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Ausgabe:

1957 Nr. 5

Spalte:

388

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Widmann, Martin

Titel/Untertitel:

Der Begriff Oikonomia im Werk des Irenäus und seine Vorgeschichte 1957

Rezensent:

Widmann, Martin

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387

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 5

388

ß) An den Sabbaten; y) An den Monatsanfängen (nicht mit dem Neumond
identisch); d) Zu Beginn jeder Jahreszeit; e) Am Jahresbeginn.—
Allen diesen Kultzeiten ist die Normierung und Festlegung durch den
täglichen bzw. jährlichen Sonnenstand bzw. -„lauf" eigentümlich. Daher
wird weder die Größenordnung des Sonnenjahres überschritten, noch
werden auch die eigentlichen „Feste" erwähnt, obwohl dieselben wie
auch die Sabbat- und Halljahre von Seiten der Gruppe beobaditet wurden
, wie andere Texte vom Toten Meer berichten.

Aus dieser Doppelheit, der starken Betonung der Sonne als Deter-
minator der Kultzeiten und als Symbol für den Heilswillen Jahwes
einerseits und der Beobachtung der dem Judentum in seiner Gesamtheit
verbindlidien sonstigen Feste andererseits, ist die Gruppe zu verstehen
. Sie steht damit zwar im Gegensatz zu dem vom späteren normativ
gewordenen pharisäischen Rabbinismus Vertretenen, ordnet sich
aber durchaus in den Gesamtrahmen des Judentums, vor allem des Vor-
Rabbinischen ein.

2. DSD (lQS) 1,18 — 11,18: Dieser Abschnitt enthält die
älteste uns bekannte jüdische Festliturgie:
I a + b Priester (Pr) und Leviten (L):

Lobpreis Gottes (I, 18b. 19).
c Gemeinde (G):

Amen, Amen (I, 20).
II a Pr: Verkündigung der Heilstaten Gottes (I, 21.22a).
b L : Verkündigung der Sünden Israels (I, 22b — 24aa).
c G: Sündenbekenntnis (I, 24a/? — II, la).

III a Pr: Aaronitisdier Segen (II, ib —4a).
b L : Levitischer Fluch (II, 4b — 9).

c G: Amen, Amen (II, 10).

IV a + b Pr und L:

Fluchandrohung gegen Apostaten (II, 11—17).
c G : Amen, Amen (II, 18).

Gegen die weithin vertretene Auffassung, DSD 1,18 — 11,18 sei
die Festliturgie anläßlich der Feier zur Aufnahme der Novizen, sprechen
drei Gründe: 1. Die Fluchandrohung (11,11 — 17) kann sich — ganz
wie das verwendete Stück Dt. 29, 18—20 — nur auf den beziehen, der
zuvor schon zu den „Söhnen des Lichtes" gehört hat. — 2. Das Sündenbekenntnis
(1,24 —II, la) ist das Bekenntnis der Gesamtgemeinde, wie
CDC XX, 25 ff. deutlich macht. Zudem entspricht die Reihenfolge der
Verben, die das Sündigsein zum Ausdruck bringen, genau der des Großen
Versöhnungstages, eines Tages zur Sühne für das ganze Volk. —
3. Die Redewendung rP"133 "T13.?b bedeutet das kultische
Vor-Gott-Treten im Gottesdienst, nicht die erstmalige, endgültige Bindung
, las im genannten Sinne wird nur GSD I, 16 ff. und II, 19 ff.,
und zwar für die Priester, Leviten und das ganze Volk gebraucht.

Für die Beantwortung der Frage, zu welchem Fest diese Liturgie
gehört, scheint die Beobachtung wichtig zu sein, daß die Stücke I—III in
jedem Gottesdienst der Gemeinschaft zu verwenden waren im Gegensatz
zu Stüde IV. Erst durch dies wurde die Gesamtliturgie zur Liturgie
eines bestimmten, alljährlich zu feiernden Gottesdienstes, in welchem
sich die Gemeinde neu an Gott band; m. a. W.: DSD I, 18 — 11, 18 ist
die Liturgie des Bundeserneuerungsfestes. Offen bleibt lediglich, an
welchem Zeitpunkt des Jahres dies Fest gefeiert wurde, wenn man nicht
ohne weiteres die Nachricht Jub. 6, 17 als verbindlich ansehen will.

