Bultmann
geht es, ebenso wie Luther, um ein streng personales und religiöses
Verständnis der Höllenvorstellung, denn für beide ist der
Ort dieser Erfahrung das Gewissen.

Tübingen H. H. Schrey

Schmaus, Michael: Katholische Dogmatik. Bd. V: Mariologie. München
: Hueber 1955. 416 S. gr. 8°. Lw. DM 19.80.

Als fünften und selbständigen Band seiner Dogmatik hat
Schmaus jetzt eine Mariologie erscheinen lassen. Während die
eigentliche Christologie, das „Werk Christi", in einem Teil des
zweiten Bandes des Werkes auf knapp 200 Seiten behandelt wird,
wird uns die Mariologie in einem bedeutend umfangreicheren,
selbständigen Teil vorgetragen. Schon daraus erhellt die ungemeine
Bedeutsamkeit dieses Gegenstandes der katholischen Theologie
, die durchaus seiner Gewichtigkeit im praktischen und kultischen
Leben des katholischen Christen entspricht, eine Gewichtigkeit
, die sich oft so intensiv äußert, daß der Außenstehende
sich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß das Heilshandeln deä
Erlösers vor der Heilswirksamkeit seiner Mutter zurücktritt. Hier
muß für das dogmatische Denken eine Gefahr spürbar werden,
um die auch Schmaus sehr wohl weiß, gegen die er seine Ausführungen
immer wieder abzuschirmen versucht, ohne sie freilich
ganz bannen zu können.

In dem Vorwort des Werkes betont der Verfasser, daß seine
Arbeit sich an die Norm halte, die Papst Pius XII. in der Enzyklopädie
über das Königtum Marias aufgestellt habe. In ihr
warnt der Papst vor unbegründeten Meinungen, die die Grenze
der Wahrheit überschreiten, aber ebenso auch vor einer übertriebenen
Enge des Geistes, „wo es sich um diese einzigartige,
erhabene und sogar fast göttliche Würde der Mutter Gottes handelt
, die der engelgleiche Lehrer (Thomas von Aquin) uns ihr zuzuerkennen
heißt...". In diesem Sinne will der Verfasser nicht
„in ungeschichtlicher Weise bei dem Buchstaben der Schrift stehen
bleiben" und die Entfaltung der Lehre in der kirchlichen Tradition
vernachlässigen. Schon aus dieser Stellungnahme geht hervor
, daß die Quellen der Marienlehre vorwiegend in dem „Tiefgang
der kirchlichen Überlieferung" gesucht werden. Die Kirche
in ihrem lebendigen Lehramt ist die Urquelle des Glaubens. Die
Schrift und die mündliche Überlieferung sind die „entfernte
Glaubensregel". „Die unfehlbaren Lehrentscheidungen der Kirche
spielen die Hauptrolle" (26). „In der Tatsächlichkeit einer
kirchlichen Lehrentscheidung liegt zugleich ihre Legitimität" (27).

Von dieser Grundhaltung aus wird zunächst der theologische
Ort der Mariologie bestimmt. Sie gehört in den Bereich der Christologie
, ja sie ist selbst „entfaltete Christologie" (5). Die Gestalt
Marias muß von dem Ereignis der Menschwerdung aus interpretiert
werden. An Christus wird offenbar, wer Maria ist, umgekehrt
aber auch an Maria, wer Christus ist. „Maria und Christus
stehen einander gegenüber wie Mutter und Kind, wie Erlöste
und Erlöser" (5). In Maria hat darum der moderne, seiner
6elbst nicht mehr sichere Mensch eine menschliche Gestalt, an
der er die Auswirkung seines Glaubens an Christus anschauen
kann.

