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Ausgabe:

1957 Nr. 6

Spalte:

415-420

Autor/Hrsg.:

Melzer, Friso

Titel/Untertitel:

Meditation 1957

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 6

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tristik wenigstens teilweise Anknüpfungspunkte und Entsprechungen
finden. So halte ich die Ausführungen über Theodor
von Mopsuestia für gelungen. Das hängt natürlich damit zusammen
, daß Theodor sich ausführlich zu diesen Fragen äußert und
auch eine eigene Theorie entwickelt. Der Hohepriesterbegriff
spielt bei ihm ohne Zweifel eine erhebliche Rolle und die
d)'dfi,vt]ai; ist für ihn der Kern der Abendmahlsanschauung.
„Es ist also olfensichtlich ein Opfer, aber es ist kein neues, noch
auch ist es sein eigenes Opfer, was der Priester vollbringt; sondern
es ist ein Gedächtnis dieser wahrhaftigen Opferung (Christi
)". Dieser Satz Theodors aus den katechetischen Reden (bei
B. zitiert S. 195) zeigt das sehr deutlich, macht allerdings auch
klar, daß der Opferbegriff bei Theodor vielleicht eine größere
Rolle spielt als es nach B. den Anschein hat. Wichtig sind ferner
die Ausführungen über rvnoq bei Theodor (S. 227 ff.). Denn mit
diesem Begriff kommt man wohl an den innersten Bereich der
theologischen Deutung der Eucharistie durch Theodor. Auch was
B. über die Unterschiede zwischen alexandrinischer und antio-
chenischer Auffassung sagt (auf eine kurze Formel gebracht: in
Alexandrien stellt man das präsentische Handeln des Logos im
Abendmahl in den Vordergrund, in Antiochien ist das Abendmahl
vor allem Anamnesis der vergangenen Heilstat), ist weithin richtig
, auch wenn sich hier die Simplifizierung der theologiegeschichtlichen
Entwicklung bemerkbar macht. So wäre z. B. zu fragen,
ob man wirklich Euseb von Caesarea in die Reihe der alexandri-
nisch bestimmten Theologen einreihen kann, wie B. es tut
(S. 95; 120; 282). Das hängt natürlich damit zusammen, daß B.

den Bruch, der zwischen Origenes und den späteren Alexandrinern
ja sicher besteht, nicht beachtet.

Schließlich muß noch besonders hervorgehoben werden, daß
B. in einem besonderen Abschnitt die patristischen Wandlungstermini
untersucht (S. 300 ff.). Dieser Teil der Arbeit scheint mir
besonders wichtig zu sein, weil hier reichlich Material zusammengetragen
wird, auch wenn man gegen die Folgerungen (etwa
S. 317 f.) skeptisch sein wird.

Aber das mag nun genügen. Selbst eine so ausführliche Rezension
kann nicht entfernt die Fülle des gebotenen Stoffes erschöpfen
. Es kam hier darauf an, auf diese Arbeit, die nicht nur
durch ihr Thema, sondern auch durch die umfassende Stoffsammlung
wichtig ist, gebührend einzugehen und das grundsätzliche
Problem, das mit der Methode und mit dem Vorverständnis des
Verf.s gegeben ist, aufzuzeigen. Der Verf. will diesem ersten
Halbband noch weitere Teile folgen lassen. Man kann nur ihm
und dem Leser wünschen, daß er sich dann nicht nur eines etwas
weniger von Fremdwörtern und Neubildungen durchsetzten
Deutsch bedient (die Unklarheiten der Terminologie, die durch
den Stil verdeckt werden, zeigen doch nur die Unklarheiten in
der Sache), sondern auch noch einmal seine historischen und
theologischen Grundlagen überprüft. Allerdings wird man mit
der Kategorie der Heilsgeschichte sicher keine historische Arbeit
leisten können. Die Fragen aber, die durch B. angeschnitten worden
sind, lohnen eine intensive Debatte, zu der B. durch sein
Buch — das muß trotz aller Kritik gesagt werden — erheblich beigetragen
hat.

Außerhalb der römisch-katholischen Kirche und ihrer Klöster
war das Wort Meditation und die damit gemeinte Sache um
1900 unbekannt. Was einst damit bezeichnet worden war, das
war vergessen. Was in den asiatischen Religionen unter Meditation
verstanden wird, war bloßes Wissen der Fachgelehrten geblieben
, ohne daß auch die Indologen ahnten, welche Lebensquellen
sich hinter dem Wort Meditation verborgen halten.

Selbst in Leopold v. Schröders berühmtem Werk „Indiens Literatur
und Cultur in historischer Entwicklung. Ein Cyklus von 50 Vorlesungen
" (Leipzig 1887) erscheint das Stichwort Meditation nur einmal
auf einer Seite (S. 283), wo dazu nur über die Übungen des Buddhismus
berichtet wird.

