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Ausgabe:

1957 Nr. 5

Spalte:

352-354

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Thyen, Hartwig

Titel/Untertitel:

Der Stil der jüdisch-hellenistischen Homilie 1957

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 5

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h) Werk, Wort, Wesen ... (S. 279) ist nicht = tib. las, gtam,
t'ugs (skr. = karma, värttä, mänas [!!]) —t'ugs könnte aus Gründen
des Vorhandenseins einer Respektssprache in dieser Verbindung gar
nicht stehen, — sondern = tib. las, gtam, y i ä, Aspekte, denen sku,
gsun, thugs (= t'ugs) = skr. käyaväkcitta als ausübende „Organe"
entsprechend gegenübergestellt werden.

Diese Stellen sollen genügen, um zu zeigen, daß man manche
Ausdrücke oder Begriffe doch nicht ganz so einfach hinnehmen
bzw. übersetzen sollte, sondern daß man sie nach verschiedenen
Richtungen hin beleuchten kann, was natürlich vielfach zu anderen
Ergebnissen führt; keineswegs sollen 6ie aber den Wert
des sehr aufschlußreichen Buches beeinträchtigen.

Leipzig J- Schubert

M e n s c h i n g, Gustav: Buddhistische Geisteswelt. Vom historischen
Buddha zum Lamaismus. Texte ausgewählt und eingeleitet. Darmstadt
: Holle Verlag [1955]. 355 S. 8°. Lw. DM 14.-.

Es war ein guter Gedanke des Verlages, in seine Reihen
„Geist des Abendlandes" und „Geist des Morgenlandes" einen
Band über die buddhistische Geisteswelt aufzunehmen, der charakteristische
Übersetzungsproben aus Texten dieser jetzt zweieinhalb
Jahrtausende alten Religion bietet. Da der Buddhismus
ßeit über 100 Jahren in Deutschland studiert wird, ist auch eine
Überfülle von Übertragungen vorhanden, die geeignet sind, die
wechselnden Formen dieses Glaubens von seinen Anfängen bis
zur Gegenwart zu illustrieren. Leider wird dieses schöne Ziel in
dem vorliegenden Buche nur in unvollkommener Weise verwirklicht
. Denn der Herausgeber hat sich damit begnügt, einzelne
Stücke aus den bekannten Auswahl-Lesebüchern von Haas, Ol-
denberg, Seidenstücker, Winternitz und anderen wieder abzudrucken
, wozu noch 70 Seiten aus Nyanatilokas Übertragung des
„Visuddhimagga" (1952) und 12 Seiten aus der Übersetzung des
„Tibetanischen Totenbuchs" von Luise Göpfert-March (deren
Name nicht genannt wird) kommen. Man wird diese Auswahl bedauern
, weil wohl jeder für die Religion Gautamas Interessierte
das eine oder andere, wenn nicht alle diese Florilegien besitzt.
Unschwer hätte sich aus weniger bekannten Werken und aus in
Zeitschriften vergrabenen Schätzen eine Fülle von übersetzten
Texten bringen lassen, die zu einer wesentlichen Bereicherung
der Arbeit hätten beitragen können, ich nenne nur die folgenden
Stücke mit ihren Übersetzern: Mahävastu (R.O.Franke), Bud-
dhacarita (Cappeller), Prasannapadä (Schayer), Trimshikä (Ja-
cobi), Shingonlehre (H. Smidt), chines. Laienbuddhismus (Hackmann
). Bei Heranziehung dieser Übersetzungen, deren Zahl sich
noch wesentlich vermehren ließe, wäre das Werk vollständiger
und ausgeglichener geworden, denn so wie es ist, sind die verschiedenen
Zweige des Buddhismus in sehr unterschiedlicher
Weise behandelt. Während Indien 265 Seiten gewidmet sind, von
denen 248 auf die Palischule, 17 auf das Große und Diamant-
Fahrzeug entfallen, muß sich Japan mit 28, Tibet mit 14 und
China mit 1 Seite begnügen, und die andern 10 buddhistischen
Länder fallen überhaupt aus. Die Literatur der letzten 800 Jahre
wird gar nicht berührt, obwohl doch Schriften prominenter Buddhisten
der Gegenwart wie Tai-hsü, Takakusu usw. sogar in
deutscher Sprache zugänglich sind. Bei einem Werke, das sich
„Buddhistische Geisteswelt" betitelt, erscheint eine Beschränkung
auf Dogmatik und Ethik nicht am Platze, der Leser muß erwarten
, auch etwas von der buddhistischen Dichtung, der buddhistischen
Kosmologie, von den Reiseberichten chinesischer Pilger
usw. zu erfahren. Ein Buch „Christliche Geisteswelt" dürfte sich
m. E. ja auch nicht auf den Abdruck von Teilen des Neuen Testaments
, von Auszügen aus der Bibliothek der Kirchenväter und
aus Luthers Werken beschränken, sondern hätte auch Dante,
Milton, Bullen und Regierungserlasse, Missionsberichte und die
reiche christliche Literatur der letzten Jahrhunderte zu berücksichtigen
.

