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Ausgabe:

1957 Nr. 6

Spalte:

431-433

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Die Theologie Bultmanns und die Entmythologisierung in der Kritik der katholischen Theologie 1957

Rezensent:

Fuchs, Emil

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 6

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sen wie kürzlich O. Cullmann in der Bultmann-Festschrift, Tüb.
1954, S. 33-51.

Auch wenn man die beiden Korrekturen der Frühgeschichte
des Christentums, die Schoeps vorschlägt, nicht anzuerkennen
vermag, wird man dankbar bedenken, was er in souveräner Beherrschung
der Quellen und der Literatur vorbringt. Der Charakter
der Untersuchungen als Nachtrag verbietet es jedoch, hier
nochmals die Diskussion über all die berührten Fragen aufzunehmen
. Auf alle Fälle hat Schoeps durch 6eine Veröffentlichungen
einen mächtigen Anstoß gegeben, um die Frage nach dem Gesamtbild
der Frühgeschichte des Christentums endlich in Bewegung
zu bringen.

Hamburg L. Goppelt

Bartsch, Hans-Werner, Pastor Dr. theol.: Kerygma und Mythos.
V. Bd.: Die Theologie Bultmanns und die Entmythologisierung in
der Kritik der katholischen Theologie. Hamburg: Reich 1955. 172 S.
gr. 8° = Theologische Forschung H. 9. DM 10.—.

Die hier zusammengestellten Aufsätze katholischer Theologen
zum Problem der Entmythologisierung führen uns eine
Tatsache vor Augen, die uns fast immer wieder wie ein Rätsel
entgegentritt: Hier reden Menschen, die verstandesmäßig in erstaunlicher
Klarheit und Tiefe die Frage behandeln können und
zu verstehen scheinen und die doch existentiell nicht im Geringsten
von ihrer Wucht erschüttert werden. Es wird uns deutlidi
gemacht, wie recht Bultmann hat, wenn er davon redet, daß wir
in einer andern geistigen Welt leben als die Früheren, daß er
aber unrecht hat, zu meinen, das gelte für alle Zeitgenossen.

Darauf weist Heinrich Fries (Tübingen) hin in seinem
Aufsatz „Das Anliegen Bultmanns", der voll Verstehen
dafür ist, daß der Weg der Verkündigung zum Hörer immer neu
gefunden werden muß.

Doch kommt er zum Ergebnis: „Man kann die Botschaft und das
Wort Gottes vom Menschen aus und durch den Menschen so abstimmen
, daß sie hörbar und verständlich werden — und das scheint Bultmann
zu tun. Man kann aber auch das Ohr schärfen, seine Hörkraft
und Empfangsfähigkeit erhöhen, so daß das vom Menschen nicht abzustimmende
, sondern ohne Abstrich zu vernehmende, von Gott abgestimmte
Wort Gottes besser und verständlicher gehört werden kann."
Zum ersteren ist zu sagen: „Mit einer solchen Position wird der Zugang
zum echten und rechten Hören überhaupt verbaut, das nur in
der Bereitschaft zur grenzenlosen Offenheit gelingen kann" (S. 39). Hier
weiß sich der Katholik mit K. Barth eins. Deutlich machen will der
ganze Aufsatz, daß bei Bultmann die geschichtliche Wirklichkeit der
Offenbarung, die „Tat Gottes, wodurch der Mensch frei gemacht wird",
Yerschwindet.

Adolf Kolping (Bonn) führt Bultmanns Haltung zurück
auf das „Sola Fide" Luthers.

Mit ihm ist der große „Schrumpfungsprozeß eingeleitet, in dem
nichts übrig bleibt als das punctum mathematicum der Existenz vor
Gott". So ist ihm sicher, daß nur eine Rückkehr aus dieser Haltung
die Konsequenzen vermeiden kann, die schließlich Buri mit recht ziehe.
Alle Kritiker Bultmanns, die glauben, sie könnten ihm ausweichen,
ohne das „sola fide" aufzugeben, sieht er in Irrtum befangen.

P. Jerome Hamer (Belgien) steht voll Verstehen dem
Anliegen gegenüber, den Weg der Verkündigung zum heutigen
Menschen neu zu suchen.

Doch sieht Bultmann nicht, daß die Wissenschaft heute nicht mehr
die ist, die sie war, sondern ihre Grenzen anerkennt. Dann aber geht
er von einer Haltung zum Neuen Testament aus, die das Gleichgewicht
gesunder Forschung nicht finden kann, da dies nur in dem Maße möglich
ist, „als die historisch-kritischen Forschungen und rationalen Reflexionen
beide in ganzer Treue gegenüber ihren eigenen Methoden entwickelt
werden im Zusammenhang mit der lebendigen christlichen Gemeinde,
die als solche die Sendung hat, das Wort Gottes zu bewahren und zu
überliefern" (S. 55).

J. de Fraine (Leuven) geht von der Erschütterung aus,
die Bultmanns Thesen in weiten protestantischen Kreisen gewirkt
hat. Im Zusammenhang damit zeigt er die Schwere der
Fragestellung auf.

