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Ausgabe:

1957 Nr. 5

Spalte:

325-334

Autor/Hrsg.:

Schille, Gottfried

Titel/Untertitel:

Der Autor des Epheserbriefes 1957

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 5

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sondern vor allem in dem Urteil: Und Gott sah an alles, was er wert und nötig ist. Genug, die vollkommene Schöpfung ist im
gemacht hatte, und siehe da, es war sehr gut, einem Urteil, dem j letzten Grunde etwas aus dem geschichtlichen Bereich Heraus-
fünfmal eine entsprechende Feststellung für die einzelnen Schöp- ' gelöstes, der Heilszeit Zugehöriges, die ja das Ende der Ge-
fungsvorgänge vorangeht. Hier zeigt sich der Gegensatz am j schichte ist. Der Schöpfer aber ist Gott in seiner Vollkommenschärfsten
: Der jahwistischen Offenheit der Schöpfung als einer | heit. D. h. der vollkommene Gott schafft Vollkommenes.

Wie kommt es zu dieser Verschiedenheit des jahwistischen
und des priesterlichen Gottesbildes? Die rund sechs Jahrhunderte,
die zwischen diesen beiden Quellen liegen, geben die Erklärung.
In ihnen ist das rasch empor gestiegene Reich Davids ebenso
rasch durch Abfall der Tributärstaaten und durch Zerfall des Kernes
zur Bedeutungslosigkeit herniedergesunken, während die
Prophetie eben das Wiedererstehen dieses Staates und seines Tempels
als Zukunftsgeschehen dem Volk vor Augen stellte, indem

des ergänzenden, helfenden, ordnenden Eingreifens Gottes be
dürfende und in eine creatio continua übergehende steht hier
eine vollkommene Schöpfung gegenüber, eine Schöpfung, die genau
dem göttlichen Schöpfungswort, also Gottes Denken und
Wollen entspricht, damit aber weder ergänzungsbedürftig noch
entwicklungsfähig ist. Bevor wir fragen, wie es zu dieser völlig
anderen Schau trotz der Kenntnis der alten Überlieferung kommt,
sollen ganz kurz zwei Schwierigkeiten angedeutet werden, die

diese neue Schau belasten: Das eine Problem zeigt sich im prie- ; sje gleichzeitig Jahwe als Herrn der Geschichte nicht nur des eige
sterschriftlichen Eingang der Sintfluterzählung 6ehr deutlich. Hier i nen sondern auch der fremden Völker verstehen lehrte. Vor allem
wird einfach festgestellt, daß alles Fleisch seinen Weg auf Erden Ezechiel mit seiner Kabodtheologie, die die Herrlichkeit Jahwes
verderbt habe; es wird aber nicht gezeigt, wie e6 innerhalb der pries, und Deuterojesaja, der in seinen Streitgesprächen die andern
vollkommenen Schöpfung zur Sünde, zum gottwidrigen Handem j Götter als Nichtse entlarvte und Jahwes unbeschränkte Gekommen
konnte. Natürlich bewegt sich hier die Priesterschrift
innerhalb der älteren Überlieferung; aber sie hat ja gerade darauf
verzichtet, vom Sündenfall, von Kain und Abel, von den
Göttersöhnen und Menschentöchtern zu berichten; so kommt
innerhalb der Quelle dieses Urteil über die Verderbtheit der

Schichtsmächtigkeit mit seinem Wirken als Schöpfer Himmels und
der Erden begründete, haben hier Entscheidendes zum Gottesbild
der Priesterschrift beigetragen. Im einzelnen dies nachzuweisen
und zu entfalten, würde hier zu weit führen. Es muß bei diesen
Andeutungen sein Bewenden haben; denn es ist jetzt nötig, noch

Menschen überraschend. Dabei ist hier doch die jahwistiscne j für einen Augenblick dem Redaktor Aufmerksamkeit zu sehen
1 nese von der allgemeinen Sündhaftigkeit der massa perditionus fcen, der dje Quel[en aneinandergefügt und den Pentateuch gemein
einfach referierend übernommen, sondern charakteristisch { staitet hat Dje Fragf, naA jhm und sejner Gottesauffassung ist
tur P der eine Mann Noah als ein gerechter, vollkommener, vor um so widltiger) als ja die bdden Quellen uns nur in seiner Zu-
Oott wandelnder Mensch der massa perditionis gegenübergestellt. sammenarbeitung vorliegen. Hat er, dessen Weisheit wir an vie-
D.e Pr.esterschrift bringt also auch hier eine eigene Sicht zur Gel- len Stellen bewundern müssen und können, sich über die Ver-

tung, indem sie damit rechnet, daß der Mensch durch einen Wan
del vor Gott selbst 6eine Gerechtigkeit und damit die Voraus
Setzung für seine Errettung in der Flut schafft. Eben diese Eingriffe
in die Tradition lassen die Frage nach dem Woher der
Sünde in der Priesterschrift aufkommen und führen auf die These,
daß der Verfasser dieser Quellenschrift die Frage nicht sehen
will.

