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Ausgabe:

1957

Spalte:

333-340

Autor/Hrsg.:

Zimmerli, Walther

Titel/Untertitel:

Ezechiel 1957

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333 Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 5__334

die Annahme gleichzeitiger Abfassung beider Schriften mit einem
gewissen Vorrang des Eph. erlaube.

1. Die Bemerkung Kol. 4, 16 macht auf einen gleichzeitig
geschriebenen Brief des Paulus aufmerksam, der dem Kol. vorangegangen
ist.

Die Stelle Kol. 4, 16 ist natürlich nur sinnvoll, wenn der „Laodi-
zenerbrief" dem Schreiber des Kol. bereits vorlag. Auf die Unechtheit
des „in Ephesus" im Präskript des Eph. und die Meinung des Marcion,
der Eph. sei ein „Laodizenerbrief", brauchen wir hier nur hinzuweisen.
Wichtiger erscheint uns, daß Kol. 4, 16 jene Beobachtung zur Paränese
bestätigt, auf die wir oben aufmerksam machten: Ist die Mahnung des
Kol. nämlich eine „gekürzte" Paränese, wäre diese Kürzung besonders
gut motiviert, wenn das vorliegende Schreiben nach Laodizea eine ausführlichere
Paränese enthielt.

2. Man hat früher das Unbriefliche am Eph. als Argument
gegen dessen Echtheit ausgewertet. Es ist an der Zeit, die seltsame
Form des Kol. zum Gegenstand der Diskussion zu erheben.

Denn wir wissen heute, daß sich der Eph. an das Schema hält, das
ihm die katechetische Situation vorschreibt (Liturgisches Gut, 83 ff.)-
Merkwürdig ist dagegen, daß sich auch der Kol. dieses Schemas bedient
hat, obgleich dafür kein zwingender Grund vorliegt. Im Gegenteil, die
Polemik gegen die Häretiker hat den gewohnten Zusammenhang zwischen
Zeugenformel und Paränese zerrissen (Liturgisches Gut, 89. 94),
als schiebe der Verfasser sein konkretes Anliegen in ein vorgegebenes
Schema ein, das mit der Polemik nur insofern etwas zu tun hat, als
junge Christen am besten durch Taufparänese zur Abwehr gegen die
Häresie gerüstet werden. Dazu hätte jedoch auch die gewöhnlidie Briefform
gewählt werden können. Auf dem Hintergrund eines der katechetischen
Situation entsprungenen Schreibens wäre die Form des Kol.
dann allerdings motiviert.

3. Da sich die liturgischen Zitate im Kol. und Eph. nicht
überschneiden, legt sich die Annahme bewußter Auswahl nahe.
Die wichtigeren Zitate dürfte der Eph. enthalten.

Wir stellen fest: Kein liturgisches Zitat, das im Kol. oder Eph.
begegnet, wird im anderen von beiden wiederholt. Im Überschneidungsfalle
bedient sich der Autor höchstens der Paraphrase (Eph. 2, 4 f. wird
Kol. 2, 12 f. paraphrasiert). Sollten dadurch Wiederholungen vermieden
werden? Nun enthält der Eph. jedoch zweifellos die zentraleren Stücke,
wie wir formgeschichtlidi genau umschreiben können: Im Eph. folgen
einem Initiationslied (Taufdanklied) 1, 3 ff. die Stücke einer aufeinander
bezugnehmenden „Himmelfahrt der Glaubenden" (1,20 ff. christolo-
gische Basis, 2, 4—10 Antwort der Täuflinge mit Zwischenruf, 2,14—18
Erlöserlied); der Kol. enthält nur ein Initiationslied (1, 12 ff.) und ein
Erlöserlied (2, 9 ff.), das gegen die Häresie angewendet wird. Hätte der
Kol. den Vorrang, müßte uns befremden, daß er nicht die zentralsten
Teile der Homologie enthält.

Einerseits setzt der Kol. ein vielleicht katechetisches Vorbild
voraus, andererseits würde der Eph. gut zu den Forderungen passen
, die der Kol. an sein Vorbild stellt. Damit ist die These begründet
, daß der Eph. echt sein kann. Das bedeutet noch nicht,
daß er es sein muß. Doch wird der Kritik damit die Forderung
auferlegt, ihre Gründe für die Existenz des deuteropaulinischen
Autors des Eph. neu zu durchdenken.

Ezechiel

Von W. Z i m m e r 1 i, Göttingen

Das Buch Ezechiel war im Jahre 1936 im Handbuch zum 46, 15; 46, 16—18. 19—24; 48, 1—29. 30—35). Aber die für

Alten Testament erstmals von A. Bertholet bearbeitet worden. Bertholet 1936 charakteristischen synoptischen Kolumnen der

Wer diese Bearbeitung von 1936 mit desselben Verfassers j Parallelrezensionen bei der Textübersetzung sind verschwunden.

Ezechielkommcntar von 1897 vergleicht, wird einen kräftigen J Die These von der ursprünglichen Jerusalemer Wirksamkeit des

Eindruck davon bekommen, wie stark dieses biblische Buch in der j Propheten ist fallen gelassen. Ich glaube, daß Fohrer mit diesem

Zwischenzeit in den Bereich kritischer Fragestellungen geraten j behutsameren Ernstnehmen der Eigenaussagen des Textes auf dem

ist. Hatte der Kommentar von 1897 angesichts „des einheitlichen | richtigen Wege ist. Es erweist sich eben doch, daß mit der Wegver-

Gusses, in welchem Hes.s Buch erscheint" noch festgestellt, daß ! legung Ezechiels aus dem Exil und der Annahme einer sekun-

man es „als Ganzes entweder annehmen oder verwerfen" müsse j dären Umfrisierung seiner Verkündigung Schwierigkeiten ge
(XXIII), so glaubt Bertholet 1936 mit Kraetzschmar (1900) mehrfach
Parallelfassungen von Texten finden zu müssen. Den radikalen
Thesen von Hölscher (1924), der im Buche nur die poetischen
Teile, d. h. etwa ein Achtel des Gesamtbestandes, Ezechiel zu

schaffen werden, die größer sind als diei in der Selbstaussage des
Buches zweifellos vorhandenen Anstöße.

