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Ausgabe:

1957 Nr. 6

Spalte:

451

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Rauschning, Hermann

Titel/Untertitel:

Ruf über die Schwelle 1957

Rezensent:

Kruska, Harald

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451

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 6

452

Vertreter entsprechen — enthält durchaus nicht nur so glanzvolle
Porträts wie das des Grafen Rudolf Lützow; es sind nicht nur
Gestalten, die den Verhältnissen gewachsen waren, aber die meisten
doch würdig des imposanten Schauplatzes.

München Franz Schnabel

Rauschning, Hermann: Ruf über die Schwelle. Betrachtungen. Tübingen
: Katzmann [1955]. 219 S. 8°. Lw. DM 12.90.

Es mag überraschen, in dem politischen Denker und früheren
Senatspräsidenten der Freien Stadt Danzig nun auch den Rufer
des Glaubens zu erkennen. Aber seine Auseinandersetzung mit
Hitler und dem Nationalsozialismus wie überhaupt mit den bedrängenden
Problemen der Gegenwart haben ihn mehr und mehr
„über die Schwelle" geführt. Es lohnt, seine „Betrachtungen" zu
lesen und zu bedenken. Sie sind erwachsen aus Vorträgen, Gesprächen
, Meditationen — meist an evangelischen Akademien der
Bundesrepublik während der Jahre 1954/55. Sie alle kreisen irgendwie
um die Frage nach dem „Sinn" oder der „Verheißung"
des Daseins und wollen den „Ratlosen unserer Zeit" angesichts
der tiefgehenden ideologischen Fragwürdigkeit und moralischen
Normenlosigkeit eine Hilfe bieten. Es sind keine biblischen Auslegungen
, aber sie haben christliche Substanz. Es ist erregend, mit
welch unerbittlicher Offenheit der „Mensch in seinem Widerspruch
" und die „Trostlosigkeit" der Welt aufgedeckt, andererseits
jede „modische Religiosität" oder auch ein „allzu eilfertig
restauriertes Christentum" abgewehrt wird. Echtem Glauben geht
es darum, „die ungeheure umwandelnde Botschaft und Kraft des
Evangeliums in ihrer alles umstürzenden Bedeutung auf eine
neuere und tiefere Weise zu erfahren".

Man höre etwa folgende Sätze: „Es gilt nicht den Glauben
leicht zu machen, sondern ihn in seiner ganzen Schwere ... zu
zeigen. Das neue Geschlecht will nicht Trost und Sicherheit, sondern
das wirkliche .Trotzdem' in einem 6inn-entleerten Dasein.
. . . Es sehnt sich nach dem Teuer', von dem Christus wünscht,
daß es 6chon brenne. Es wird von dem Ärgernis angezogen, von
der .Narrheit in Christo', von seiner Paradoxie. Die Sprache des
Glaubens wird ihm nicht verständlicher, sondern verliert die
Überzeugungskraft, wenn 6ie versucht, dieses Ärgernis zu einer
wohltemperierten Weltanschauung und moralischen Anständigkeit
zu glätten. Die heraufsteigende Zeit muß ihre eigene Glaubenssprache
finden. ..." (S. 214 f.).

Das Buch nimmt zu einer ganzen Reihe von uns bewegenden
Fragen Stellung. Es ist nicht leicht zu lesen, es ist aber bei
aller Nüchternheit ein leidenschaftlicher Ruf zur Besinnung. Man
spürt es den Betrachtungen Rauschnings an, wie er inmitten der
Wirrungen der Zeit selbst durch eine Wandlung hindurchgegangen
ißt „von der Erschütterung des Bewußtseins im Schreck vor dem
Wesen oder Unwesen des Nihilismus zur bewußten Erkenntnis".

Berlin Harald Kruska

KIRCHENKVNDE

Svenskt Kyrkoliv i Finland, ärsbok 1953, 171 S.; 1956,
171 S.1 1957, 164 S. (31., 34. und 35. Jahrg.).