Jene Beobachtung aber, daß die Stücke I—III in jedem Gottesdienst
der Gemeinschaft verwendet werden konnten, führt zu weiteren Folgerungen
: Bringt man die in Stück III charakteristischen Umprägungen
und Erweiterungen des aaronitischen Segens und den ganz dem
Gruppenstandpunkt gemäßen levitischen Fluch zunächst in Abzug, so
enthalten die Stücke I—III nichts, was der Gruppe allein eigentümlich
wäre. In den Stücken I—III haben wir also eine gesamtjüdische Festliturgie
des Wortgottesdienstes vor uns, wie sie jederzeit außerhalb
des Tempels unbeschadet der Gruppenzugehörigkeit gefeiert werden
konnte. Diese Folgerung erhält durch Beobachtungen an der at.lichen
Psalmen- und Gebetsliteratur ihre Stütze, die zeigen, daß diese z. T.
auf dem Hintergrunde jener gesamtjüdischen Liturgie entstanden sind.

Weiterhin machen sie wahrscheinlich, daß die Stücke la + b und IIa + b
festgeformte, vorgegebene Formulare verwendeten.

Die Untersuchung der charakteristischen Umprägungen und Erweiterungen
des aaronitischen Segens und des levitischen Fluches insgesamt
führte zu folgenden Ergebnissen: Beide sind formal und inhaltlich
weitgehend antithetisch konzipiert und stimmen in wesentlidien
Punkten überein mit einer gesamtjüdischen Auslegungstradition des
aaronitischen Segens, wie aus bestimmten Teilen der rabbinischen Auslegungsliteratur
(Sifre Num. und Num. R.) und der jüdischen Gebetsliteratur
(z. B. 2. Morgenbenediktion vor dem Sema', 'Ahaba rabba,
und der 19. babyl. und 4. pal. und babyl. Benediktion des Achtzehnbittengebetes
) noch hervorgeht. Damit aber wird letztlich die oben
bereits vorgetragene Beobachtung weiterhin gestützt: In den Stücken
I—III der Festliturgie haben wir das Ritual eines gesamtjüdischen Wortgottesdienstes
vor Augen.

W i d m a n n, Martin: Der Begriff olxovo/u'a im Werk des Irenäus und
seine Vorgeschichte. Diss. Tübingen 1956, 173 S.

Der erste Teil der Arbeit ist ein Versuch, die Begriffsanalysc für
die Literarkritik bei Irenäus fruchtbar zu machen. Da die theologische
Einheitlichkeit des irenäischen Werks, besonders nachdrücklich durch
Loofs, bestritten ist, wird zuerst eine Einzelexegese für die einzelnen
otxovofiia -Stellen, vom 1. Buch an, geliefert; dann erst kann eine systematische
Darstellung des Begriffs bei Irenäus gegeben werden, wobei
auch auf die Struktur der irenäischen Theologie im ganzen einiges Licht
fällt. Was Irenaus der gnostischen Überantwortung des Kosmos und
der Geschichte an den Urfall entgegensetzt, das ist zum ersten und von
außen her die Überantwortung der Geschichte an den Schöpfergott,
durch dessen „Plan" Kosmos und Geschichte umfaßt und gehalten, gestaltet
und geordnet sind; das ist zum zweiten und von innen her die
Überantwortung der Geschichte und des Kosmos an den menschgewordenen
Gott, durch dessen „Rekapitulation" Kosmos und Geschichte in
Gott einverleibt sind. Im Rahmen dieser Grundauffassung nimmt Irenäus
freilich verschiedene vor-irenäische Gedankenkreise auf, die kaum
verändert wurden und in denen sich darum noch profilierte Prägungen
des Begriffs finden. So bedeutet der Begriff in dem Gedankenkreis der
„Adam-Christus-Dialektik" die Heilsveranstaltung des Christusgeschehens
, das in formaler Identität und in materialer Antithese das Adamsgeschehen
rekapituliert. So bedeutet der Begriff im Plural in dem Gedankenkreis
der „Lehre von der fortschreitenden Offenbarung Gottes"
(Boussetscher Traktat von den Prophetenweissagungen) die geplanten,
zukünftigen Erscheinungsweisen des Sohnes, die von den Propheten geschaut
werden und die damit die erste, anfangende Form der Offenbarung
Gottes darstellen. In dem Gedankenkreis von der „Erziehung
des Menschengeschlechts" spielt der Begriff keine Rolle; dasselbe gilt
für die Lehre vom 1000jährigen Reich.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem Begriff in der Gnosis.
Nach eingehender Einzelexegese ergibt sich, daß der Valentinianismus
eine kosmologische Verwendung für das Reich des Demiurgen kennt,
die sich aus der stoischen Philosophie herleiten läßt, und daß die gesamte
christliche Gnosis (und wohl auch Marcion) den Begriff in seiner
soteriologischen Bedeutung im Sinne der christlichen Gemeindetradition
kennt.

