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Ausgabe:

1957 Nr. 6

Spalte:

449-451

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Hudal, Alois

Titel/Untertitel:

Die österreichische Vatikanbotschaft 1957

Rezensent:

Schnabel, Franz

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 6

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erheblichen Eindruck gemacht (Staehelin S. 208 f.), - gibt es aus
neuerer Zeit nicht. Wohl ist der Artikel in der RE von G. Frank-
F. Kattenbusch recht umfassend und weiter ist die Darstellung
bei R. Otto (Kantisch-Friessche Religionsphilosophie und ihre
Anwendung auf die Theologie, 2. Aufl. 1921, 129—187) höchst
instruktiv, da ja R. Otto einen gewissen Einfluß von de Wette
(und Fries; vgl. auch Leonhard Nelson) nicht leugnen konnte.
Aber eine wirklich umfassende Biographie fehlt.

Die Universität Basel rüstet sich jetzt zu der Feier ihres
500jährigen Bestehens (i960). Aus diesem Anlaß erscheint eine
Reihe von „Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel",
eröffnet durch eine Schrift von E. Staehelin über Amandus Pola-
nus von Polansdorf, und nun weitergeführt durch die „Dewet-
tiana", d. h. Forschungen und Texte zu Leben und Werk dieses
großen Wahl-Baslers, ebenfalls von E. Staehelin. Es ist ein interessantes
und nützliches Buch, das St. uns hier geschenkt hat. Vor
allem dadurch, daß St. sich energsich um die Briefe de Wertes
bemüht und sie in seiner Darstellung reichlich verwertet hat, ist
ein lebendiges Bild entstanden. St. weist allerdings selbst auf
zwei große Komplexe von Briefen hin (aus dem Besitz der Tochter
de Wettes, Frau Anna Heitz, und aus dem Besitz der Familie
Reimer, Berlin), die er nicht hat aufspüren können. Seine in diesem
Zusammenhang ausgesprochene Bitte, Briefe de Wettes oder
an ihn, die St. entgangen sind, an die Handschriftenabteilung der
Universitätsbibliothek Basel zu melden, möchte der Rezensent
hier weitergeben.

Der erste Teil des Buches umfaßt einen nach den verschiedenen
Stationen des Lebens gegliederten Überblick über die Vita
und das Opus de Wettes, wobei der reiche Briefwechsel für Datierungsfragen
natürlich eine wichtige Rolle spielt. St. bemüht
sich, möglichst genau den Gang des Lebens, der von Thüringen
über Heidelberg, Berlin, Weimar nach Basel führte, regestenartig
•nachzuzeichnen und gibt dazu jeweils ein Verzeichnis der gedruckten
Schriften, der Manuskripte und der Briefe, die in die betr.
Zeit gehören.

Der zweite Teil des Werkes bringt dann ausgewählte
Texte aus und zu de Wettes Leben und Werk, eine sehr instruktive
Auswahl, in der natürlich vor allem Briefe erscheinen. Die
Noten, die St. den Texten beigegeben hat, 6ind 6ehr hilfreich,
vor allem bei den Personen, die nur Lokalbedeutung haben, die
aber nun mit in den Gesamtzusammenhang der Zeit gestellt werden
. Ein Personen- und ein Ortsregister geben die Möglichkeit,
•dieses wertvolle und nützliche Buch gut zu gebrauchen. Man muß
St. für dieses Werk danken, weil er uns hier wertvolles Material
zum Verständnis des Menschen de Wette und damit auch des
Theologen, der angeblich „die Theologie entscheidend als Anthropologie
verstanden" hat (so Barth, a. a. O. S. 434), in die
Hand gibt. Man wird jedenfalls die weithin üblichen Pauschalurteile
skeptischer beurteilen, wenn man diese Briefe gelesen hat.

Bonn Wilhelm Schneemelcher

Hu dal, Alois: Die österreichische Vatikanbotschaft. 1806—191S.
München: Pohl 1952. XIII, 326 S., 16 Taf. gr. 8°. Lw. DM 21.—.

Eine große Publikationsreihe ist im Erscheinen begriffen, in
der die Botschaften und Gesandtschaften beim päpstlichen Stuhle
dargestellt werden sollen, soweit Länder des deutschen Sprachgebietes
im 19. Jahrhundert daran teilhaben. Die Geschichte der
österreichischen und der preußischen Diplomatie im päpstlichen
Rom liegt schon vor, die der bayerischen steht noch aus.

Hier ist nur — und leider mit großer, durch mich verschuldeter
Verspätung - der Band über die österreichische Botschaft
anzuzeigen; der preußische Band ist gesondert zu behandeln.
Doch mag zuvor die Methode gekennzeichnet werden, nach der
diese Serie bearbeitet ist. Man kann einen in sich geschlossenen
ronds von Akten, wie ein Gesandtschaftsarchiv meistens auf uns
I "w-en ist' in verschiedener Weise der Wissenschaft erschließen
Wir besitzen große Editionen, in denen die wichtigsten
diplomatischen Berichte einheitlicher Provenienz wörtlich abgedruckt
und die übrigen sachlich zugehörigen Papiere so gesammelt
und verwertet sind, daß ein Gang von Verhandlungen oder
f"1 bedeutender Zusammenhang ganz rekonstruiert ist. Die Publikationen
der „Historischen Kommission bei der Bayerischen

