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Ausgabe:

1957

Spalte:

349-351

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Filchner, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Kumbum - Lamaismus in Lehre und Leben 1957

Rezensent:

Schubert, Johannes

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len fehlen. Unter „Sünde" (Sp. 841 ff.) wild nur das Phänomen aktueller
Verfehlungen behandelt, und zwar in dem vorangestellten „allgemein-
religionsgeschichtlichen" Abschnitt sehr oberflächlich und ohne jedes
Quellenmaterial. Die Literaturangaben sind vielfach sehr lückenhaft
und keineswegs auf dem neuesten Stand. Drei wichtige religionswissenschaftliche
Zeitschriften werden im Abkürzungsverzeichnis gar nicht erwähnt
: „Numen". „Studi e materiali di storia delle religioni" und die
..Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte".

Abschließend wird man sagen dürfen, daß in den theologisch
indifferenten, rein religionsgeschichtlichen Artikeln sachlich zuverlässige
Informationen geboten werden. Katholischen Lesern,
denen es auch um die theologische Beurteilung der Grundbegriffe
der Religion geht, wird das vorliegende Buch wertvolle Dienste
leisten. Die uneingeschränkte Bezeichnung „Religionswissenschaftliches
Wörterbuch" aber ist irreführend.

Bonn O. Mensching

Filchner, Wilhelm: Kumbum. Lamaismus in Lehre und Leben. Mit

Originallegenden (Tibetisch, Mongolisch, Chinesisch) und 7 Bildtafeln
nach Originalaufnahmen des Verf.s. Zürich: Rascher 1954. 298 S..
7 Taf., l Kte. gr. 8°. DM 19.-.

Das Schrifttum über das berühmte Lamakloster Kumbum
(geschr. = sku-'abum byams-pa glin) — es liegt ca. 30 km südl.
Hsi-ning, der Hauptstadt der heutigen chinesischen Provinz
Ch'ing-hai = mongol. Kukunör= k'ük'e nagor — wird damit um
einen neuen Band, der den besonders durch 6eine Asienrei6en
bestens bekannten kürzlich verstorbenen Wilhelm Filchner zum
Autor hat, bereichert. So wie seit dem ersten Besuch des Verfassers
in Kumbum (1904) bis zu seinem dritten Aufenthalt dort
(1936) ein langer Zeitraum liegt, so zeigt sich auch zwischen der
ersten Kumbum-Publikation Filchners1, der zweiten2 und der letzten
(jetzigen) ein gewaltiger Unterschied. Jede der drei Veröffentlichungen
hat ihre Verdienste, ihre Vorzüge und ihre Mängel.
Im Gegensatz zum ersten Buch Filchners über Kumbum, das seinerzeit
bereits außerordentlich viel mitteilte (vor allem Ausführliches
über den Heiligen Baum mit den beschrifteten Blättern),
aber, wie der Autor selbst schrieb (S. V), gewissermaßen erst die
..Grundlage... für weitere Forschungen im Kloster Kumbum"
liefern sollte, und zur zweiten Veröffentlichung, die eine sehr
ausführlich gehaltene Monographie darstellt, nimmt das neue
Buch eine Mittelstellung ein.

Unter ganz anderen Gesichtspunkten beschreibt es — wenn
man vom Vorwort und den Registern absieht — in 14 Abschnitten
das Kloster und die Welt des Lamaismus, soweit es sich dabei
um die durch den in Kumbum geborenen Tson-kha-pa reformierte
Sekte der „Gelbmützen" (zhva-ser), die seitdem innerhalb
des Lamaismus dominieren, handelt. Der Autor selbst bezeichnet
die neue Schrift (S. 12) als eine „gekürzte Neuausgabe von Kumbum
Dschamba Ling", wie denn auch der Verlust der Druckstöcke
und des Bildmaterials der zweiten Publikation durch
Kriegseinwirkungen das Zustandekommen dieses neuen Werkes
eigentlich veranlaßten (S. 9). Dem im Juli 1954 in Zürich abgeschlossenen
„Vorwort" (S. 9—12) folgt auf 8 Seiten (13—20)
ein Kapitel über ,,ein(en) Film und seine Geschichte", welches
sich mit den lichtbildnerischen Aufnahmen des Autors beschäftigt
, die als Ergebnis den Film „Mönche, Tänzer und Soldaten"
zeitigten. Während eine „kleine Landeskunde von Tibet" (S. 21
—3 8) in die Grundbedingungen der tibetischen Wesensart einführt
in einer etwas breiteren Form, wird die so überaus schwierige
Darstellung der G e s c h i c h t e des Lamai6musa unter dem
Motto „Erkenne die Nichtigkeit der Dinge" auf S. 39-52 in gedrängtester
Form dargeboten. Mit dem Abschnitt „Fremde, selt-
«ame Welt" (S. 53-60) beginnt die Beschreibung von Kumbum
in zunächst ganz allgemeiner Form und mit Hinweis auf die allgemeinsten
Objekte des lamaistischen Kultes. Die unter der Über-

*) Das Kloster Kumbum in Tibet. Ein Beitrag zu seiner Geschichte.
Berlin: Mittler & Sohn 1906, XIV, 164 S., 1 Kte. und 40 Tafeln.

