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1957 Nr. 6

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Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 6

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Mit Recht stellt M. gegen Tschackert fest, daß Ailly kein Vertreter
der Lehre von der doppelten Wahrheit sei. Doch wird man darin
wiederum keinen thomistischen Einfluß und keinen Gegensatz zu Ock-
ham finden dürfen; denn das von M. 234 n. 54 angeführte Ockham-
zitat besagt lediglich, daß man ex puris naturalibus der Trinitätslehre
nicht zustimmen kann, sondern sie als widersprüchlich empfinden muß:
Ockham sagt jedoch nicht, daß dieses ex puris naturalibus gefällte Urteil
,wahr' seil

Nach einem Überblick über die Geschichte des Problems der
Wissenschaftlichkeit der Theologie zeigt M., daß Ailly im Anschluß
an Scotus und Ockham der Theologie die Wissenschaftlichkeit
im aristotelischen Sinne abspricht, weil sie keine streng
evidente Erkenntnis vermittelt. Auch die thomistische These, daß
die Theologie eine subalterne Wissenschaft sei, wird zurückgewiesen
. Nur im weiteren Sinne, als Fertigkeit, den Sinn der
Hl. Schrift darzulegen, zu begründen und zu verteidigen, bezeichnet
Ailly die Theologie als Wissenschaft, ja als die Königin der
Wissenschaften wegen der Bedeutung ihres Gegenstandes und der
Zuverlässigkeit ihrer Erkenntnisquelle. Da es zwischen Wissen
und Glauben keinen wirklichen Gegensatz gibt, sind die anderen
Wissenschaften .ancilla theologiae'. Ailly wendet diesen Gedanken
namentlich auf die Astronomie an, die er eine .naturalis
theologia' nennt.

Das durch große Gelehrsamkeit ausgezeichnete Buch bringt
in vielen Punkten Fortschritte für die Erkenntnis der spätscholastischen
Philosophie und Theologie. Besonders klar und instruktiv
sind die mit umfangreichem Material unternommenen Versuche
, den Gedanken Aillys ihren Platz im Zusammenhang der
scholastischen Problemgeschichte zuzuweisen. Doch wird der Wert
des Werkes und gerade der dieser problemgeschichtlichen Durchblicke
und Einordnungen dadurch stark beeinträchtigt, daß die
grundlegenden Erkenntnisse der neueren Ockhamforschung nicht
berücksichtigt wurden. Man sucht in diesem Buch vergeblich nach
den Namen von Boehner, Moody, Vignaux, Guelly und Menges

— Forschern, die ein neues Bild des Ockhamismus erarbeitet haben
. Dieser Mangel hat die unkritische Neigung des Autors,
überall thomistische Einflüsse zu konstatieren, gewiß begünstigt.
Sein Resultat, daß Aillys Erkenntnislehre keinen skeptischen Charakter
hat, stimmt mit den Ergebnissen der Ockhamforschung
überein. M. hätte zur Erklärung dieses Resultates nicht auf Thomas
zurückzugreifen brauchen. Den tatsächlichen Einfluß des
Aquinaten auf Ailly wird man als sehr viel geringer ansetzen
müssen als M. voraussetzt. Die endgültige Feststellung dieser
geistesgeschichtlichen Zusammenhänge muß weiterer Forschung
vorbehalten bleiben.

Heidelberg _ W. Pannenberg

Landgraf, Artur Michael: Die Lehre vom Entzug der Gnade in der
Frühscholastik.

Zeitschrift für katholische Theologie 78, 1956 S. 439—450.

— Ein frühscholastischer Traktat zur Bibelexegese der Juden.
Biblica 37, 1956 S. 403—409.

Laurent, V.: Une famille turque au Service de Byzance: les Melikes.

Byzantinische Zeitschrift 49, 1956 S. 349—368.
Leberton, M.-M.: Recherches sur les principaux themes theologiques

traites dans les sermons du Xlle siecle.

Recherches de Theologie ancienne et medievale XXIII, 1956 S. 5—18.
Linden, L. J. Van der: Onstoffelijkheid en kenactiviteit bij Thomas
van Aquino.

Tijdschrift voor Philosophie 18, 1956 S. 625—658.
Lintzel, Martin: Die Mathilden-Viten und das Wahrheitsproblem

in der Überlieferung der Ottonenzeit.

Archiv für Kulturgeschichte XXXVIII, 1956 S. 152-166.
L o 11 i n, O.: Un nouveau temoin du Liber pancrisis.

Recherches de Theologie ancienne et medievale XXIII, 1956 S. 114

bis 118.

Nicol, D. M.: Two Churches of Western Macedonia.
Byzantinische Zeitschrift 49, 1956 S. 96—105.

— The Date of Battie of Pelagonia.
Byzantinische Zeitschrift 49, 1956 S. 68—71.

O n a s c h, Konrad: Der cyrillo-methodianische Gedanke in der Kirchengeschichte
des Mittelalters.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-
Wittenberg. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe VI, 19 56
S. 27—39.