Akademie der Wissenschaften" sind vor einem Jahrhundert nach
dieser Methode in Gang gekommen und haben Schule gemacht
in ganz Europa. Auch die Nuntiaturberichte werden in dieser
Weise erschlossen. Neuerdings beginnt man auch, die Geschichte
der Höfe und Regierungen zu erhellen, indem man die Berichte
der dort akkreditierten Gesandten aus den fernen Ländern gewissermaßen
zurückholt und so höchst vielseitige Ansichten zur
Geschichte eines Staates, einer Epoche erhält; Anton Chroust ist
in dieser Weise vorgegangen, als er in vielen Bänden die Berichte
der österreichischen, der preußischen und der französischen Gesandten
aus dem München der vormärzlichen Zeit erschlossen
hat. Die Vorteile dieser Editionsarbeiten sind offenkundig; die
Wissenschaft erhält primäres Quellenmaterial, das in seiner Unmittelbarkeit
höchst spannend sein kann und jedenfalls unter
den verschiedensten, neu auftauchenden Gesichtspunkten immer
wieder verwertbar ist.

Die Geschichte der österreichischen Botschaft am Vatikan,
von der hier die Rede ist, geht über das editorische Verfahren
hinaus. Bischof Alois Hudal — Österreicher von Herkunft und
viele Jahre hindurch in Rom an der deutschen Nationalkirche,
der „Anima" als Rektor wirkend — hat die in Wien ziemlich
vollzählig erhaltenen Archivalien dieser Botschaft durchgearbeitet
, dazu hat er die römischen Akten des päpstlichen Staatssekretariats
hinzugenommen, die freilich nur bis 1846 zugänglich sind;
auch in italienischen Staatsarchiven, in Privatarchiven und Bibliotheken
hat er manches Wichtige gefunden. Mit diesem reichen
Material, das bisher größtenteils unbekannt war und neue Einblicke
gewährt, hat der Verfasser ein darstellendes und wertendes
Geschichtswerk aufgebaut, wie dies das eigentliche Ziel der
geschichtswissenschaftlichen Forschung sein muß.

Dabei ist freilich manches wieder ausgeschieden worden, was
man ungern vermißt. Die wörtlichen Zitate aus den Akten sind
spärlich; und wo sie gegeben werden, erkennt man, wie viel an
treffenden Formulierungen und an unmittelbaren tindrücken da
zu gewinnen ist und wie viel zur Geschichte der diplomatischen
Technik und Kunst uns vorenthalten wurde. Oft läßt man uns
nur ahnen, was für die Geschichte des Risorgimento oder des
Kirchenstaates noch aus den Berichten der Botschafter des Pa-
lazzo Venezia zu holen ist. Auf Einzelnachweise wurde überhaupt
verzichtet. Daß das Werk ein vernünftiges Maß nicht überschreitet
, muß heutigen Tages mit einem ausdrücklichen Lob bedacht
werden. Aber sicherlich hätte sich der für häufige Zitate aus den
Akten benötigte Raum gewinnen lassen, wenn der Verfasser
vieles aus der österreichischen Geschichte beim Leser als bekannt
vorausgesetzt hätte, da es sich hier nun einmal nicht um ein populäres
Werk handeln kann, sondern die Geschichte eines Amtes
von welthistorischer Bedeutung in seinen weitreichenden Funktionen
der Wissenschaft erschlossen wird.

In dieser Hinsicht aber kann man den Rang des Werkes nicht
hoch genug preisen. Was hier gegeben wird, ist die Geschichte
der bei weitem wichtigsten diplomatischen Vertretung im päpstlichen
Rom, und zwar während der ganzen Zeit, da es ein Kaiserreich
Österreich gegeben hat, also von 1804 bis 1918. Und zwar
ist nicht die alltägliche Kleinarbeit ausgebreitet, mit der es der
Diplomat auch zu tun hat; sondern die entscheidungsvollen Einwirkungen
der Habsburger auf die große Politik des Jahrhunderts
werden uns genauer bekannt als bisher, und sie werden, da sie
auf dem römischen Schauplatz selbst sichtbar werden, in anschaulicher
und spannender Darstellung dem Leser vermittelt. Im Zentrum
des Geschehens stehen, wie begreiflich, die italienische Einheitsbewegung
und die „römische Frage". Was da über Pius IX..
seine Ratgeber und die „Neoguelfen" bekannt wird, ist von hohem
Werte. Man darf dem Verfasser auch bezeugen, daß er bei
aller Liebe zu dem alten Österreich doch mit Ruhe und Objektivität
den Stoff behandelt. Rosmini, der mit der Kurie in so schwere
Konflikte geriet, erkennt er als große Gestalt in der Geschichte
der christlichen Frömmigkeit. Die schwierige Stellung des Papstes
Benedikt XV. im Ersten Weltkrieg wird in Würdigung aller Umstände
beschrieben, wobei gleichfalls neue Details vorgebracht
werden. Und die Galerie der österreichischen Botschafter, die
hier vor uns aufgestellt wird — das Werk ist in einzelne Kapitel
gegliedert, die der Reihe der in Rom amtierenden österreichischen