Die Jahrbücher des schwedischen Bistums in Finnland1 wachsen
6ich zu allgemein skandinavischen Übersichten aus. Es fehlt
nur Island. Möge es ihrem Herausgeber gelingen, einen ebenso
kundigen und klugen Berichterstatter für Island zu gewinnen wie
für die übrigen nordischen Länder.

Zuerst Jahrbuch 1953: Aus dem Verzeichnis der 80 schwedischen
Schriften und Aufsätze, von denen 25 der Kirchengeschichte
Finnlands gelten, seien 3 religionsgeschichtliche Arbeiten erwähnt:
Ehrström, Magi och mosaiska lagbud (Magie und mosaisches Gesetz
), Jahrb. der finn. Wissenschaftsgesellsch. 1951); Granfeit,
Rättegingen mot Jesus frän Nasaret (Prozeß gegen Jesus), Söderströms;
Karsten, Samefolkets religion (Religion der Lappländer), Söderströms
. Die finnische Abhandlung Pfr. Dr. Niinivaara's „Weltlich
und geistlich" wurde vom Dogmatiker der Universität angegriffen:
die Grenze zwischen Gottes Reich und Satans Herrschaft sei verwischt.
Der Bischof deckte seinen Pfarrer. Zeitschriften und Zeitungen bemächtigten
sich des Falles mit Schlagzeilen und Scherzzeichnungen.

J) Vgl. ThLZ 1956, Sp. 459.

In Norwegen erschienen zwei deutsche theologische Abhandlungen:
Aalen, Die Begriffe Licht und Finsternis im AT, im Spätjudentum
und Rabbinismus; und B o m a n, Das hebräische Denken im Vergleich
mit dem griechischen.

Aus der reichhaltigen schwedischen Literatur ist bemerkenswert
Borgenstierna, Arbetarteologi och altarteologi.

Von den 25 Aufsätzen des Jahrbuches selbst seien 2 erwähnt. Der
Kirchenmusiker Prof. Otto Andersson schreibt über die Finnlandschweden
in Amerika, mit Bildern der Kirche in Columbus. Der Finne
Eliel Saarinen, wohl der bedeutendste Architekt der Gegenwart, war
beauftragt worden: Baue ohne Rücksicht auf die Kosten; laß wie Christi
Jünger alle menschlichen Meinungen und Überlieferungen hinter dir;
fördere die ewigen christlichen Wahrheiten in evangelischem Geist! —
Die beiden Auftraggeber erklären diesen Bau als die beste Kapitalanlage
ihres Lebens.

Der Kunsthistoriker Nils Cleve berichtet über die Erneuerungsarbeiten
von 10 mittelalterlichen und einigen neueren Kirchen in Finnland
mit 6 Bildern. So sind z. B. in Korpo alte Malereien von Menschen
, Vögeln, Vierfüßlern und Schiffen zutage getreten. In der erneuerten
Kirche zu Pojo werden nur die Bänke erleuchtet, eine Lampe
für 2 Besucher; den Chor erhellen Scheinwerfer; der Fußboden ist elektrisch
geheizt ohne sichtbare Geräte.

Gestorben sind D. Aukusti O r a v a 1 a, auch in Deutschland bekannt
durch sein Buch über Paavo Ruotsalainen „Der Profet der Wildnis
", sowie zwei lebensprühende Freunde Luthers und des Deutschtums:
Herman R o n i m u s, fast 60 Jahre lang Pfarrer, der auch den deutschen
Gemeinden diente, und der volkstümliche Johannes Bäck, der
nicht wie die früheren Großpröpste mit zweispänniger Kutsche durchs
Kirchspiel reiste, sondern die Tasche mit den Abendmahlsgeräten an die
Lenkstange des Fahrrades hing: „Guck, der Propst strampelt mit dem
Sakrament!"

