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Ausgabe:

1957 Nr. 5

Spalte:

391-392

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Osswald, Eva

Titel/Untertitel:

Das Bild des Mose in der kritischen alttestamentlichen Wissenschaft seit Julius Wellhausen 1957

Rezensent:

Osswald, Eva

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 5

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lesung anzunehmen sei, wird bestätigt. Doch es ist die Frage, ob damit
das Ganze des gottesdienstlichen Lebens auch, in den heidenchristlichen
Gemeinden umschrieben ist. Gewisse Anzeichen sprechen noch für ein
drittes genus gottesdienstlicher Gestaltwerdung. Diese hat evtl. auch auf
die Gestaltwerdung der Katechumenenmesse eingewirkt. Mit einer Untersuchung
der Stellung des gottesdienstlichen Lebens im Glaubensleben
der Christengemeinden jener Zeit schließt die Arbeit.

Osswald, Eva: Das Bild des Mose in der kritischen alttestament-
lichen Wissenschaft seit Julius Wellhausen. Habil. Schrift Jena 1955,
531 S.

Die Geschichte der Moseforschung zeigt ein vielfältiges Bemühen,
die Gestalt des Mose in ihrer Bedeutung zu erfassen, wobei sich beob-
achten läßt, daß die Ergebnisse außer von bestimmten theologischen
Voraussetzungen vor allem von der jeweiligen Lösung des Pentateuch-
problems abhängig sind.

Im 1. Kapitel wird gezeigt, wie durch die Forschungen von
de Wette, Vatke, Reuß, Graf, Kuenen u. a., bereits ehe Wellhausens
Veröffentlichungen erschienen, die traditionelle Auffassung des Mose
allmählich eine Umgestaltung erfuhr, wobei neben älteren rationalistischen
Kriterien vor allem die mit Hilfe der Literarkritik gewonnene Ansicht
, daß die Priesterschrift nicht als älteste Quelle des Pentateuch betrachtet
werden könne, von Bedeutung ist.

Im 2. Kapitel wird untersucht, in welcher Weise die Geschichte der
mosaisdien Zeit unter der Vorherrschaft der Literarkritik beurteilt
wurde. Zunächst wird dargestellt, wie es durch Wellhausen zu einer
durchgreifenden Umgestaltung des herkömmlichen, vor allem auf der
Schilderung des Priesterkodex beruhenden Mosebildes kam. Wellhausen,
der sich besonders auf die Darstellung des Jahwisten stützt, faßt Mose
in erster Linie als Befreier des Volkes aus Ägypten auf. Er erkennt
erstmals die Bedeutung des Raumes von Kadesdi für Moses gesetzgeberische
Tätigkeit, läßt sich aber dadurch verleiten, die Sinaiüberlieferung
gänzlich beiseitezuschieben. Wellhausens Mosebild ist sehr
stark vom Entwidclungsgedanken abhängig, was sich z. B. dahingehend
auswirkt, daß er die Religion des Mose als verhältnismäßig primitiv
betrachtet.

Bei den Vertretern der Wellhausenschen Schule läßt sich bei aller
Abhängigkeit von den Ansichten des Meisters bereits eine Überwindung
gewisser Einseitigkeiten desselben beobachten. So wird z. B. die
Bedeutung des Mose für die Religion Israels im allgemeinen höher
eingeschätzt als es bei Wellhausen der Fall ist, wenn man ihm auch die
Begründung des israelitischen Monotheismus abspricht.

Wellhausen und seiner Schule steht eine in sich uneinheitliche
Gruppe von Gegnern gegenüber, die unter Ablehnung der Spätdatierung
des Priesterkodex und des Entwicklungsschemas der Tätigkeit des
Mose durchweg eine sehr hohe Bedeutung beimißt und die Überlieferung
von ihm weithin als historisch zuverlässig betrachtet.

Ganz extreme Formen nimmt diese Haltung bei einigen Apologeten
an, die jegliche Bibelkritik ablehnen und in bezug auf das Mosebild
auf dem Boden der kirchlich-synagogalen Tradition stehen.

Im 3. Kapitel wird auf die Ansichten einiger Gelehrter eingegangen
, die mit starker nichtisraelitischer Beeinflussung der Moseüberlieferung
rechnen und zum Teil Mose als eine mythische Gestalt, damit
aber als unhistorisch betrachten.

In den beiden folgenden Kapiteln wird dargestellt, wie die Moseforschung
durch die Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule und
die ihr nahestehenden Forscher neue Impulse erhielt. Neben die literar-
kritische tritt somit die formgeschichtliche Betrachtung, mit deren Hilfe
man die älteste Gestalt der Sagen wiederzugewinnen trachtet. Von be-

| sonderer Bedeutung sind die Versuche Gunkels und Greßmanns, mit
Hilfe der sagengeschichtlichen Forschung den „historischen Kern" der
Überlieferung zu ermitteln, außerdem das Bestreben E. Meyers und
Hölschers, Mose ausschließlich als Kadeschpriester verstehen zu wollen,
wobei allerdings bestimmte Züge der Überlieferung in einseitiger Weise
verwendet werden.

Das 6. Kapitel ist den religionssoziologisch arbeitenden Forschern
gewidmet, die das Hauptaugenmerk nicht auf die religiöse, sondern auf
die praktische Tätigkeit des Mose richten.

