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Ausgabe:

1957 Nr. 4

Spalte:

293-294

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Müller, Armin

Titel/Untertitel:

Die Grundkategorien des Lebendigen 1957

Rezensent:

Reisner, Erwin

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293

Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 4

294

G e r d e s, Hayo: Bürgers Lenore und das evangelische Gesangbuch.

Muttersprache. Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen

Sprache 1957 S. 78—84.
Hopf, F. W.: Ein Abendmahlshymnus von Wilhelm Löhe.

Lutherische Blätter 8, 1956 S. 137—148.
Jungmann, Josef Andreas: Der liturgische Wochenzyklus. Verfall

und Neubildung.

Zeitschrift für katholische Theologie 79, 1957 S. 45—68.

New Holy Weck o r d e r.

Theology Digest IV, 1956 S. 32—33.

Pursch, Kurt: Das Opfermahl und die Neuordnung seiner Gestalt.
Internationale Kirchliche Zeitschrift 46, 1956 S. 214—226.

Sau ras, Emilio: Is there a priesthood of the laity?
Theology Digest IV, 1956 S. 110—114.

Schanze, Wolfgang: Die Sprache der Liturgie.

Muttersprache. Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen
Sprache 1957 S. 58—62.

Schürmann, H.: Eine dreijährige Perikopenordnung für Sonn- und
Feiertage. (Entnommen dem v. Liturg. Inst, in Trier hrsg. Liturgischen
Jahrbuch 1952, II, 1, Aschendorff, Münster). 19 S. 8° = Handreichungen
zur Seelsorge, hrsg. v. Referat Seelsorge im Bistum Berlin.

Simon, Georg: Die Graduallieder der neuen Agenden.
Die Zeichen der Zeit 11, 1957 S. 47—50.

T i 11 y a r d, H. J. W.: A Byzantine Manuscript in the British Museum.
Classica et Mediaevalia XVII, 1956 S. 13 5—137.

Urner, Hans: Zur Neuordnung des Gottesdienstes.
Die Zeichen der Zeit 11, 1957 S. 64—65.

Volk, Hermann: Sonntäglicher Gottesdienst. Theologische Grundlegung
. Münster: Regensberg [1956]. 104 S. 8°. Pp. DM 3.20.

Zuntz, G.: Das byzantinische Septuaginta-Lektionar („Propheto-
logion").

Classica et Mediaevalia XVII, 1956 S. 183—198.

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Müller, Armin, Dr.: Die Grundkategorien des Lebendigen. Ein Beitrag
zum Problem der Werte. Meisenheim/Glan: Hain 1954. 207 S.
gr. 8° = Monographien zur Naturphilosophie, hrsg. v. Ed. May,
Bd. III. DM 14.-; Lw. DM 16.50.

Man kann von diesem Buch, gleichgültig wie man sich theoretisch
zu ihm stellt, ob man allen seinen Thesen zustimmt oder
nicht, jedenfalls nur mit allergrößter Hochachtung sprechen. Der
Verfasser ist nicht nur ein außerordentlich gelehrter Mann, er
ist darüber hinaus ein Gebildeter, der das Aufgenommene auch
wirklich zu verarbeiten und zu gestalten versteht, und wenn so
etwas einmal gesagt werden kann, dann hat die Frage nach der
Richtigkeit dieser oder jener Behauptung nur noch sekundäre
Bedeutung. Aber auch diese Frage scheint mir, sofern sie sich vor
allem auf die erkenntniskritische Beurteilung der naturwissenschaftlichen
Methode bezieht, durchaus positiv beantwortbar.

Wie so vielen anderen modernen Biologen und Medizinern
geht es auch A. Müller darum, in der Biologie gegenüber der kausal
-mechanischen Denkweise wieder das teleologische Prinzip zur
Geltung zu bringen. Begriffe wie Norm, Wert, Sinn, Gestalt,
Ganzheit usw. spielen darum die entscheidende Rolle. Gegen Darwinismus
und Neodarwinismus, also gegen die einseitige Betonung
des rationalistischen Nützlichkeitsaspektes und der bloß
exogenen Entwicklungsfaktoren bemüht sidi Müller, an einer
Überfülle von Beispielen und auf Grund einer ungeheuren Literatur
zu zeigen, daß alle Wertrichtungen des bewußten menschlichen
Geistes, abgesehen von der religiösen, bereits in den primitivsten
Lebensregungen, ja andeutungsweise sogar schon im anorganischen
Kristallisationsprozeß, vorgeformt sind. Philosophisch
stützt sich der Verfasser dabei außer auf E. Spranger vor allem
a"f die Schichtentheorien von M. Scheler, N. Hartmann und
E- Rothadcer.