Pertusi, A.: II preteso thema bizantino di Täläjä (o Tälajä o Tä-

fälä) e la regione suburbana di Costantinopoli.

Byzantinische Zeitschrift 49, 1956 S. 85—95.
Peschke, Erhard: Peter Chelcickys Lehre von der Kirche und der

weltlichen Macht.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock 5, 1955/56
S. 263—274.

R a 11, Hans: Eine Kirchengeschichte Bayerns im Mittelalter.

Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 19, 1956 S. 249—272.
R u b i n, Bertold: Byzantinische Geschichtsschreiber.

Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte IX, 1957 S. 5*5—59.
Schade, Herbert: Die Libri Carolini und ihre Stellung zum Bild.

Zeitschrift für katholische Theologie 79, 1957 S. 69—78.
Schaeder, Hildegard: Das Glaubensbekenntnis des Gregor Palamas

(f 13 59). Seine theologische und kirchengeschichtliche Bedeutung.

Theologie XXVII, 1956 S. 3-14.
Scharf, J.: Photios und die Epanagoge.

Byzantinische Zeitschrift 49, 1956 S. 38 5—400.
Schmidtovä, Anelka: Stredoveke latinske metonymie. K sedmde-

sätinäm akademika Antonma Salace.

Listy Filologicke III (LXXVIII) 1955 S. 28-33.
Sturm, Josef: Bischof Arbeos von Freising bayerische Verwandte.

Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 19, 1956 S. 568—572.
Vooght, P. De: La methode theologique d'apres Henry de Gand et

Gerard de Bologne.

Recherches de Theologie ancienne et medievale XXIII, 1956 S. 61—87.
V y v e r, E. van de: Meester Eckhart.

Tijdschrift voor Philosophie 18, 1956 S. 666—680.
— Une utilisation peu commune de textes de S.Thomas: Henri Bäte,

Speculum III, 16.

Recherches de Theologie ancienne et medievale XXIII, 1956 S. 122
bis 126.

Wirth, P.: Wann wurde Kaiser Alexios II. Komenos geboren?
Byzantinische Zeitschrift 49, 1956 S. 65—67.

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Hägglund, Bengt: Theologie und Philosophie bei Luther und in
der occamistischen Tradition. Luthers Stellung zur Theorie von der
doppelten Wahrheit. Lund: Gleerup [1955]. 108 S. gr. 8° = Lunds
Universitets Arsskrift. N. F. Avd. 1. Bd. 51. Nr. 4. Kart. kr. 11.—.

Es gehört im Bereich der skandinavischen Lutherforschung
' fast schon zur Tradition, sich der Auseinandersetzung Luthers
mit der Scholastik zuzuwenden. Die jüngste Schrift aus der lun-
densischen Forschung befaßt sich mit der von Luther in seiner
Sicht gebotenen Lösung zum Problem „Glaube und Wissen",
bei der ja die Untersuchung der positiven wie der negativen Anknüpfung
Luthers an die nominalistische Diskussion eine entscheidende
Rolle spielt. Während W. Link das Problem „Theologie
und Philosophie" bei Luther in der Gegenüberstellung des
Rechtfertigungsbekenntnisses zum Thomismus, zu Augustin, zum
Nominalismus und zur Mystik erörtert und damit in einen weiteren
Rahmen gestellt hat, konzentriert sich Hägglund bewußt
auf die Auseinandersetzung Luthers mit dem Occamismus, und
dabei auf zwei Fragen: „Die Frage nach dem Gebiet der Erkenntnis
" und „Die Frage nach der Art der Erkenntnis". Um die Theologie
Luthers „historisch zu verstehen", widmet H. einen verhältnismäßig
großen Teil dem Standpunkt des Occamismus. Methodisch
bevorzugt er zur Erhebung der Position Luthers die weniger
beachteten, für diesen Zusammenhang aber wichtigsten
Disputationen Luthers, etwa die über Joh. 1,14 (1539), die Disputation
de fide infusa et acquisita (1520), die Heidelberger Disputation
u. a.

Zunächst sucht H. „die Motive des scharfen Gegensatzes zur Philosophie
zu finden, der Luthers theologischen Standpunkt kennzeichnet",
wobei er gleich von der andersartigen Lage des Problems „Theologie-
Philosophie" in der älteren Tradition als im 19. und der ersten Hälfte
des 20. Jhdt.s spricht. In den modernen Fragestellungen werde als selbstverständlich
angesehen, „daß die Theologie als solche eine wissenschaftliche
Arbeit mit wissenschaftlichen Ansprüchen ist und daß sie
einem universalen Zusammenhang von Erkenntnissen eingegliedert werden
kann"; Theologie und Philosophie: zwei Disziplinen des Gesamtgebietes
der Wissenschaften, bei denen nur eine „gewisse Konkurrenz
oder eine gewisse Harmonie bestehe" (7). In der älteren Tradition stehe
nun aber gerade zur Debatte, „was in unseren Tagen unter der Über-