Der dritte Teil geht dieser christlichen Gemeindetradition nach:
über die Apologeten, die Epist. apost. und Ignatius zurück bis zu Eph. 1,
10 und 3, 9. Der Begriff wurde wohl vom Schreiber des Eph. im „Re-
velationsschema" (N. A. Dahl) aus der liturgischen Tradition der Gemeinde
aufgenommen. Er scheint in seiner soteriologischen Bedeutung
die Schöpfung eines christlichen Theologen zu sein; dies lehrt eine Untersuchung
der heilsgeschichtlichen Begrifflichkeit des Spätjudentums
(einschl. Qumran-Texte) und der sonstigen urchristlichen Literatur
(besonders Lukas).

Durch die starke Betonung der literarkritischen Fragestellung bei
Irenäus und der religionsgeschichtlichen Fragestellung unterscheidet sich
die Arbeit durchgehend von der Dissertation von O. Lillge (Erlangen,
1955).

Matthes, Helfried: Die thüringischen Klöster und ihre allgemeine
Bedeutung. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Thüringens. Phil. Diss.
Jena 1955. XXVIII. 279 S.

Die Diss. will die Klöster, die ehemals in Thüringen bestanden
haben, historisch beschreiben, ihre allgemeine Bedeutung herausstellen
und damit einen Beitrag zur Kulturgeschichte Thüringens leisten. Sie
hat sich zur Aufgabe gestellt, die weit verstreute und zum Teil nur
noch schwer erreichbare Literatur über die thüringischen Klöster unter
Benutzung der gedruckten Urkundenbücher zusammenzufassen und will
letztlich nicht feststellen, „wie es eigentlich gewesen ist", sondern den
gegenwärtigen Stand der Forschung aufzeigen. Dabei ist der Begriff
„Klöster" sehr weit gefaßt. Es werden auch die geistlichen Institutionen

mit behandelt, die man heute gewöhnlich als „regulierte Stifte (Stifter)"
bezeichnet, also die der Augustiner-Chorherren und Prämonstratenser
sowie ihrer weiblichen Zweige. Nicht einbezogen wurden dagegen die
Kommenden der Ritterorden, die Jesuitenkollegs, die Niederlassungen
der Tertiarier (-innen) und Beginen sowie die Klosterhöfe. Geographisch
wird das beschriebene Gebiet etwa durch die Grenze des Landes Thüringen
, wie es bis 1952 bestand, umschlossen. Im Süden wurde das Coburger
Gebiet mit einbezogen, und auch im Nordosten wurde die Grenze
des ehemaligen Landes Thüringen überschritten; alles, was nördlich
von Nordhausen liegt, blieb unberücksichtigt.

Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert, von denen der erste („Entstehung
, Entwicklung und Ausbreitung des Mönchtums und seine Er-