Unabweisbar drängt sich hier nun allerdings die Frage auf,
ob sich mit Wertphilosophie Wissenschaft, zumal Naturwissenschaft
treiben läßt. Im Blick auf seine eigenen Positionen hinsichtlich
der Phylogenie sagt der Verfasser selbst einmal: „Es ist
offenkundig, daß mit dem, was hier andeutend über die eigentlich
historischen Kategorien in der Stammesgeschichte gesagt worden
ist, der Boden naturwissenschaftlicher Exaktheit verlassen
wird" (42). Das Gleiche gilt aber auch von allem anderen. Man

kann die Frage nach dem Charakter der Biologie als Wissenschaft
nicht damit erledigen, daß man dem Lebendigen andere Kategorien
zuweist als dem Anorganischen; denn das erkenntnistheoretische
Problem, um das es hier geht, betrifft ja gerade die
Wissenschaftlichkeit aller dem Nicht-Organischen zugehörigen
Kategorien. Man kann nur entweder Wesenserkenntnis
oder wissenschaftliche Erkenntnis, aber niemals beide zugleich
haben. Der sogenannte „Wert" ist zwar ein philosophisch, aber
nicht auch wissenschaftlich brauchbares Prinzip. Werthaft kann
etwas nur sein, sofern es sich nicht intellektuell-theoretisch, sondern
voluntativ oder emotional fassen läßt. Daraus folgt, daß
das ganze Buch seiner überaus gründlichen wissenschaftlichen Fundierung
zum Trotz wohl als bedeutende naturphilosophische
Leistung, nicht aber eigentlich als ein Beitrag zur naturwissenschaftlichen
Forschung betrachtet werden kann.

Mehr vielleicht noch als dieses erkenntnistheoretische Problem
interessiert uns hier die Frage nach der besonderen Philosophie
, ja nach der Theologie, die sich hinter Müllers Deutung
des Lebens verbirgt. Und da kann die Antwort nur ganz eindeutig
lauten: die platonisch-idealistische. Mehr Goethe als Newton
und Darwin, dagegen braucht man sich nicht zu wehren; aber dem
Verfasser muß im Hinblick auf den letzten Teil seines Werkes
doch gesagt werden, daß Goethe und Darwin mit Christus gleich
wenig oder gleich viel zu tun haben, und ich möchte nicht unbedingt
behaupten, daß Goethe vor dem ewigen Richterstuhl
besser abschneiden wird als Darwin oder Newton. Die idealistisch
verstandene Norm, die der Verfasser allein meint, wenn er diesen
Ausdruck gebraucht, ist christlich gesehen ebenso pervertiert
wie die Normlosigkeit der kausalistischen Wissenschaft.

Wir haben früher die große Gelehrsamkeit Müllers gerühmt.
Es wäre aber für die Lesbarkeit des Buches vorteilhafter gewesen,
wenn diese Gelehrsamkeit mehr im Apparat als im Text zum
Vorschein gekommen wäre.

Berlin Erwin Reisner

Ha endler, Otto, Prof. D.: Das Leib-Seele-Problem in theologischer
Sicht. Berlin: Renner 1954. 54 S. 8° = Erkenntnis und Glaube.
Schriften der Evang. Forschungsakademie Ilsenburg H. 12. DM 3.80.

Das Anliegen des Verfassers ist zu zeigen, daß jeder Laie
oder Forscher sich sowohl der Glaubenswelt wie der wissenschaftlichen
Welt offenhalten dürfe. „Es geht für uns um die drei großen
Rätsel Leib, Seele, Geist und ihre Zusammenhänge". Den
„beiden klassischen Theorien" des Parallelismus und der Wechselwirkung
wird der Verfasser allerdings doch nicht ganz gerecht,
wenn er sie nur als Deutung der Lebenseinheit um die Jahrhundertwende
bezeichnet und ihnen als neueste „maßgebende Umstellung
" die These gegenüberstellt, die Leib und Seele „als
zweierlei Ausdruck derselben Wirklichkeit zu verstehen sucht".
Das ist doch im Grunde Fechners Zweiseitentheorie. Wenn nach
der zitierten Schrift des Referenten das Leib-Seele-Problem in
das des Ausdrucks übergeht, so ist ihm doch die „verfeinerte"
Wechselwirkungslehre von Stumpf und Becher zugrundegelegt,
mit der ja im übrigen auch der Verfasser im wesentlichen übereinstimmt
. In Bezug auf die ontologische Dreistufigkeit des Menschen
Leib-Seele-Geist wird mit Recht die Isolierung einer der
drei Erscheinungsweisen abgelehnt. Im zweiten Abschnitt wird
nun die Einheit der Person in ausgesprochen theologischer Sicht
betont. Der Mensch als Person kann sein Selbstsein nur verwirklichen
in der horizontalen Beziehung zur Welt und der vertikalen
Relation zu Gott. Der dritte Abschnitt wendet sich gegen eine
Abwertung des Leibes, die nicht eigentlich christlichen, sondern
griechischen Ursprungs sei. Der Leib sei für den Christen nicht
der Kerker, sondern der Tempel des Geistes. Der vierte Abschnitt
gilt dem Problem des Todes als Übergangs in eine neue Existenzweise
und der Auferstehung. Der „populären" Vorstellung, daß
die Seele unsterblich ist, stehe die in der heutigen protestantischen
theologischen Debatte überwiegende herrschende These
von dem Tod des ganzen Menschen an Leib und Seele und der
totalen Auferstehung gegenüber. Andererseits wird die Formulierung
von Althaus als glücklich bezeichnet: „Nicht die Seele
überdauert das Ende, sondern die Person, sofern Gott nicht auf-
I hört, mit ihr zu handeln". Der Ernst des Todes liege im Un-