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1957 Nr. 4

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Philosophie, Religionsphilosophie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 4

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ausweichlichwerden der Verantwortung für das gelebte Leben. In
bezug auf das W i e der Existenz nach dem Tode scheine die von
Karl Heim entwickelte Analogie zweidimensionaler Flächenwesen
zu Begegnungen mit Wesen von drei Dimensionen, die dann als
Wunder erscheinen müßten, eine Hilfestellung zu ermöglichen:
Wir leben nicht in einem Diesseits, dem ein Jenseits nachfolgt,
sondern bereits gleichzeitig in einem gegenständlichen und einem
unanschaulichen Raum. Die sprachliche Formulierung ist nicht
immer glücklich und klar, die für das Leib-Seele-Problem und für
das Unsterblichkeitsproblem einschlägige Literatur kommt doch
wohl zu wenig zu Wort. Der Wert liegt in der Darstellung der
theologischen Sicht des Protestantismus von heute, von der ich
aber offen lassen möchte, ob sie die überwiegend herrschende
These sei; philosophisch entscheidende Gegengründe gegen die
These oder das Postulat der unsterblichen Seele im bisherigen
Sinn liegen jedenfalls nicht vor.

München _ Aloys Wenzl

Aubert, Abbe Jean-Marie: L'enseignement de la Philosophie dans
une perspective pastorale.

Nouvelle Revue Theologique 89, 1957 S. 135—152.
Benz, Ernst: Neueste Kierkegaard-Studien in den romanischen und
iberoamerikanischen Ländern.

Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte IX, 1957 S. 65 f.
Boeder, H.: Origine et prehistoire de la question philosophique de
l'AITION.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques XL, 1956 S. 421
bis 442.

Christian, William A.: Three Kinds of Philosophy of Religion.

The Journal of Religion XXXVII, 1957 S. 31—36.
Dubois, J.: Bulletin de philosophie generale.

Revue des Sciences philosophiques et theologiques XL, 1956 S. 715

bis 753.

Hanna, Thomas L.: Albert Camus and the Christian Faith.

The Journal of Religion XXXVI, 1956 S. 224-233.
Holk, L. J. van: Wat betekent Heideggers uitspraak: „Das Fragen

ist die Frömmigkeit des Denkens"?

Nederlands Theologisch Tijdschrift 11, 1956 S. 119—129.
Kerken, L. Vander: De betekenis van het geheimzinnige.

Bijdragen. Tijdschrift voor Philosophie en Theologie 17, 1956 S. 349
bis 365.

— Een filosofie van het sociaal probleem.

Bijdragen. Tijdschrift voor Philosophie en Theologie 18, 1957 S. 63
bis 70.

Krings, Hermann: Meditation des Denkens. München: Kösel-Ver-
lag [1956]. 74 S. 8°. Kart. DM 4.—.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Walt her, Gerda: Phänomenologie der Mystik. 2., umgearb. Aufl.
i o{ Ölten u. Freiburg/Br,: Walter-Verlag [1955]. 264 S. 8°. Lw. DM 15.80.

Die 1. Ausgabe des Buches erschien 1923 (Halle a. S.: Niemeyer
1923. 248 S.), damals in 9 Kapitel und einen Anhang gegliedert. Die
nach 32 Jahren vorgelegte Neubearbeitung ist in 20 Kapitel, einen großen
Anmerkungsteil und ein Namensregister eingeteilt. Nur noch stellenweise
finden sich Bruchstücke des alten Textes. Inhaltlich ist eine
starke Beeinflussung der Verfasserin durch die Parapsychologie hinzugekommen
, die mit unverkennbaren katholischen Stellungnahmen (im
Geleitwort G. Frei's gleichsam approbiert) eine etwas seltsame Verbindung
eingegangen ist. Man wird sich trotzdem der Bedeutung der
Studie unbeeinflußt hingeben müssen. Neu ist auch der stellenweise
sehr persönliche Stil: an nicht weniger als 9 Stellen wirft die Verfasserin
ausführliche Berichte eigener Erlebnisse in die Waagschale. Auch
eine gewisse Wehmut, daß die beiden großen Lehrer, Husserl und
Pfänder, ihr auf ihren weiten Wegen nicht zu folgen vermochten, vermag
G. W. nicht zu verbergen.

Das Thema „Mystik" ist nicht unbelastet. Die Deutung
durch psychologische Begriffe bleibt immer unbefriedigend. Die
unbesonnene Gleichsetzung der mystischen Erfahrung mit religiöser
Erfahrung überhaupt ist eine Kurzschlüssigkeit, der man ebenso
oft begegnet wie der Gleichsetzung einer bestimmten, etwa
der abendländisch-katholischen oder der indischen Mystik mit
Mystik überhaupt. Die protestantische Art, trotz II. Kor. 12, 1—10
das ganze Problem der Mystik einfach wegzuschieben, weil es in
gewisse Vorstellungen von Glaubens- und Schrifttheologie nicht
paßt, oder aus einer vagen Vorstellung von Mystik gar Schleiermacher
als Mystiker zu bezeichnen, ist einer mit wissenschaftlicher
Gewissenhaftigkeit betriebenen Theologie nicht förderlich.