Ähnlich steht es mit Helmuth v. Glasenapps Werk „Der Hinduismus
/ Religion und Gesellschaft im heutigen Indien" (München
1922), wo darüber auch nur auf reichlich einer Seite berichtet wird
(S. 298).

(1) In dieser Geisteslage ist es ein Verdienst Rudolf
Steiners (1861—1925) gewesen, daß er das Wort Meditation
aufs neue gebraucht hat. Er verstand darunter die „innere Versenkung
" und nannte als ihr Ziel die „Erreichung der Imagination
" (Die Geheimwissenschaft im Umriß, 1909, Ausgabe Stuttgart
1948, S. 350). Vor die Meditation setzte er als harte Aufgabe
die Konzentration, hinter und über sie die Imagination als
inneres Schauen. Aber diese Anweisungen und möglichen Übungen
blieben auf den geschlossenen Kreis seiner Anthroposo-
phischen Gesellschaft beschränkt.

(2) Einen erheblichen Schritt voran, vor allem auf dem
Wege der religiösen Meditation, hat Friedrich Rittelmeyer
(1872—1938) getan, der das ev. Pfarramt aufgab und die „Christengemeinschaft
" gründete. Sein Buch „Meditation. Zwölf Briefe
über Selbsterziehung" ist das Bemerkenswerteste, was überhaupt
außerhalb der christlichen Kirchen an religiöser Meditationshilfe
erschienen ist. Emil Bock bemerkt zur Neuausgabe
(Stuttgart 1948), Rittelmeyer habe diesem Meditationsbuch „eine
ganz freie eigene Aufgabe" zugewiesen, indem er an einigen Stellen
den Weg dieses Buches gegen den Kultus der Christengemeinschaft
sowie gegen die esoterische Schulung Steiners abgegrenzt
habe (Anm. S. 9).

Da Rittelmeyer das gute biblische Erbe evangelischer Theologie
auf seinen Weg außerhalb der Kirche mitgenommen hat,

Meditation

Ein Literaturbericht als Obersicht über die gegenwärtige Lage

Von Friso M e 1 z e r, Künzelsau

weisen seine Briefe zur Meditation brauchbare biblische Aussagen
auf, richtiger: gibt er manchen Hinweis für meditative Übung,
die auch dem ev. Christen hilfreich sein kann (wenn dieser nur
versteht, die mancherlei anthroposophischen Gedanken auszuklammern
). Eine ebenbürtige Fortsetzung hat dieses Buch nicht
gefunden. Wie sehr Rittelmeyer Meditation geübt hat, wie sehr
er durch sie geprägt worden ist, beweisen seine anderen Bücher
bis in den Stil hinein: „Christus" (8.—11. Tsd., Stuttgart 1950)
— „Ich bin / Reden und Aufsätze über die 6ieben ,Ich bin'-Worte
des Johannesevangeliums" (Aus dem Nachlaß, vom Verfasser
nicht für die Buchausgabe bearbeitet; Stuttgart 1951), zuvor bereits
„Briefe über das Johannesevangelium" (1930/32 in Lieferungen
, 1938 in erster, 1947 in zweiter Auflage, Stuttgart).

Während Rittelmeyer noch im Zusammenhang mit dem
biblischen Christentum verstanden werden möchte, sind andere
einen eigenen Weg gegangen, außerhalb und abseits des Christentums
, von Indien her erleuchtet und geleitet.

(3) Paul Brun ton, ein angelsächsischer Autor, ursprünglich
Journalist, dann Weltreisender nach den Geheimlehren des
Ostens, bekannt geworden durch sein Buch „Yogis / Verborgene
Weisheit Indiens" (Neuausgabe Hamburg 1937) sowie durch
sein Tagebuch „Als Einsiedler im Himalaya" (München-Planegg
1951), hat sich zur Frage der Meditation unmittelbar geäußert in
seinem Buch „Der Weg nach Innen" (München-Planegg, 2. Aufl.,
ohne Jahr). Er zielt auf Selbsterkenntnis in jenem östlichen Sinn,
daß das Selbst das Göttliche sei. (Hier hängt auch Rittelmeyer
mit östlichem Denken zusammen, wenn er die Ich-bin-Worte Jesu
auch als Aussagen der letzten Ich-Höhe des Menschen selbst verstanden
wissen will, als jene „innerste Ich-Höhe, zu der wir jetzt
schon aufschauen und aufsteigen können", in seinem Buch „Rudolf
Steiner als Führer zu neuem Christentum", Stuttgart 1933,
S. 77). Brunton bezieht sich nie auf Christus, tut so, als gäbe es
das Christentum überhaupt nicht. In einigen anderen Büchern
bietet er gelegentlich weitere Kapitel über Meditation an, wie er
sie versteht.

(4) Wer aber außerhalb der Kirchen meditieren will, wird
sich lieber Hans-Ulrich R i e k e r anvertrauen. Dieser hat in das
Durcheinander der Yoga-Literatur unserer Zeit dadurch Ordnung
gebracht, daß er — als erster — eine umfassende Übersicht gegeben