Das zweite Problem, das berührt werden soll, ist das Verhältnis
des Verfassers der Priesterschrift zur Geschichte, genauer
gesagt, die Frage, wie es in der vollkommen erschaffenen Welt
zu einer geschichtlichen Entwicklung kommen kann. Hier wäre
trotz Jo. 1 kaum auf das den Bericht eröffnende Wort „im Anfang
" hinzuweisen, das doch wohl den Infinitiv des Verbums
statt des Perfekts fordert und dann nur eine Datierung analog
dem Anfang des jahwistischen Berichts darstellt, sondern einmal
auf die Einordnung der Schöpfung in das Sechstagewerk und zum
anderen auf den dem Menschen, freilich ähnlich auch den Tieren,
erteilten Segen, der den Auftrag, sich zu mehren und die Erde
zu füllen, enthält. Aber von da aus kommt man nur zur Genealogie
, und das ist ja auch das, was die Priesterschrift bietet, in der
selbst die Sintflut zu einer Episode im Leben des Noah wird.

Aber will denn die Priesterschrift überhaupt Geschichte darstellen
? Will sie nicht vielmehr nur zeigen, wann, wo und wie
das Gefüge von Ordnungen kultischer und soziologischer Art
entstanden ist, das der nachexilischen Gemeinde äußeren und
inneren Halt gibt? Ich kann diese Frage in diesem Zusammenhang
nur aufweTfen, nicht aber sie darlegen, wie es wünschens-

schiedenheit des Gottesbildes Rechenschaft abgelegt? Oder hat
er nur, um nichts von der alten Überlieferung untergehen zu las-
sen> beide Quellen neben- und ineinander überliefert? Eine eindeutige
und nach allen Seiten hin gesicherte Antwort läßt sich
nicht geben. Wenn er sich aber der Verschiedenheit bewußt war,
dann hat er die Polarität der beiden Gottesvorstellungen benutzt,
um an ihnen das Problem aufzuzeigen, das auch hinter dem Hiob-
buch sichtbar wird: Daß das wirkliche Geschehen und das aus dem
yottesbild durch Deduktion gewonnene Postulat sich zwar nicht
decken, daß aber in ihrem Gegensatz die das menschliche Denken
übersteigende Gotteswirklichkeit dialektisch anschaulich wird.
Uas ist insofern bedeutsam, als er, der ohne Zweifel aus der
schule der Priesterschrift stammt, durch diese Zusammenarbeit
eine leise Kritik an dem Vollkommenheitsideal dieser Schrift
jl' ^enn indem er den Gedanken der creatio continua festhält,
schafft er Raum für die Geschichte und für das Aufkommen der
->unde. Aber trotzdem will er Gottes Vollkommenheit unange-
tf.^tet lassen und erreicht dies dadurch, daß nunmehr der Erzählung
vom Sündenfall ein Gewicht zufällt, das sie in der jahwistischen
Konzeption nicht gehabt hat.

Über diese Spannung im Gottesbild kommt das Alte Testament
nicht hinaus, auch der Dichter des 73. Psalms nicht, da das
Alte Testament auch die Heilszeit als innerweltliche Zukunft
denkt. Erst indem Paulus den Christus als den neuen Adam dem
ersten gegenüberstellt und den Erstling der Auferstandenen zum
Begründer der neuen Gottesherrschaft macht, überwindet er in
einer neuen Schau die alttestamentliche Sicht.

Der Autor des

Von Gottfried S c h i 11 e,
Wir setzen die Unechtheit des Eph. voraus und stellen die
Frage nach dessen Autor. Aber wir stellen diese Frage zunächst
als Frage gegen uns selbst: Ist die Hypothese des Deutero-Paulus
mehr als eine wissenschaftliche Hypothese? Kann man sie heute
noch festhalten?

Die Beurteilung des Verhältnisses von Kol. und Eph sowohl zueinander
wie auch zu Paulus, hat sich in letzter Zeit deutlich verschoben.
Schon M. Dibelius hatte in seinem Kommentar1 darauf aufmerksam gemacht
, daß die Paränese beider Schriftstücke weniger voneinander als
von einer gemeinsamen Tradition abhängig sei. Auch für die hymnischliturgische
Tradition ist „nunmehr damit zu rechnen, daß Col. und Eph.

') Handbuch zum Neuen Testament Bd. 12, 21927, 70 f.

Epheserbriefes

Dörschnitz b. Lommatzsch
nicht unmittelbar voneinander, sondern beide von einer Tradition bestimmt
sind"3. Darüber hinaus hat sidi ergeben, daß die Form des Eph.
zwar aus dem gewöhnlichen Briefschema nicht zu erklären ist, dem
Schema der Taufparänese jedoch entspricht3, so daß ein gewichtiger
Einwand gegen die Echtheit dieser Schrift fortgefallen ist. Wer die Besonderheit
des Eph. in seiner kateAetisdien Zielsetzung sieht, wird
darüber hinaus fragen, ob sich diese Schrift etwa nur um ihrer
im editen Schrifttum des Paulus sonst beinahe unbekannten k a t e -

2) H. Greeven in der Neubearbeitung des genannten Kommentars.
"1953, 113.

3) N. A. Dahl, Svensk teol. kvartalskr. 194 5, 85 ff.; E. Percy, Die
Probleme der Kol.- und Eph.-Briefe, Lund 1946; meine Diss. Liturgisches
Gut im Eph., Göttingen 1953, besonders 83 ff.