In den einzelnen Abschnitten seines Werkes nimmt der Verfasser
dann Stellung zu dieser Gestalt als Mutter des menschgewordenen
Gottes, als jungfräuliche Mutter Jesu Christi, zu der
Erwählung Marias durch Gott, zu ihrer Freiheit von der Erbsünde
und ihrer Heiligkeit, ihrer leiblichen Aufnahme in den Himmel,
ihrem Verhältnis zur Kirche und ihrem Beitrag zur Erlösung. Bei
der Ausführung dieser Thematik ist die entscheidende Instanz
die kirchliche Lehrautorität, nicht die Schrift. So wird Maria, wie
ausdrücklich gesagt wird, in der HI. Schrift „nie förmlich Mutter
Gottes genannt" (67). Auch von Jesus werde nie berichtet, daß
er Maria den Namen Mutter gab (79). Aber die letzte Entscheidung
darüber, wie die Texte, die auf Grund ihres Wortlauts keine
volle Klarheit bieten, „endgültig verstanden werden müssen,
gibt... die Kirche" (114 f.). Weder Schrift noch Überlieferung
sprechen von der unbefleckten Empfängnis. Aber es ist Glaubenssatz
(195). Die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel läßt
sich weder durch die Schrift, noch durch die historisch-theologische
Tradition belegen (224). Die Kirche ist „allein die Instanz
, welche Glaubensgewißheit schafft, insofern sie eine Lehre
als Offenbarungswahrheit verbürgt" (226). Daß Maria auch einen
Beitrag zur Erlösung geleistet hat, ist weder durch Schrift noch
durch Tradition bezeugt. Aber es ist in mehreren päpstlichen
Äußerungen von Leo XIII. bis Pius XII. ausgesprochen und darum
Glaubenssatz (292 ff.). „Weil die Kirche das Organ ist, durch
welches den einzelnen die Heilsfrüchte vermittelt werden, bedarf
Christus in einem gewissen Sinne der Kirche und ihrer Glieder"
(324). Man kann sich bei diesen Ausführungen des Eindrucks
nicht erwehren, als wenn die Kirche und ihre Autorität sowohl
Christus wie auch der Maria übergeordnet wird, als wenn die erlösende
Wirksamkeit beider Gestalten erst der Autorisierung
durch die Kirche bedarf, um vollgültig in Kraft zu treten.

In dem Abschnitt „Marias Beitrag zur Erlösung" wird „ein
tiefgreifender Unterschied zwischen der katholischen und der protestantischen
Interpretation des Erlösungswerkes" (312 ff.) festgestellt
. Die katholische Form lautet: „nicht Gott allein, sondern
Gott und das Geschöpf". Gott schaltet die Aktivität des Menschen
in den Prozeß der Durchführung seines Erlösungswerkes
ein. Gott und Mensch sind zwar „auf keine Weise Partner auf
der gleichen Ebene". Der Mensch kann nur tätig sein, wenn Gott
sein Tun wirkt. Aber er ist vor Gott nicht ein Stück Holz oder
ein Stein. Vielmehr wirkt Gott durch das freie Handeln des Menschen
. „Gott wirkt alles, was der Mensch wirkt, und demnach
wirkt der Mensch alles, was er wirkt." Dagegen sei der Protestantismus
der Meinung, daß die Einschaltung der menschlichen Aktivität
Gottes Ehre beeinträchtige. Daher das Prinzip der sola
gratia, des deus solus. Hiergegen erhebt Schmaus zwei Einwände:
1. Durch das protestantische Prinzip werde dem wirklichen, geschichtlichen
Handeln des Menschen Jesus Christus kein Raum
gegeben. 2. Durch die Überbetonung der Ehre Gottes und der
Ausschaltung der menschlichen Aktivität werde der Mensch zu
einem toten Instrument in der Hand Gottes. Schmaus sieht nicht,
daß für den lutherischen Christen das deus solus oder das sola
gratia im Grunde identisch ist mit dem Christus solus, daß der
Mensch also nur in der Begegnung mit dem geschichtlichen Christus
das Wunder der sola gratia empfängt, und daß ausschließlich
und gerade durch dies passive Empfangen die menschliche Aktivität
im höchsten Grade entbunden wird.

Wie alle Arbeiten des Verfassers ist auch das vorliegende
Werk sehr sachlich und klar geschrieben unter Verwendung einer
reichen Literatur, so daß es sehr geeignet ist, auch den lutherischen
Christen in eine an sich ihm fremde Welt einzuführen.

Kiel Werner Schultz

Macarthur, J. S.: The Church and Science.

Scottish Journal of Theology 10, 1957 S. 35—44.
M a 1 e v e z, L.: Exegese biblique et Philosophie. Deux coneeptions

opposees de leurs rapports: R. Bultmann et K. Barth.

Nouvelle Revue Theologique 88, 1956 Si 897—914. 1027—1042.