Der dänische Berichterstatter bezeichnet die kirchliche Lage mit
dem Worte Desillusion. Der Friede hat weder einen nationalen noch
einen kirchlichen Aufschwung gebracht. Dänemark ist das Land, wo der
Staat uneingeschränkt über die Kirche herrscht. Ein Bischof behauptet:
Die Kirche schläft allzu fest im Schöße des Staates. — Im deutschen
Schleswig arbeiten 23 dänische Pfarrer; sie klagen über die deutschen
Bischöfe Halfmann und Wester, die ihnen nicht dieselben Rechte gewähren
wie der dänische Staat den deutschen Pfarrern in allen größeren
Städten nördlich der Grenze, die vom dänischen Staate besoldet werden
und ohne weiteres in dänisdien Kirchen amtieren dürfen. Nach
Schweden und Finnland hat nun auch Dänemark Abendmahlsgemeinschaft
mit der anglikanischen und schottischen Kirche.

Der Schwerpunkt des norwegischen Kirchenlebens lag im Jahre
1952 im Ausland mit Bischof Eivind Berggravs Vortrag über
Kirche und Staat vor dem Weltluthertum in Hannover. — Das nördlichste
Bischofsstift Tromsö ist geteilt worden, sein südlicher Teil erhält
einen neuen Bischofssitz Bodo. Bild des neuen scheunenartigen
Domes Jahrb. 1957 S. 133.

In Schweden trat ein Gesetz über Religionsfreiheit in Kraft. Mit
Erlaubnis des Königs können jetzt auch Klöster eingerichtet werden.
Wie in Finnland, wo 1923 Religionsfreiheit Gesetz wurde, trat so gut
wie niemand aus der ev.-luth. Kirche aus. In Finnland ist allerdings
jetzt nach 30 Jahren ein Bergrutsch erfolgt, wie von der bisher festgefügten
finnischen Volkskirche mit Besorgnis vermerkt wird. — In
Stockholm sammeln Kinos sonntags 13 Uhr große Mengen zu „religiösen
" Filmvorführungen mit kurzen Ansprachen.

Aus den Jahrbüchern für 1956 und 1957: Reich sind
wieder die Angaben über Schrifttum und Kirchenmusik. Aus Anlaß des
800jährigen Jubiläums der Kirche Finnlands 1955 erschienen der finnische
Sammelband Jumalan viljelysmaa (Gottes Kulturland) und der
schwedische Här restes Kristi kors (Hier wurde Christi Kreuz aufgerichtet
). In deutscher Sprache erschienen: Rafael Gyllenberg, Kultus
und Offenbarung (Festschrift für Sigmund Mowinckel) und Helge
N y m a n, Aus der Liturgieforschung in Finnland (Jahrb. für Liturgik
1955). Neue Signale in der neutestamentlichen Forschung Dänemarks
gibt Prof. M u n c k in dem deutsch geschriebenen Buch Paulus und die
Heilsgeschichte. Der neue 6. Band der großen dänischen Kirchengeschichte
von Hai Koch behandelt die erste Hälfte des 19. Jhdt.s.

Die Stifts-Chronik von Borgd 1956 ist mit 6 Bildern ausgestattet,
die von 1957 mit 12 Bildern. Hier ist es nicht verboten, gottesdienst-
liche Handlungen zu fotografieren, wie in der sächsischen Landeskirche.
Der Hirtenbrief des neuen Bischofs Rosenqvist ist in mehreren Auflagen
erschienen und ins Finnische übersetzt worden; seine Predigt am
Selbständigkeitstage 6. Dez. fand erfreulichen Widerhall in den Tageszeitungen
.

Von den 23 Aufsätzen des Jahrbuches 1956 seien erwähnt:
„Die Verkündigung der Kirche, Kritik und Wünsche", Rundfrage
an je einen Wirtschaftler, aus der Kirche ausgetretenen Metallarbeiter
(meine Kirdie ist das Radio), Universitätsrektor, Bauer, Volksschul-