Fohrer hat seinen Kommentar durch eine Reihe von gewichtigen
Vorarbeiten vorbereitet. In ZAWBeih 72 hat er 1952 über

billigen will, kann er zwar nicht folgen, doch rechnet auch er ! j:- t, ■ , , „ u c „,;„„,.;,,,» „„j .,„- ^in»r

. " i k. , ... .. , , : ule -Hauptprobleme des Buches Ezechiel orientiert und aus einer

letzt mit einer erheblichen Masse von sekundären Stucken, dazu I ,,mf,^„ j V. i ^ • u j- j„„ l„«.,f„„ T,Ur

. . „ i ..j. r- i i a j. j umfassenden Literaturkenntnis heraus die in den letzten Jahr-

mit einer stellenweise sehr dichten EinzelgIo6sierung. Auch der . ,Pi,_,.„ c , , , , u .r,____ „, , i m r„j,

durch die Arbeiten von Smith (1931) und Torrey (1930) vor- !eh.ntin ^gebrochenen kritischen Hauptfragen nach dem Buch

bereiteten These von Herntrich (1933), nach welcher in Ezechiel
ein Jerusalemer Prophet zu sehen sei, dessen Worte nachträglich
im Sinne der exilischen Wirksamkeit umredigiert worden seien,
glaubt Bertholet in der vermittelnden Weise seinen Tribut bezahlen
zu müssen, daß er eine Jerusalemer Frühverkündigung von
der späteren Exilsverkündigung des Propheten unterscheidet.

Fohrers Neubearbeitung von 19551 zeigt nun, daß die Arbeit
am Ezechielbuch auch in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht
an Ort getreten, sondern weiterhin in Bewegung geblieben ist.
Allerdings hat diese Bewegung nicht nochmals weiter vom traditionellen
Ezechielbild weg, sondern in gewissen Punkten in einem
deutlichen Rückschlag des Pendels zur behutsameren Beachtung
der Selbstaussage des Textes zurückgeführt. Gewiß, zur The6e
von 1897 vom „einheitlichen Guß" des Buches führt die kritische
Überprüfung der Kritik nicht mehr zurück. Auch Fohrer meint
dem Propheten 24 kleinere und größere Abschnitte des Buches
absprechen und sie einer Mehrzahl von jüngeren Händen zusprechen
zu müssen (6,8—10; 12,16; 16,30—34.44—58.59—63;
17,22-24; 21,33-37; 22,6-13 und 15-16. 23-31; 23,36
—49; 27, 9b und 11—24; 28,20—26; 30,13—19; 32,9—16; 33,
7-9; 40, 38—43; 41, 15b-26; 43, 10—27; 45, 18-20; 45, 21-

') Fohrer, Georg: Ezechiel. Mit einem Beitrag von Kurt
Galling. 2., völlig neu bearb. Aufl. Tübingen: Mohr 1955. XXXV,

263 S. gr. 8° = Handbuch zum Alten Testament, l. Reihe 13 DM 20.80,
Hlw. DM 23.50.

nach Zeit und Ort des Propheten einzeln durchgehandelt. Ein
Aufsatz in ZAW 63 (1951) befaßt sich mit den „Glossen im Buche
Ezechiel", ein solcher in ZAW 64 (1952) mit der „Gattung der
Berichte über symbolische Handlungen der Propheten". Dazu kam
,95 3 die monographische Untersuchung der „Symbolischen Händigen
der Propheten". Und schließlich ist auf die umfassende
Darlegung der Auffassung vom Kurzvers, die in ZAW 66 (1954)
auf den vehementen Angriff von Mowinckel in ZAW 65 (1953)
hin erfolgt ist, hinzuweisen. Mowinckel hat in ZAW 68 (1956)
nochmals repliziert. Auch die Berichte über „Neuere Literatur
zur Alttestamentlichen Prophetie" in ThR NF. 19 (1951) 277-
346; 20 (1952) 193—271; 295—361, aus denen allerdings die
Ezechielliteratur für einen besonderen Beitrag von Kühl ThR NF.
20 (1952) 1—26 ausgespart wurde, müssen im Bereich dieser
weitgespannten Vorarbeiten genannt werden.

Der vorliegende Kommentar nun, der ebenfalls umfassend
über die weitschichtige Ezechielliteratur orientiert (S. XXXI—
XXXV der Einleitung und in den auf die einzelnen Textabschnitte
folgenden Literaturlisten), faßt das in den Einzeluntersuchungen
Erarbeitete in der Form der dem Text folgenden Auslegung zusammen
. Mit Recht zitiert Fohrer dabei im Blick auf die Erstbearbeitung
im Handbuch 1936 die Feststellung, die Bertholet
jener Erstbearbeitung im Blick auf seinen Kommentar von 1897
vorangeschickt hatte, daß nahezu „vom früheren kein Stein auf
dem anderen stehen geblieben ist". Nur selten erinnern ausdrücklich
gekennzeichnete Zitate an die Bearbeitung von Ber-