Gewiß wolle Bultmann die Bedeutung des christlichen Glaubens
festhalten — ja vertiefen — indem er ihn an das Gegenwärtige und
nicht an Vergangenes knüpft. Aber dabei gehe er einmal von der liberalen
Überschätzung wissenschaftlicher Erkenntnis aus und sei außerdem
beherrscht vom philosophischen Einfluß der Existenzphilosophic

Heideggers. In dieser aber gehe der Begriff absoluter Wahrheit verloren
, da alle „Vorhandenheit" die Daseinsbedeutung verliert. — Von
hier aus grenzt er ab, wie weit „Entmythologisierng" aller Glaubensverkündigung
gegenüber berechtigt sein könne, eben überall, wo man
.geistliche Dinge auffaßt, als ging es um natürliche Entitäten' (S. 68).
Wo man sich aber des Unterschieds bewußt bleibt, bleibt das Recht dieser
Versinnbildlichungen. Ia sie sind uns immer wieder notwendig. Entscheidend
aber bleibt, daß Gott im Neuen Testament in die „Vorhandenheit
" eingetreten ist. Durch das „von Gott geoffenbarte Dogma
der Menschwerdung . .. wird ja das Historische in der .mythologischen'
Einkleidung als eschatologisches Heil eben endgültig anerkannt. Es besteht
kein Bruch zwischen dem historischen Jesus, der .mythologischen'
Vorstellung vom Heiland und dem eschatologischen Christus pro nobis"
und „Diese Objektivierung ist kein .magischer Zwang', keine Illusion.
Es ist nur nötig, daß man sie nicht gemäß dem Schema wissenschaftlicher
Urteile über die eine oder andere Vorhandenheit auffaßt,
sondern als die Quelle selbst des höchst bewußt-persönlich gelebten
Daseins" (S. 70).

In Adam Fechter (Freiburg) spricht das ganze Entsetzen
eines gläubigen Katholiken gegen die Gedanken, die „allmählich
wie eine Sepsis die ganze evangelische Kirche Deutschlands
durchwirken" könnten.

„So hatten wir die ernste Absicht, die Freundschaft mit vielen
evangelischen Brüdern dadurch zu betätigen, daß wir über diese ihre
Scham den Schleier tiefsten Schweigens breiteten" (S. 73). Es ist Fr.
Gogartens Schrift, die ihn zwingt Stellung zu nehmen. Aber nun muß
er darauf hinweisen, daß dies alles nur die Fortsetzung dessen ist, was
Luther mit seinem Psalmenkommentar begann, die Auslegung des Evangeliums
aus der Erlebniskraft des subjektiven Geistes gegen die Kirche,
der „der Herr .. . den Heiligen Geist verheißen hat". Gewiß muß das
Evangelium in immer neuen Auslegungen verkündet werden. Schon immer
tat das die Kirche. Gewiß ist es ein Geschehen und nicht ein Vorhandenes
, dies „Wunder der Inkarnation ebenso wie die Aussendung
des heiligen Geistes und das Ursakrament der Kirche mit allen ihren
personalen und dinglichen Gnadengaben, in der Tat eine anhaltende
Geschichte, ein Handeln der Dreifaltigkeit Gottes .. . Aber das bedeutet
sicher nicht die Auflösung der Geschichte in .Bedeutsamkeit' und einen
typisch gnostischen Spiritualismus des Heils" (S. 79). — Das Heilmittel
wäre nur eine Rückkehr zu einem wahrhaften philosophischen Denken,
wie es die katholische Kirche pflegt und von da aus die grundsätzliche
Neuorientierung. Bis dahin kann man jedem Katholiken nur raten, auf
„unzeitige Teilnahme" an diesem Ringen zu verzichten (S. 82).

Rudolf Schnackenburg (Bamberg) hat sich die
Aufgabe gestellt, Rudolf Bultmann, seine Forschung und seine
Problemstellung der katholischen Wissenschaft deutlich zu machen
.

Er tut das in einer sehr verständnisvollen, eingehenden Weise.
Er schildert, wie Bultmann von der formgeschichtlichen Methode her
zu seiner Auffassung des Neuen Testamentes kommt, und von seiner
philosophischen Haltung her zur Frage der Bedeutung dieser Botschaft
für den heutigen Menschen. Deutlich macht er, daß damit ein Problem
gestellt ist, das kein Theologe leicht nehmen darf. In seiner Darstellung
der Auseinandersetzung innerhalb der protestantischen Theologie
bleibt diese Haltung vornehmer Sachlichkeit wohltuend, wenn auch
deutlich ist, daß der Autor auf Seiten der Gegner Bultmanns steht. Die
Auseinandersetzung über die Frage, ob Bultmann das Neue Testament
richtig deute, vollzieht sich selbstverständlich so, daß Schnackenburg
das Neue Testament liest als die Urkunde von dem, was Gott getan
hat, während Bultmann an es herantritt als der Forscher, der in ihm
ein geschichtliches Werden zu erkennen sucht. Daß hier jeder der Forscher
recht behält, ist von der Voraussetzung her notwendig. Das wird
in dem zweiten Aufsatz des Verfassers noch deutlicher, der von der
Frage handelt, ob Bultmanns Deutung oder das Chalcedonense das Neue
Testament richtig auffassen. Das alles aber steht in einer Höhenlage
wissenschaftlicher Auseinandersetzung, die wertvolle Klärung bedeutet.

Die Auseinandersetzung über die Frage der Auferstehung,
der schon Schnackenburg nachgeht, wird entscheidend aufgegriffen
durch Karl Adam (Tübingen): Auch er führt Bultmanns
Haltung zurück auf die kalvinische Auffassung des Dualismus
zwischen Gott und Welt.

Ihr gegenüber weiß die katholische Theologie davon, daß „der
Kosmos des natürlichen Seins in seiner ganzen Breite und Tiefe für
göttliche Einwirkungen geöffnet" ist (S. 107). Deshalb weiß er wohl,
daß der Glaube existentielle Antwort des Menschen auf Gottes Anruf
ist, aber er weiß auch, daß dies Heilsgeschehen des persönlichen Erlebnisses
wurzelt in vorbereitenden Vorgängen in der Wirklichkeit, die
den Menschen umfängt. Wo das verstandesmäßige Denken versagt,
gibt es eine Intuition, die das Geheimnis wahrnimmt und in ihm das
Unendliche schaut. Dies wird nun an dem Erlebnis der Auferstehung