) Kumbum Dschamba Ling. Das Kloster der hunderttausend Bilder
Maitreyas. Ein Ausschnitt aus Leben und Lehre des heutigen Lamaismus
. Leipzig: Brockhaus 1933. XVI, 555 S., 208 Abb auf Taf, 412

Skizzen und 1 Kte

s) Diese liegt in einer ganz neuen Veröffentlichung aus der Feder
des bekannten Indologen und Tibetologen Helmut Hoffmann (Die Religionen
Tibets. Freiburg/München: Alber 1956) vor. ' einzelne Gottheiten.

schrift „Heiliger Urbaum im Golddachtempel" stehenden S. 67
—93 liefern eine knappe Beschreibung der wichtigsten Tempel
(Hauptheiligtum ist der sogenannte Tempel mit dem goldenen —
das ist es wirklich! — Dach, die Stelle, an der der lamaistische
Reformator geboren wurde). Leben und Tätigkeit des Reformators
Tson-kha-pa, der „Zierde der Weisheit des Schneelandes",
schildert das so benannte Kapitel (S. 95—106), und in da6 Leben
und Treiben der Mönche gewähren die S. 107—125 — „Es fülle
sich ihm die Schale der Gelübde" — einen Einblick. Von den
Wiedergeburten, den Inkarnationen, den Tulku's (sprul sku),
spricht der Abschnitt „Er nahm seine Wohnung in einem Mönch"
(S. 127—136). In gleicher Weise kommt der Tempeldienst und
das Gebet unter der Devise „Versammelt Euch" (S. 137—150)
zur Betrachtung. Über Feßte („Butterfest") und Tänze („Meister
des Friedhofs-Herren des Leichenackers"-Sühnopfer) kann man
sich auf den S. 151—171 und 173—193 unterrichten, und schließlich
läßt uns der Verf. auch noch einen Blick in die lamaistische
Wissenschaft („Sechsundzwanzig Semester Philosophiestudium",
S. 195—208, und „Dr. med. in Tibet. Schmiere Butter in die
Ohren", S. 209—218) tun. Gleich dem Anhang „Völkerkundliches
aus Tibet..." in dem großen Kumbum-Werk schließt auch
hier das Kapitel „Bei Ackerbauern und Viehzüchtern zu Gast"
(S. 219—233) das Buch und damit die Darstellung des Lamaismu«
in Lehre und Leben, betrachtet am Beispiel des Klosters Kumbum
, ab.

Sowohl dem großen Kumbum-Buch als auch dem hier in
Rede stehenden lieferte der leider nun verstorbene Dr. h. c.

A. Unkrig eine wissenschaftliche Basis; dem ersteren durch
Beisteuerung von 4 Kapiteln und einer Zahl von 1705 sehr wertvollen
Anmerkungen, dem jetzigen durch Hinzufügung eines sehr
guten und wichtigen Verzeichnisses (S. 234—280), das lamaistische
und (einige) andere Begriffe sprachlich und sachlich erläutert, sowie
durch Beifügung von 811 Originalschreibungen tibetischer,
mongolischer und chinesischer Namen (S. 283—298). Außerdem
enthält das Buch noch ein allgemeines Namen- und Sachregister
(S. 235-254).

In gewissem Sinne ergänzen sich die Veröffentlichungen von
1933 (Leipzig: Brockhaus) und 1954 (Zürich: Rascher). Sie sind
beide 6ehr wertvoll, und es empfiehlt sich deshalb auch, beide
zu studieren. Das große Werk habe ich in der OLZ 1934, Nr. 7,
spalte 452—456, etwas ausführlicher besprochen, so daß ich hier
darauf verweisen kann und nur weniges mitzuteilen brauche von
dem, was etwa in dem jetzigen Werk als verbesserungsbedürftig
gelten könnte. Aber auch da soll nur eine Auswahl von acht
Beispielen genügen:

a) Im Gegensatz zur üblidien Zahl von 7000 als Mönchsinsassen
von Kumbum bei Filchner kommt die Zahl von 3000 (S. 1441) der
Wahrheit näher. Mir wurde bei meinem Aufenthalt im Kloster (im
Jahre 195 5) die Zahl 3 500 als Summe der Insassen genannt.

b) Die Schreib ung Lhassa sollte doch besser durch Lhasa ersetzt
Werden (für die Existenz von doppeltem 9 ist gar kein Grund vorhanden
; der Name wird ja übrigens auch nicht Lhas-sa, sondern hläi-sa (M)
gesprochen).

c) Ba-nag (S. 2 55) ist nicht = chines. pa (acht) und tib. nag
(schwarz), d. h. „die acht in schwarzen Zelten wohnenden Sippen", sondern
= tib. sbra-nag = schwarzes Zelt und sbra-nag-pa (was zu sbra-
nag-ga werden kann) „die Schwarzzeltbewohner".

d) Cakravartin (skr.), S. 257, = der, der das Rad in Bewegung
setzt, nicht „dessen Räder rollen"!

e) Jehol (S. 264) bedeutet aber nicht „heißer Fluß", sondern „(der
Ort, an den man) sich vor der Hitze zurückziehen (kann)".

0 Khadak (S. 265) heißt wohl nicht „was den Mund verdeckt",
sondern „was man mit dem Mund (mit der Rede, mit der Begrüßung)
verbunden hat" (d.i. das Geschenktuch; ähnlich bei uns die Blumen
m i t einem Geschenk). Die Mundbinde bei gewissen Opfern, die dieselbe
Bezeichnung trägt, ist wohl nicht der Ausgangspunkt für die Bedeutung
.

g) Bei Mandala (S. 268) ist zwischen Mandala, „Körner-MandaU"
und Xota mandal (= Stadt-Mandala) genauer zu unterscheiden. Die
Mandala's, die in Form von flachen Metallschüsseln in Gebrauch sind,
dienen wohl meistens, wenn nicht ausschließlich, als „Körner-Mandala",
d. h. als Opfer für das gesamte lamaistische Universum und nicht für