Die Bedeutung des Buches von G. W. scheint mir nun darin
zu liegen, daß es einen Interpretationsversuch der Mystik durch
phänomenologische Analyse der mystischen Erfahrung, also gleichsam
von innen her unternimmt. Dabei kommt es auf so etwas
wie eine Metaphysik der Seele hinaus. Die seelische Person erscheint
bei G. W. als eine Dreieinigkeit von Ich, Selbst und
Grundwesen. Diese Sicht stimmt mit dem großen Werk von
A. Pfänder: Die Seele des Menschen (Halle 1933) überein. Das
Ich ist in das Selbst eingebettet, aber unter diesem Selbst ist das
geistig-seelische Grundwesen, aus dem sich das Selbst ernährt
und auf dem es ruht. Die mystischen Phänomene beginnen nun
damit, daß das Ich sich und das Selbst nicht nach außen, gleichsam
nach vorwärts richtet, sondern sich sammelt und nach rückwärts
sinkt. Eingehend untersucht G. W. jene Erlebnisse, in denen
wir eine Einstrahlung, Beeinflussung, ja geradezu Mitteilungen
anderer Menschen in dieses unser Grundwesen wahrzunehmen
glauben. Sie meint, diese Phänomene als Vorformen der mystischen
Einstrahlung verstehen zu sollen, die aus dem (göttlichen)
Wesensgrund in das (uns selbst zugehörige) Grundwesen erfolgen.
Es kommt, sieht man von G. W.s vermittelnder Hilfsinterpretation
einmal ab, zu einer sehr einleuchtenden Analyse der Stadien
(ich möchte hier nicht von „Stufen" reden, die Verfasserin tut
es auch nicht) mystischer Erfahrung: der Verzweiflung an der
Welt und an sich selbst, dann jener Wärme- und Lichterlebnisse,
in denen sich der Mensch ganz und gar nur noch der Gnade Gottes
ausgeliefert weiß; die Starre und Empfindungslosigkeit der
Sinne in der Ekstase kommen zur Sprache und schließlich auch
die von allen Mystikern bezeugte Trockenheit und Pein nach
solchen Erlebnissen.

Es mag hier die Frage gestellt werden, ob diese Schilderung
erschöpfend ist. Die eigentümlichen Paradoxien mystischer Terminologie
, wie sie in G. van der Leeuws „Phänomenologie der
Religion" (21956, S. 561 ff.) so eindrücklich beschrieben sind, also
das Widerspiel von Licht und Nacht, Schweigen und Reden, Reichtum
und Armut, ferner das Rituslose, ja geradezu Ritusfeindliche
aller Mystik, das Verlieren des Namens, das alles möchte man in
grundsätzlicher Deutlichkeit behandelt und nicht nur gelegentlich
gestreift sehen. Wahrscheinlich ist daran aber die etwas
schmale Basis schuld, auf der G. W. ihre Analysen aufbaut. Neben
Joh. vom Kreuz und Teresa von Avila erscheinen Martin Buber
, Justinus Kerner und Edith Stein für das Abendland als die
wesentlichen Kronzeugen. Gerne hätte man neben der indischen
die islamische, neben der spanischen die deutsche und niederländische
Mystik stärker berücksichtigt gesehen. Es wäre dann ein
doppeltes Problem sichtbar geworden, an dem die wesentlich an
der Deutung ihr selbst erreichbarer Phänomene interessierte Verfasserin
doch vorübergegangen ist. Einmal: Es wäre so die Gleichartigkeit
alles Mystischen sichtbar geworden, die quer durch alle
Religionen geht und ja im Grunde nur die These des vorliegenden
Buches bestätigen würde. Nur um dieses aller dogmatischen
Normung sehr widerstrebenden Tatbestandes willen gibt es ja
eine „Phänomenologie" der Mystik! Aber ebenso entsteht dann
die Frage, was es mit der Vielheit der Mystiken auf sich hat, worauf
G. W. wohl einen Augenblick aufmerksam wird (S. 160, 180),
ohne doch sich dadurch sehr stören zu lassen. Sie ist am Nachweis
sehr interessiert, daß die „Unmittelbarkeit" mystischer
Gotteserfahrung sich mit dem Glauben an einen Mittler vereinen
läßt, ja, daß auch das Verhältnis zum Mittler selbst wieder
mystisch sein kann. Aber daß dadurch doch in die Mystik ein
widersprechendes Element hineinkommt, was in der Religionswissenschaft
mit dem bezeichnenden Ausdruck der „gehemmten
Mystik" sehr zutreffend beschrieben zu sein scheint, bleibt hier
leider unerörtert.

Das Buch greift kräftig auf theologische Fragen über: Das
Verhältnis Gottes zum Wesensgrund des Menschen, Gott als
geistige Person, die Spontaneität der Gnade, die Bedingungen,
unter denen allein von einer Gemeinschaft mit Gott gesprochen
werden kann, schließlich der Sinn der Mittlerschaft zwischen
Mensch und Gott und die Unterschiede zwischen der unio per-
sonalis im Sinne der Christologie und der unio mystica — das
alles kommt eingehend zur Sprache. Und ich möchte ausdrücklich