In der neueren Forschung finden die bereits aufgezeigten Linien
ihre Fortsetzung. So wird im 7. Kapitel herausgestellt, daß die literar-
kritische, freilich im Verein mit der form- und religionsgeschichtlichen
Arbeit, u. a. von Eißfeldt, Beer und Eichrodt fortgeführt und mit Hilfe
der Kombination verschiedener methodischer Möglichkeiten das Bild
des Mose gezeichnet wird. Von besonderer Bedeutung ist Eichrodts Ver-
such, Mose in die Kategorie der charismatischen Führer einzuordnen.

Im folgenden Kapitel wird gezeigt, daß sich auch bei den neueren
Bestreitern der Literarkritik ein stark an die Tradition gebundenes
Mosebild findet.

Anschließend wird die traditions- und kultgeschichtliche Betrachtungsweise
, wie sie vor allem durch von Rad und Noth vertreten wird,
kritisch behandelt. Dabei wird dargelegt, wie die Ansicht, daß der Pentateuch
aus ursprünglich selbständigen, kultisch gebundenen Komplexen
| bestehe, zur Folge hat, daß eine zusammenhängende Geschichte der
mosaischen Zeit nicht geschrieben werden könne. Darüber hinaus eliminiert
Noth, weit über E. Meyer und HölsÄer hinausgehend, die Gestalt
des Mose bis auf die Grabtradition gänzlich aus dem Pentateuch
und sieht den historischen Ansatzpunkt für den Mose der Tradition lediglich
in einem Landnahmeführer, der keineswegs die Rolle gespielt
hat, die ihm die heute vorliegende Überlieferung zuschreibt.

Eine Zwischenstellung in methodischer Hinsicht nimmt Simpson
ein, der, auf der neuesten Urkundenhypothese fußend, zugleich traditionsgeschichtliche
Gesichtspunkte anwendet. Er leitet die einzelnen
Überlieferungskomplexe von verschiedenen israelitischen Gruppen ab
und kommt bezüglich des Mose zu dem Ergebnis, daß er der Kadesch-
gruppe zuzuweisen sei, bei der er als Priester und Richter wirkte.

Die extremsten Vertreter der traditionsgeschichtlichen Arbeitsweise
gehören der Schule von Uppsala an, doch läßt sich die Auswirkung ihrer
Ansichten auf das Mosebild noch nicht übersehen, da es an einer zusammenfassenden
Darstellung der Geschichte der mosaischen Zeit fehlt.

Im 10. Kapitel wird auf die neueren jüdischen Darstellungen eingegangen
, die außer derjenigen Bubers auf den Ergebnissen der Literarkritik
fußen. Auerbach zieht darüber hinaus in starkem Maße die formgeschichtliche
Methode heran, wobei er vor allem an Greßmanns und
E. Meyers Analyse anknüpft. Besonders beachtlich ist Auerbachs Versuch
, bei der Kadeschüberlieferung zwischen älteren Ortssagen und
eigentlichen Mosesagen zu unterscheiden und die Rolle, die Kadesch
in mosaischer Zeit spielte, zu ermitteln. Zusammenfassend kann gesagt
werden, daß die Bedeutung des Mose von der jüdischen Forschung
durchweg sehr hoch eingeschätzt wird.

Die Geschichte der Moseforschung zeigt, daß es außerordentlich
schwer ist, mit Hilfe des vorliegenden Quellenmaterials die Gestalt des
Mose in ihrer historischen Bedeutung zu erfassen. Gleichwohl kann es
nicht die Aufgabe kritischer Forschung sein, zu resignieren; daher wird
in vorliegender Studie nach einer Sichtung der wichtigsten Ergebnisse
der bisherigen Forschung versucht, einige Richtlinien für die künftige
Arbeit an der Moseüberlieferung zu geben, die sich wegen der Kompliziertheit
des Materials keinesfalls auf eine Methode allein beschränken
darf und jede Einseitigkeit vermeiden muß.

BERICHTE VND MITTEILUNGEN
Die sator-Inschrift von Aquincum

Bei Ausgrabungen auf dem Gebiet des ehemaligen Aquincum, der
einstigen Hauptstadt der römischen Provinz Pannonia inferior, wurden
die Überreste des Palastes der römischen Statthalter freigelegt und 195?
ein gebrannter römischer Tonziegel mit einer sator-Inschrift gefunden.
Die Inschrift wurde kürzlich durch den Archäologen J. S z i 1 ä g y i
veröffentlicht und besprochen1.

Der Ziegel war in den Mauerüberresten des Palastes eingebaut und
ist mit dem üblichen eingebrannten Stempel C/o;HORTIS versehen. Da-

') Szilagyi, J.: Ein Ziegelstein mit Zauberformel aus dem
Palast des Statthalters in Aquincum. In: Acta Antiqua Acade-
miae Scientiarum Hungaricae. II, 1954, S. 305—310, 1 Abb.

durch läßt sich seine Herstellungszeit mit großer Wahrscheinlichkeit auf
etwa 107/8 n.Chr. festlegen. Die Inschrift wurde mit einem spitzen
Werkzeug noch vor dem Ausbrennen in den weichen Ton geritzt und
hat folgenden Wortlaut:
roma tibi sub
ita rotas

opera

tenet

arepo

sator

In der ersten Zeile ist der Anfang eines auch sonst bekannten
Palindroms „Roma tibi subito motibus ibit amor" zu erkennen: auf die-