Der verbindende Text des Herausgebers beschränkt sich mit
Recht auf die für die Lektüre notwendigen Erklärungen. Wenn
er S. 327 überhaupt zu der umstrittenen Frage, ob die seit über
2 000 Jahre geltende buddhistische Lehre der ursprünglichen
Philosophie des Buddha entspreche, Stellung nehmen wollte, so
wäre für seine Behauptung, daß der Buddha etwas ganz anderes
gelehrt haben soll als die im vorliegenden Werke enthaltenen

Texte, eine eingehende Begründung dafür notwendig gewesen,
warum und durch welche Zwischenstufen sich dieser grundlegende
Wandel von der von Mensching angenommenen ursprünglich
monistischen Philosophie des Seins zu einer pluralistischen Philosophie
des Werdens vollzogen haben soll.

Tübingen H. v. OUsenapp

BIBELWISSENSCHAFT

Thyen, Hartwig: Der Stil der Jüdisch-Hellenistischen Homilie. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1955. 130 S. gr. 8° = Forschungen
zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, hrsg.
v. R. Bultmann, N. F. H. 47. DM 9.80.

Die Aufgabe Th.s ist weit komplizierter als die Bultmanns
in »Der^ Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische
Diatribe" (1910). B. hatte ein geschlossenes Material zur Verfügung
; „die Briefe des Paulus ... sind wirkliche Briefe", man
kann annehmen, daß er sich in ihnen weithin „in derselben Redeweise
wie im mündlichen Vortrage" bewegte, bzw. umgekehrt
(B. 3). Th. muß Schriften recht verschiedener Herkunft heranziehen
, und die meisten von ihnen haben — im gewichtigen Unterschied
zu den Paulusbriefen — literarische Absichten (sei es
auch in verschiedenem Grade): Philons allegorische Abhandlungen
zur Genesis (Cohn-Wendland Bd. 1—3), 4. Makk. (eine Schrift,
die übrigens m. E. mindestens ebensogut mit O. Eißfeldt1 als „ein
in Redeform gekleideter philosophischer Traktat"
wie als Bearbeitung einer synagogalen Homilie2 angesehen werden
kann, deren Text 2. Makk. gewesen sein soll!), Sap. Sah,
Test. XII (deren Einbeziehung mit ihrer „frühen Bekanntschaft...
in der Diaspora" und der „Verwandtschaft ihrer Mahnungen mit
denen" in Jak., Barn., Hermas begründet wird [25]), Jak. (nach
Th. nur ganz leicht christlich überarbeitet, ursprünglich eine Zusammenfassung
des Ertrags „von Synagogenpredigten über die
Geschichte Jakobs" [16], ähnlich Test. XII [25]), die von Th. neben
1. Clem. („ein interessantes Dokument des Stiles der Synagogenpredigt
", weil „sich die römische Gemeinde wohl aus einer
Synagogengemeinde heraus entwickelt hat"3), Hebr. und Hermas
hauptsächlich verwerteten Schriften. B. beanspruchte nicht mehr,
als den Predigt-Stil des Paulus aufgezeigt zu haben — Th. behauptet
, den „Stil der Jüdisch-Hellenistischen Homilie" erheben
zu können. In Wirklichkeit wird man jedenfalls zu Kap. I
nicht mehr sagen dürfen als dies: so, d.h. hier unter Verwendung
bestimmter Mittel der asianischen Rhetorik, kann in manchen
Synagogen der Diaspora gepredigt worden sein (ganz abgesehen
davon, daß sich die Verwendung mancher rhetorischer Mittel nur
aus e i n e m Schriftsteller belegen läßt, z. B. Philon [56 f. 60 f.]);
in anderen wurde vielleicht ganz anders geredet, und in derselben
Synagoge vielleicht von verschiedenen Männern in ganz verschiedener
Weise:'a. Schließlich gehören die meisten der von Th. hauptsächlich
benutzten rein jüdischen Schriften an einen einzigen Ort
mit einer sehr entwickelten geistigen Kultur!

Merkwürdigerweise übergeht Th. die grundsätzliche Äußerung
Philons — der für Th. besonders ergiebig ist — zur Homiletik
(als der Theorie der Predigt; Th. gebraucht die Vokabel fast
immer von der Predigtpraxis) in Vit. cont. 3l die ja wohl sein

*) Einleitung in das Alte Testament 2(I956) 758.

2) So Th. 13 f., weitergehend als sein Gewährsmann 1. Hei nemann,
Pauly-Wissowa 14 (1928) 800 ff. (Th. falsch 890 ff.) s.v. 4. Makk.,
bes. 802 f.

3) Th 12. Louis Sanders, L'Hellenisme de Saint Clement de Rome
etle Paulinisme, Studia Hellenistica 2 (1943) meint dagegen, in l.Clem.
starke stoische Einflüsse nachweisen zu können. Doch zeigt W. C. van
Unnik, Is 1 Clement 20 purely stoic?, Vig. Christ. 4 (1950) 181—189,
für 1. Clem. 20 den jüdischen Inhalt der stoischen Form auf (189).

'a) Vgl. schon J. Freudenthal, die Flavius Josephus beigelegte
Schrift: Über die Herrschaft der Vernunft... (1869; Th.: 1896) 9. Fr.
verweist u. a. auf den Traktat de Jona (9—12), den übrigens Hans Lewy.
The Pseudo-Philonic de Jona I, Studies and Documents 7 (London 1936)
24, als eine Predigt und (22) als ein Werk der „asianischen"
Rhetorik bezeichnet.

*) Vgl. L. Treitel, Zur Entwicklungsgeschichte der Predigt in Synagoge
und Kirche..., Festschr. z. 75jähr. Bestehen des Jüd.-Theol. Seminars
(Breslau) 2 (1929) 373—376, z. St. 374.